„Gott schenkt Freiheit“

Am 31. Oktober feiern evangelische Christ:innen den Reformationstag in vielen Gottesdiensten. Pfarrer Jonathan Hong spricht über die bleibende Bedeutung von Martin Luther und die Herausforderungen für die Kirche heute.


Am 31. Oktober feiern evangelische Christinnen und Christen den Reformationstag in vielen Gottesdiensten. Pfarrer Jonathan Hong spricht über die bleibende Bedeutung von Martin Luther und die Herausforderungen für die Kirche heute.

Was bedeutet Ihnen persönlich der Reformationstag – und warum ist er für Sie heute noch relevant?

Jonathan Hong: Mit dem Reformationstag verbinde ich die feierlichen Reformationsgottesdienste in der Alten Lutherischen Kirche am Kolk. Wenn dann der Klassiker von Luther „Ein feste Burg ist unser Gott“ geschmettert wurde, war das immer ein absoluter Gänsehautmoment. Gottesdienste in der Kirche am Kolk gibt es nun leider nicht mehr, aber die Begeisterung über das, was gefeiert wurde, ist geblieben: Gott schenkt Freiheit!

Gemeinsam mit der Weggemeinschaft Elberfeld gestalten Sie einen zentralen Reformationsgottesdienst in der CityKirche mit Pfarrerin Christina Falkenroth. Welche Botschaft möchten Sie den Besucherinnen und Besuchern mitgeben?

Jonathan Hong: „Independance is dependance in God“ hat mal jemand gesagt. Diese Worte haben sich mir eingeprägt. Übersetzt: Freiheit ist Abhängigkeit von Gott“. Sie bringen Luthers Einsicht von der Freiheit eines Christenmenschen für mich auf den Punkt.

Die größte Freiheit erfahre ich nicht, wenn ich tun kann, was ich will, sondern befreit werde zum Dienst an Gott und an meinem Nächsten.

Die größte Freiheit erfahre ich nicht, wenn ich tun und lassen kann, was ich will, oder wenn ich meine Ziele erreiche, sondern wenn ich befreit werde – zum Dienst an Gott und an meinem Nächsten. Im Reformationsgottesdienst soll es um diese innere Freiheit eines Christen und einer Christin gehen, warum Gottes Gebote dabei eine zentrale Rolle spielen und wie man wichtige Traditionen an die Kinder weitergibt. Denn darum dreht sich auch der für den diesjährigen Reformationstag vorgesehene Predigttext aus 5. Mose 6,4-9, dem sogenannte „Sch’ma Jisrael“ – dem großen jüdischen Glaubensbekenntnis und zentralen Gebot der Liebe, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde – bis zu Jesus Christus hin und weit darüber hinaus.

Zum Reformationsjubiläum 2017 kam Luther auch nach Wuppertal.

Martin Luther wollte die Kirche erneuern. Wo sehen Sie heute Reformbedarf – in der Kirche oder im Glaubensleben allgemein?

Jonathan Hong: Reformbedarf sehe ich vor allem in einer Hinwendung zum Glauben und zum Herzen statt uns in Lehrmeinungen oder Strukturen zu verlieren. Im Blick auf die weltweite Kirche wünsche ich mir, dass wir wieder zueinander finden statt uns zu spalten – ganz nach Jesu Gebet: „Ich bete darum, dass sie alle eins sind.“

Reformation heute bedeutet für mich: Gemeinsamkeiten erkennen, Unterschiede verstehen, aber vor allem den Glauben miteinander feiern.

Diese Einheit ist in einer zunehmend gespaltenen Gesellschaft eine zentrale Botschaft. Reformation heute bedeutet für mich: Schritte aufeinander zugehen, Gemeinsamkeiten erkennen, Unterschiede verstehen und respektieren – aber vor allem den Glauben miteinander feiern und dadurch wieder greifbar und lebendig machen.

Drei Fakten zur Reformation

In der Reihe „Glaubensstark“ erklärt Jonathan Hong auf Instagram bei evangelischwuppertal, was es mit Luthers 95 Thesen und seiner Rechtfertigungslehre auf sich hat und wie Luther und Bach zusammenpassen.

Die Unterschiede sind übrigens gar nicht so unüberwindbar. Am Reformationstag 1999 haben die katholische und lutherische Kirche mit der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ ein wichtiges Zeichen gesetzt. In ihr ist die Lehrverwerfung der Rechtfertigungslehre Martin Luthers im 16. Jahrhundert als überwunden erklärt, und das zentrale Anliegen der Reformation – die Rechtfertigung des Menschen allein aus Gnade durch Glauben – gemeinsam bekannt worden.

Viele Menschen haben sich von der Kirche entfernt. Wie kann die reformatorische Idee von Freiheit, Glaube und Verantwortung wieder neue Relevanz gewinnen?

Jonathan Hong: Indem man die Idee selbst lebt und sie seinen Kindern oder engsten Menschen weitergibt. Das ist zutiefst biblisch und entspricht auch Luthers Vorstellung vom Priestertum aller Gläubigen. Anders wird es meiner Meinung nach – auch bei aller Anstrengung der institutionellen Kirche – nicht gelingen.

Das Gespräch führte Sabine Damaschke.

Reformationsgottesdienste in Wuppertal

Die Wuppertaler Gottesdienste zum Reformationstag finden SIe in unserem Kalender. Der zentrale Gottesdienst der Weggemeinschaft Elberfeld in der CityKirche (Kirchplatz 2) beginnt um 18.30 Uhr.

Die traditionelle Church Night für Jugendliche des Kirchenkreises fällt in diesem Jahr aus. Aber in der Gemeinde Vohwinkel gibt es eine Luther-Nacht für junge Menschen von 14 bis 20 Jahren. Sie startet am Freitag um 18 Uhr im Gemeindehaus an der Gräfrather Straße 15 mit einem Gottesdienst und endet am Samstag (01.11.) um 9 Uhr mit einem Frühstück.

Seit zehn Jahren gibt es vor der Lutherkirche der evangelischen Gemeinde Ronsdorf eine begehbare Lutherrose. Das feiert die Gemeinde am Reformationstag mit einem großen Fest. Es beginnt um 19 Uhr mit einem ökumenischen Reformationsgottesdienst. Die Festpredigt hält der Präsident des Gustav-Adolf-Werkes, Dr. Martin Dutzmann. Anschließend lädt die Gemeinde zum gemeinsamen Essen und Feiern ein. Mehr dazu gibt es hier.

Fotos: KK-Archiv

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