24.05.2025N. Bernhardt
Hinten rein? Oder lieber doch nicht?
Symbolbild ähnlich der WSW-Werbeaktion. In ganz Wuppertal galt: Vorne einsteigen in den Bussen der WSW. Warum? Weil die WSW nur so Schwarzfahren verhindern und Busfahren für alle gerechter machen können. Nur an diesen Ausnahme-Haltestellen dürfen Sie auch hinten einsteigen: 🟥 Wall/Museum (Hbf) 🟥 Morianstraße 🟥 Karlsplatz 🟥 Ohligsmühle (Hbf) 🟥 Brausenwerth 🟥 Alter Markt 🟥 Oberbarmen
(Text vom damaligen WSW-Werbeplakat, „wir“ durch „WSW“ ersetzt.
So um 2000 herum muß im Verwaltungshaus der Wuppertaler Stadtwerke in Barmen bzw. beim VRR in Gelsenkirchen ein Marketingfritze den Chefs der Verkehrsunternehmen im VRR das Blaue vom Himmel erzählt haben wie toll es wäre, mit elektronischen Tickets (E-Tickets) die Fahrgäste „automatisch“ beim Ein- und Ausstieg kontrollieren und statistisch erfassen zu können.
Natürlich wurden die elektronischen Tickets 2003/4(?) eingeführt. Natürlich hat man dabei ziemlich bald darauf verzichtet, wie bisher auf die Tickets zu schreiben, für wen, für wann und für welchen Bereich das Ticket gilt, so daß seitdem Kontrolleure nicht nur Augen im Kopf, sondern auch ein „elektronisches Lesegerät“ zur Kontrolle brauchen.
Leider hat das mit der RFID (Funkübertragung) mittels passiver RFID-Transponder so seine Tücken. So konnten in den Anfangstagen an zentralen Haltestellen mit einer hohen Anzahl wartender Fahrgäste einige Geschäfte mit Diebstahlsicherungen an den Eingangstüren nicht nur den Ausgang der eigenen Ware erfassen, sondern auch gleich die hinterlegten Daten der elektronischen Tickets.
Daß der blaue Wunschtraum von der automatischen Kontrolle beim Ein- und Ausstieg nicht funktionierte, liegt daran, daß die RFID-Chips in den Tickets eine bestimmte elektromagnetische Energie benötigen, dann aber ihre Daten über eine Distanz von mehreren Metern hinaussenden. Man hätte in Bus und Schwebebahn jede Tür mit Transpondern ausstatten müssen, die jedes Ticket in der Umgebung „abfunken“. Von den gesundheitlichen Risiken der Dauerbestrahlung mit 13,56 Megahertz abgesehen würden alle Tickets in der Umgebung wild darauf lossenden und ein unlesbares Chaos verursachen.
Ergo kamen die WSW auf die glorreichen Idee, zum 1. Januar 2011 den „kontrollierten Vordereinstieg“ einzuführen. [1] Wie wir in der zugehörigen Plakataktion (Text unter dem Symbolbild oben) erfahren dürfen, läßt sich „nur so Schwarzfahren verhindern und Busfahren für alle gerechter machen.“
Während Corona galt bereits die Regel „hinten rein!“. [2] Seit ein paar Tagen ist wieder das Einsteigen an allen Türen möglich [3] – außer für E-Scooter natürlich, die weiterhin unorthodox von der Beförderung ausgeschlossen werden. [4]
Ein wenig aus dem Nähkästchen plaudert der ehemaligen WSW-Pressesprecher Michael Malicke in einem Leserbrief an die Rundschau. [5] Dort heißt es, das Kontrollgetue mit dem Einstieg vorne sei gar nicht auf dem Mist der WSW gewachsen, sondern der VRR beharrte darauf. Und: Malicke ist „bis heute der Meinung, dass ein Verkehrsunternehmen seine besten Kunden mit Monatskarte nicht wie Verbrecher beim Einstieg vorne behandeln darf, während alle anderen ohne Ticket hinten reinrutschen.“
Sauber formuliert. Nur stellt sich dann die Frage, wieso die WSW für diese Hauruck-Hinten-rein-Aktion geschmacklose Werbung machen mit Argumenten (s.o.), die man vorgeblich gar nicht selbst vertritt. Zum anderen verfaßt man dann Betriebsanweisungen um zu verhindern, daß ein übereifriger „Türsteher am Steuer“ vorne nach dem Ticket eines Fahrgastes schreit, der gleichzeitig hinten seinen Kinderwagen, Rollator oder Fahrrad sowie sich selbst im fahrenden Bus festhalten muß.
Wie wir aus Leserbriefen der damaligen Zeit erfahren durften, befanden sich unter „alle anderen ohne Ticket [die] hinten reinrutschen“ – wie es Malicke formuliert – nicht nur Schwarzfahrer, sondern auch jene, denen als Gehbehinderte nicht zuzumuten ist, samt Krückstock oder Rollator durch den kompletten fahrenden Bus zu fallen.
Fußnoten, Quellen, Verweise
[1] njuuz vom 12.01.2011:
[2] njuuz vom 12.03.2020:
Vorsichtsmaßnahmen bei den WSW. Busfahrer und Busfahrerinnen sollen geschützt werden
[3] WSW-Pressemitteilung vom 13.05.2025: „WSW-Busse: Einstieg an allen Türen möglich“
→ https://www.wsw-online.de/ueber-uns/presse/pressemitteilungen/pressemeldung/meldung/wsw-busse-einstieg-an-allen-tueren-moeglich/
[4] njuuz:
Keine Mitnahme von E-Tretrollern in Bussen und der Schwebebahn
[5] Wuppertaler Rundschau vom 24.05.2025, Leserbrief: „Die Vernunft hat gesiegt“ von Michael Malicke, Seite 2
PDF: https://wi-paper.de/download/10ade83ea0bd
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Es gibt nur 4 Varianten: hinten, vorne, beides oder nirgendwo einsteigen. Alle haben die WSW jetzt durch. Ich fand die Variante in der Coronazeit, bei der gleichzeitig auf den hinteren Türen „vorne einsteigen“ und an der Vordertür „hinten einsteigen“ stand, am beeindruckendsten.
Nun haben die WSW gemerkt, dass auf ihren Busrunden immer wieder Fahrgäste ein- und aussteigen und deswegen 3 Türen auch Vorteile haben. Ein wichtiger Schritt hin zum Dienstleistungsunternehmen.