Die Luise: eine Fahrradstraße, die faktisch keine ist.

Fußgänger lösen sich trotz Dauergeklingels nicht in Luft auf

In der Wuppertaler Rundschau stellen sich einige Leser die Frage, welche Rolle Radfahrer in Wuppertals „Fahrradstraßen“ haben. Die Antwort ist verblüffend einfach: gar keine. Denn wenn lediglich Tempo-30-Zonen-Schilder durch „Fahrradstraße“ mit dem Zusatz „alles andere auch frei“ ausgetauscht werden, kann sich ja auch nichts ändern.

Die eigentliche Idee zur Fahrradstraße war, den Radverkehr zu bündeln, damit dieser schnell und sicher von A nach B gelangen kann. Denn die vorrangigen Ziele der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) sind Sicherheit und Flüssigkeit des Verkehrs. Im Amtsdeutsch heißt das: Engstellen werden beseitigt, Gefahrenlagen entschärft.

In Wuppertal ist es genau umgekehrt. Man schafft eine „Fahrradstraße“ ausgerechnet im engsten Gäßchen, das man finden kann, das zudem noch das Kneipenviertel ist. Das beginnt schon am westlichen Ende an der vielbefahrenen Kreuzung Briller/Nützenberger Straße, an der man den Autofahrern die Radfahrer zum Überfahren vor den Kühler wirft. Mit anderen Worten: Während sämtliche Richtungen für Kraftfahrzeuge ampelgeregelt ist, haben Radfahrer aus der Luisenstraße natürlich! keine eigene Ampelschaltung. Solange aber auch Autos aus der Luise ausfahren durften – vergleiche alte Luftbildaufnahmen –, stand da selbstverfreilich eine Ampel.

Am östlichen Ende endet die Fahrt für E-Scooter an der Fußgängerzone Kleine Klotzbahn, weil man „vergessen“ hat, diese auch für Elektrokleinstfahrzeuge freizugeben. Wer also keinen Knollen riskieren will, fährt 900 Meter Umweg entweder über Bergstraße/Karlstraße/Gathe, oder 2,1 Kilometer über Kasinostraße/Bundesallee/Morianstraße. Zu selben Zeit weist man in derselben Fußgängerzone, die man „vergessen“ hat für E-Scooter freizugeben, Abstellbereiche für Leihscooter aus, bei denen man zufällig „vergißt“, daß die Leihscooter laut Sondernutzungserlaubnis dort gar nicht abgestellt werden dürfen.*)

Eine praxisgerechte Widmung ist die Fußgängerzone oder zumindest der verkehrsberuhigte Bereich, in dem alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind und Fahrzeuge Schrittempo fahren müssen. Aber davon will man bei der Stadt Wuppertal nichts wissen.

Möglichst viel Nutzung durch andere Verkehrsarten

Dutzende Fußgänger bevölkern die „Fahrradstraße“ Luisenstraße.

Bild oben: Es wäre doch zu schön, die sogenannte Fußgänger…, äh, „Fahrradstraße“ Luise als solche benutzen zu können. Denn vorherrschende Verkehrsart sind Fußgänger. Die praxisfremde Ausweisung als „Fahrradstraße“ hat zur Folge, daß sich nun möglichst viele Fußgänger und Radfahrer in die Quere kommen. Dies wäre eine absichtliche Schaffung einer Gefahrenlage, und das kann die Stadt Wuppertal nie nicht wollen, oder?

Daher geht es hier offenkundig gar nicht um Radfahrer, sondern nur darum, eine beliebige Art der „Verkehrsberuhigung“ zu schaffen, bei der dann die Verkehrsteilnehmer nach Landrecht leider auf die Wünsche der Politik und Verkehrtplaner Rücksicht nehmen müssen, um sich nicht selber zu gefährden.

Möglichst eng, möglichst viele Hindernisse

Die Fahrbahnbreite beträgt – theoretisch – fünf Meter. Davon ziehen wir gleich zwei Meter ab, weil die Stadt unbedingt in der „Fahrradstraße“ noch Parkraumbewirtschaftung für Kraftfahrzeuge betreiben muß. Oft finden man dort auch Außengastronomie – gegen diese „historische Nutzung“ kann oder will man nichts sagen. Andererseits kann man Kneipiers schön zur Kasse bitten, wenn ihre Außengastronomie auch nur einen Zentimeter zu breit ist. Memories, anyone?

Bulli versperrt die Fahrbahn

Foto Radfahrer sowie die per Zusatzzeichen „frei“gegebenen Verkehrsarten (vom Typ Kraftfahrzeug und Fußgänger) bekommen dann die „Restbreite“ vorgeworfen. Wie der Rest oder Abfall, den das Fußvolk im Film „Im Namen der Rose“ vorgeworfen bekommt: Bah! Seht zu, wie ihr damit klarkommt! Sie möchten vorbei? Na, dann warte mal, bis wir fertig sind.

