20.12.2025N. Bernhardt
Hashtag: Verkehr. Überallparken als Grundrecht

Bereits die Straßenverkehrs-Ordnung von 1937 kannte die Vorgabe, daß Fahrzeuge die Fahrbahn zu benutzen haben. [1] Dieses Prinzip gilt seither fast 90 Jahre unverändert fort und schließt parkende und fahrende Fahrzeuge auf Gehwegen und anderen, Fußgänger vorbehaltenen, Flächen aus.
Dies hindert(e) die Verwaltung indes nicht daran, ein Landrecht-gestütztes „Opportunitätsprinzip“ aufzubauen und Parken auf Gehwegen und in Fußgängerzonen durch „Duldung“ faktisch zu einem Gewohnheitsrecht zu machen. Dies ist in Anbetracht des seit langem geltenden Grundrecht auf Gleichbehandlung und speziell zahlloser Gesetze neuerer Zeit zwecks Gleichstellung und Teilnahme von Behinderten am täglichen Verkehr ein Witz. Barrierefreie Bushaltestellen? – Haben wir nie was von gehört, dauert bestimmt 166 Jahre oder gar noch länger.
Grundsätzlich sind natürlich alle Verkehrsordnungswidrigkeiten wie das Falschparken zu ahnden, wie der Verkehrsminister Baden-Württemberg in seinem Erlaß vom 11. Mai 2020 klarstellt. [2] Sonst hätte der Verordnungsgeber wohl kaum einen Bußgeldkatalog zur Ahndung der Verstöße dahintergestellt. Das sog. „Opportunitätsprinzip“ gibt dem Ordnungsamt eine eng begrenzte juristische Handlungsfreiheit innerhalb des gesteckten rechtlichen Rahmens.
„Geduldetes“ Gehwegparken in Gründerzeitvierteln wie in Wuppertal gehört definitiv nicht zum rechtlichen Rahmen. Schon gar nicht sachfremde Begründungen wie „hoher Parkdruck“, [3]
Unsere Aufsichtsbehörden schlafen bei ihrer Tätigkeit, Aufsicht zu führen, tief und fest. Da die Umsetzung der Straßenverkehrs-Ordnung und deren Einhaltung Ländersache ist, haben wir im Bundesgebiet faktisch 16 verschiedene Straßenverkehrs-Ordnungen – je nachdem, wie die jeweilige Landesbehörde das Opportunitätsprinzip auffaßt.
Beispiel 1: Herzlich willkommen auf Wuppertals Spezialparkflächen: Gehwege und Fußgängerzonen.

Bild 1a: Nach Auskunft der Verwaltung [3] sollte Gehwegparken wie hier am Hohenstein, wo die Einbahnstraße breit genug ist, geahndet werden. Aber nicht einmal das bekommt die Verwaltung gebacken und „duldet“ das Gehwegparken seit Jahren.

Bild 1b: Die Steigerung ist dann noch das offiziöse, aber rechtswidrige Anordnen von Gehwegparken. Laut StVO [4] muß dabei für Fußgänger ein Regelmaß von 2,20 m übrigbleiben. In der Praxis sind es oft einen Meter oder weniger, wie hier am Hofkamp 140-144.

Bild 1c: Frei parken in der Fußgängerzone! Ladetätigkeit? Ladezeiten? Egal! Dazu kommen noch Freigaben für alle wie „Zufahrt bis Hotel frei“ in der Schloßbleiche (oben links, im Uhrzeigersinn), der Alten Freiheit, der Kirchstraße, der Schönen Gasse, der Grabenstraße, der Bankstraße und unten natürlich der Neumarkt. Fußgänger arrangieren sich bestimmt und latschen um die Blechhindernisse herum, gar kein Thema!

Bild 1d: Beim Hochbordparken wie hier an der Dahler Straße ist das Fahrzeuggewicht auf 2,8 Tonnen beschränkt. Die Stadt Wuppertal bastelt sich hier offenbar das achte Weltwunder, so daß die normalerweise schweren LKW immer genau 2,8 Tonnen wiegen, wenn sie dort parken. Anders läßt sich nicht erklären, warum die schweren Fahrzeuge nicht regelmäßig entfernt werden. – Der Steuerzahler blecht für das vorzeitig defekte Pflaster sowieso, oder was?
Beispiel 2, Fahrradstraßen: Selbstständige Erweiterung der Parkreihen offenbar erwünscht

