Buch der Woche: Reinhard Giebels Essaysammlung „Nicht vergessen!“

Hauptsächlich Jazz- und Filmgrößen stellt der Autor vor und eröffnet dem faszinierten Leser manch neuen Zugang zur Kunst der Gegenwart.

In zehn Kapiteln präsentiert Reinhard Giebel Bud Abbott und Lou Costello, den Mann am Klavier (Paulchen Kuhn), Russ Freeman und André Previn, George Shearing, Karl Hermann Pillney, Dave Brubeck und Paul Desmond oder die Gruppe Pet Shop Boys, aber auch die Künstler um Bob Geldof, die eine bisher beispiellose Band-Aid-Kampagne losgetreten haben, den großen deutschen Regisseur Helmut Käutner und den kolumbianischen Torhüter René Higuita, den man „el Loco“, den Verrückten, nannte. Teilweise umfangreiche Literatur-, Film- oder LP- und CD-Vorschläge machen das Bändchen zusätzlich zu einem Nachschlagewerk für künstlerische Kostbarkeiten.

Wer kennt schon außerhalb der engen Fachwelt die Genese des „Gassenhauers“ „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans?“ und das Schicksal seines österreichisch-jüdischen Textdichters Fritz Löhner-Beda, der in Auschwitz ermordet wurde? Giebel ermöglicht einen neuen Blick auf Paul Kuhn, der Mitte der 1950er-Jahre den Schlager populär machte, in dessen Refrain es heißt: „Geb’n Se dem Mann am Klavier noch’n Bier, noch’n Bier.“ Der versierte und geschätzte Jazz-Pianist fand sich „plötzlich an der Spitze von Hit-Paraden wieder, nachdem er – laut eigenem Bekunden – das ‚Klavier’-Lied bewusst gelangweilt heruntergesungen hatte, weil er vertragliche Verpflichtungen eingegangen war, deren Folgen er sich etwas anders vorgestellt hatte“ (Seite 24).

Sehr beeindruckend, wie Giebel das Engagement von Harry Belafonte, Bruce Springsteen, Bob Dylan, aber auch von Herbert Grönemeyer und Wolfgang Niedecken würdigt, die bei USA mitmachten, das hier doppeldeutig auch für „United Support of Artists“ stand, eine Internationale der Hilfe.

Den in Göttingen geborenen und seit 1968 in Wuppertal lebenden Musiker und Berufsschullehrer, der im Tal oftmals im Duo mit Dieter Nett aufgetreten ist, kennt man auch als Autor der „Zwölf Ausflüge“ und der TV-Collagen „Aufregung in Kassel“. Er hat das Gunter-Hampel-Quintett mitbegründet. Im Jahr 2010 erschien seine CD „Abschied von Frankfurt“. giebel-essays-cover

„Besondere Hefte für besondere Leser“ hat ein Rezensent einmal die kleine Reihe genannt, in die der Verleger Alfred Miersch seine Liebe zur Literatur und sein ganzes handwerkliches Können hineinsteckt. Preziosen eben. Und erschwinglich sind sie auch noch!

MATTHIAS DOHMEN

 

 

Reinhard Giebel, Nicht vergessen! – Essays, Wuppertal: Nordpark 2015 (= Die besonderen Hefte), ISBN 978-3-935421-98-0, 70 S., Euro 6,50, www.reinhard-giebel.de und www.nordpark-verlag.de.

 

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