Radfahrer bitte absteigen: der Fußgänger mit Rad

Fahrzeug blockiert Fahrbahn, obwohl Ausweichstelle vorhanden

Foto Eine der ganz wenigen Ausweichstellen, aber Ausweichen ist Kraftfahrern nicht zumutbar. Vielmehr haben Radfahrer gefälligst abzusteigen und auf dem Gehweg zu warten, bis der Kraftfahrer weitergefahren ist. Weil: der Radfahrer fährt schließlich gegen Einbahn! Und weil der stets eher einem Panzer ausweichen kann als umgekehrt, gilt automatisch die Regel, daß der Radfahrer weichen muß, auch in der „Fahrradstraße“. Der Radsteher und -absteiger wird zum Fußgänger.

Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, erklärte er die Fahrradstraße zur Fußgängerzone mit dem Zusatz: „Radfahrer absteigen“. Der ganze Schilderwald innerhalb der Fahrradstraße – angefangen vom Zeichen „Einbahnstraße“ über die Spardose (Einfahrt verboten) bis hin zum Haltverbot ist nur wegen des Kraftverkehrs vorhanden, der eine „Fahrradstraße“ per Zusatzzeichen ausnahmsweise nutzen darf. Eine Fahrradstraße ohne Autos bräuchte den Schilderwald nicht, denn Radfahrer dürfen ihr Gefährt auch auf dem Gehweg parken und „Fahrradstraßen“ in Wuppertal stets in beide Richtungen befahren. Aber eine Fahrradstraße ohne Autos gibt es in Wuppertal nicht, denn die Ausnahme „Kfz frei“ ist die ausnahmslose Regel.

Gib ihnen den Rest!

Leider kein Platz mehr für Radfahrer auf der Fahrradstraße

Foto: Nach StVO: Radfahrer können durch ausreichenden Raum sicher und schnell von A nach B gelangen. Der entgegenkommende Kraftfahrer ist nach § 6 StVO wartepflichtig, weil er das Hindernis (parkende Fahrzeuge) auf seiner Seite hat. Nach Wuppertaler Landrecht: Radfahrer müssen sich wie hier durch engste Lücken und unter Außenspiegeln hindurchquetschen und ihren Vorrang erkämpfen, der ihnen sonst mit Sicherheit streitig gemacht wird.

Leider kein Platz mehr für Radfahrer auf der Fahrradstraße

Foto: Der nächste Kandidat wird uns mit Sicherheit gesehen haben, oder? Die Bundesallee hat mindestens sechs Fahrstreifen – aber eine separate Bikelane verhindern Stadt und Politik(mehrheit) mit allen Mitteln. Weil: wir haben doch die Luise!!1elf

Die 500 Meter lange Aue, die gerade kaputtgemacht und anschließend für 5.2 Millionen Euro ausgebessert wird, ist als Fahrradstraße keine Alternative: Schon jetzt „übersehen“ Rechtsabbieger von der Bundesallee Busse auf der einen Busspur. Dann noch zusätzlich den Radverkehr auf der Aue beobachten zu müssen, schafft eine zusätzliche Gefahrenlage und geht garantiert in die Hose, ins Krankenhaus oder auf den Friedhof.

Dank der Enge kann man sich mit der StVO den Hintern abputzen

An der Kreuzung steht man sich im Weg, kann rechts-vor-links in die Tonne werfen.

Foto: Radfahrer dürfen laut StVO in Fahrradstraßen nebeneinander fahren, können das in der Regel aufgrund der Enge aber gar nicht. Sind andersherum tatsächlich einmal mehr Radfahrer als andere Verkehrsteilnehmer vorhanden wie auf dem Foto, steht man sich gegenseitig im Weg, kann man sich die Regeln wie rechts-vor-links dahin stecken, wo die Sonne nicht scheint.

So oder so gilt das Landrecht: der Stärkere gewinnt. In Wuppertals „Fahrradstraßen“ geht es um alles andere, nur nicht um Radfahrer.

Fußnoten

*) Für das Abstellen von inzwischen 3.000 E-Scooter im öffentlichen Raum benötigt ein Unternehmen wie LimeBike, VOI oder Dott eine sog. Sondernutzungserlaubnis. Dort steht einerseits drin, daß diese im ganzen Stadtgebiet gilt, aber auch, daß davon Bereiche wie Fußgängerzonen ausgenommen sind. Dort darf weder der Verleih, noch die Rückgabe erfolgen.

Aber genau deshalb weisen Politik und Verwaltung mitten in den Fußgängerbereichen von Elberfeld und teilweise Barmen Abstellbereiche für Leihscooter aus, an denen Verleih und Rückgabe erfolgt.

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Kommentare

  1. N. Bernhardt sagt:

    Ein dauerhaft sicherer Radverkehr ist in der faktischen parkraumbewirtschafteten Fußgängerzone und aktuell als „Fahrradstraße“ ausgewiesenem Teil der Luise nicht möglich und daher die Anordnung einer Fahrradstraße aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht zu unterlassen.