Bild 2: Die (Neue) Friedrichstraße: Der Schilderwald in der „Fahrradstraße“ – alles nur aus Gastfreundschaft für das liebe Automobil.
Die paradox-beamtische Kirche hat ihren Hauptsitz scheinbar in Wuppertal. Anders läßt sich die mehrfache Anordnung von Verboten, Ausnahmen und Rückausnahmen zu Fahrtrichtungen, Parken und wer oder wer nicht dort fahren kann, nicht erklären:
Zu Beginn malt man ein Symbol „Fahrradstraße“ auf die Fahrbahn und läßt sich darin medienwirksam feiern. Spätestens bei der Anordnung des Schildes „Fahrradstraße“ wäre der Kfz-Verkehr aber ausgeschlossen, also bastelt man für die Verbotsrücknahme natürlich ein „Kfz frei“ darunter. Da aber diese „Fahrradstraße“ nur die minimalst zulässige Restbreite von 3 Meter aufweist, muß natürlich eine Einbahn angeordnet werden. Das bedingt sowohl den „blauen Besen“ an jeder Einfahrt und in Gegenrichtung die „rote Spardose“. Da dies auch für Radfahrer gilt, muß unter jedes blaue und rote Schild natürlich auch eine entsprechende Ausnahme durch Zusatzzeichen, damit die Radfahrer wieder in beide Richtungen gurken dürfen.
Als Fahrradstraßen-Mimikry werden dann ein paar Bügel aufgestellt und zum Schein Parkflächen markiert. Das ordnet aber nichts an, weil in der Fahrradstraße für alle auch alle nach den Regeln der Kunst und StVO parken dürfen – auch außerhalb der Mimikry-Markierungen. Natürlich bedingt dies eine verkehrsrechtliche Anordnung, und nach Prinzip Wuppertal geht dies nicht einfach mit einem rot-blauen Parkverbot (Zeichen 283), wo es tatsächlich gelten soll. Nein, Wuppertal ordnet natürlich ein „eingeschränktes Haltverbot“ als Zone mit Parkverbot für die gesamte Straße an, um dann wieder per Gebet, äh, Zusatzzeichen das Parken „in den markierten Flächen“ erlauben.
Die Parkflächenmalerei ist aber wieder nur zur Verschönerung der Umgebung, denn pünktlich zum Feierabend werden die markierten Reihen selbsttätig bis zur nächsten Kreuzung erweitert. Das Automobil ist schließlich Gast in der Fahrradstraße, und ein Gast kann sich doch viel erlauben. Nur, für wen war angeblich die Fahrradstraße gedacht?
Herr, erlöse uns von dem bösen Schilderwald! 7 von 8 Schilder sind nur deshalb erforderlich, weil man eine Fahrradstraße unbedingt für den Kfz-Verkehr freigeben muß. Oder umgekehrt: Weil man politisch eine Tempo-30-Zone als „Fahrradstraße“ feiern will.
Beispiel 3: Nicht bußgeldbewehrt: In die Gegend geschmisse Leihscooter

Bild 3: Leihscooter mitten auf dem Radweg am Karlsplatz.
Angeblich sollen Verstöße gegen Parken auf Radwegen geahndet werden. [3] Leider finden sich immer wieder zahlreiche Leihscooter horizontal „geparkt“ darauf (Foto oben). Angeblich gibt es in der Elberfelder Innenstadt auch ausgewiesene Abstellflächen für Leihscooter. Leider findet man sowohl das halbe dutzend Leihscooter in der Fußgängerzone, wo keine dieser „Abstellbereiche“ definiert ist. Leider stehen einzelne Leihscooter regelmäßig wie beim „Freefloating“ (park das Ding wo du willst) in dem Fußgängerbereich.
Wie wir oben erfahren haben, hat der Verordnungsgeber den Behörden einen Bußgeldkatalog mitgegeben, damit diese Vergehen mit Geldbußen und Verwarngeldern ahnden können. Offensichtlich ist dies bei Verstößen der Verleiher gegen die Sondernutzungserlaubnis nicht erwünscht, weshalb man passenderweise gleich auf Geldstrafen verzichtet hat. [5]
Fußnoten
[1] Verordnung über das Verhalten im Straßenverkehr (Straßenverkehrs-Ordnung — StVO) vom 13. November 1937. (Reichsgesetzbl. I S. 1179).
https://www.blocksignal.de/index.php?w=s7s
§ 8 Satz 1: „Der Führer eines Fahrzeugs hat, soweit nicht für einzelne Fahrzeugarten besondere Straßen oder Straßenteile bestimmt sind, die Fahrbahn zu benutzen.“
[2] Erlass zur Überwachung und Sanktionierung von Ordnungswidrigkeiten im ruhenden Verkehr vom 11. Mai 2020 https://www.aktivmobil-bw.de/fileadmin/user_upload_fahrradlandbw/Downloads/Regelwerke/2020_Erlass_zu_Ueberwachung_Sanktionierung_von_Ordnungswidrigkeiten_im_ruhenden_Verkehr.pdf
ersatzweise: https://up.picr.de/50385559dy.pdf
[3] Antrag gem. § 24 GO NRW – Parküberwachung auf Geh- und Radwegen, VO//0511/20
https://ris.wuppertal.de/vo0040.asp
[4] Rechtsvorschriften: Straßenverkehrs-Ordnung, Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur StVO (Vwv), Richtlinien der FGSV. In der VwV heißt es: „Das Parken auf Gehwegen darf nur zugelassen werden, wenn genügend Platz für den unbehinderten Verkehr von Fußgängern gegebenenfalls mit Kinderwagen oder Rollstuhlfahrern auch im Begegnungsverkehr bleibt.“ – Zwei sich begegnende Fußgänger sind lt. Definition in RASt 06 1,80 m breit plus diverser Sicherheitsräume. Wenn also die Regelbreite von 2,20 m nach Anordnung von Gehwegparken für die Fußgänger übrigbleibt, können wir darüber diskutieren.
[5]
In der Serie Hashtag Verkehr:
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