    Leider sind die gesetzlichen Vorgaben für die Einrichtung einer Fahrradstraße (aus politischen Gründen oder weil jemand Geld dafür bekommt, „Ermessen“, Gutdünken etc. pp.) so minimal, daß sich die Bezirksregierung als Aufsichtsbehörde außerstande sieht einzugreifen, solange theoretisch die Möglichkeit besteht, in der Fahrrad Rad zu fahren.

    So siehts aus. Ausbaden müssen es die Verkehrsteilnehmer, die sich umso mehr in die Haare kriegen, je mehr ein Verkehrsteilnehmer versucht seine Rechte aus dieser völlig kranken verkehrsrechtlichen Anordnung durchzusetzen.

  2. Sebastian Müller sagt:

    Das Traurige/Groteske ist, dass die Luisenstraße trotz der im Artikel korrekt beschriebenen Mängel immer noch für Fahrradfahrer sicherer ist als alle dortigen Alternativ-Straßen.

    Mein persönliches Highlight waren übrigens zwei Autofahrer, die in aller Seelenruhe von Fenster zu Fenster ein Fußball-Gespräch geführt haben, die gesamte Fahrbahnbreite dadurch blockiert haben und auf den freundlichen Hinweis, dass eine Durchfahrt nett wäre, auch noch patzig und aggressiv wurden.

    1. N. Bernhardt sagt:

      Da hilft nur eins: die eigene Klappe halten, unauffällig ein Foto schießen (der ein oder andere hat ja sein Handy am Lenker befestigt) und ab damit zu
      https://formulare.wuppertal.de/metaform/Form-Solutions/sid/assistant/595a333c0cf22e0324699a72

      Eine oft erlebte Situation bei Gegenverkehr: Mancheiner fährt in seinem Automobil ganz links am Bordstein, mit geparkten Fahrzeugen zu seiner rechten. Mancheiner macht es für entgegenkommende Radler also unmöglich, ihn zu passieren. Vielleicht gilt in Einbahnstraßen Linksverkehr, damit hat Mancheiner die Hindernisse passenderweise nicht mehr auf seiner Seite und ist gegenüber dem Gegenverkehr nicht mehr wartepflichtig. Dann heißt es, ohne Blickkontakt „ab durch die Mitte“ zwischen parkenden Fahrzeugen und Mancheiner, freilich mit der nötigen Zeit und geboteten Vorsicht.

      Ich habe auf diese Weise schon einige Mancheiners hinter mir gelassen, die mich vorher teilweise noch mit Lichthupe angeleuchtet haben.

      Daß wir es in Wuppertal zunehmend mit angeordneter Verkehrsgefährdung zu tun haben, können wir als Verkehrsteilnehmer ja nichts für. Siehe dazu auch:
      https://www.njuuz.de/home/politik/talachsenradmurks-hardtufer/

  3. Karl Napp sagt:

    Der Willen der Wuppertaler war der Kneipenteil der Luisenstraße zur Fußgängerzone zu machen. So die Abstimmung bei Bürgerbeteiligung.

    Aber was zählt schon der Bürgerwille gegen die Fahrradlobby.

    So wurde eine Straße, die faktisch keinen benutztbaren Gehweg hat zur Fahrradstraße mit Gastronomie.

    Wo sollen die Fußgänger auch hin.

    1. Uli Schmidt sagt:

      Spannend bist du sicher das es die Fahrradlobby war? Es ging noch nicht mal um eine Fußgängerzone sondern um einen Autofreien Bereich. Da waren ganz andere mächte an Werk und eher keine Radfahrende Lobby. https://www.njuuz.de/home/politik/autofreie-luisenstrasse-vor-umsetzung-mit-anwohnern-und-gastronomie-abstimmen/

      1. Susanne Zweig sagt:

        Herr Napp hat wohl die WZ gelesen: wz.de/56212701

    2. N. Bernhardt sagt:

      Wo sollen die Fußgänger hin? Auf die Straße, wo denn sonst. Eine ordentlich arbeitende Verwaltung wäre auch imstande und im Sinne der Verkehrssicherheit an einer nutzungsentsprechenden straßenverkehrsrechtlichen Ausweisung interessiert, alleine zur Vermeidung von Konflikt- und damit Unfallpotential.

      Möglichkeiten und Anregungen, falls man nicht imstande ist selbst darauf zu kommen, gab und gibt es reichlich. Über Zeichen 250 wie an der Friedrichstraße mit Ausnahmen für Zufahrten und Parkausweisinhaber und Poller am Katzengold, um den Durchfahrverkehr fernzuhalten, über verkehrsberuhigten Bereich wie hinter der Laurentiuskirche…

      Aber nein, es muß ja unbedingt eine „Fahrradstraße“ her.

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