Der Kampf um die eigene Kirche

Viele Verhandlungen waren nötig, bis die Protestanten in Vohwinkel ihr Gotteshaus bauen konnten. Ihre evangelische Kirche ist unsere Kirche des Monats Mai.

Aktuelle Stellenangebote:


Viele Verhandlungen waren nötig, bis die Protestanten in Vohwinkel ihr eigenes Gotteshaus bauen konnten. Ihre evangelische Kirche ist unsere Kirche des Monats Mai.

Ein Verkehrsknotenpunkt seit dem Mittelalter mit guten Straßen, eigenem Bahnhof, vielen Arbeitsplätzen und einer eigenen Schule: Da fehlte im 19. Jahrhundert eigentlich nur noch die stattliche protestantische Kirche. Doch so einfach war es im Wuppertaler Ort Vohwinkel nicht. „Auch wenn sich aus der beschaulichen Hofschaft des Mittelalters im 19. Jahrhundert eine pulsierende Gemeinde mit eigenständiger Bürgermeisterei entwickelt hatte, war für die Christen im Ort lange Zeit die Gemeinde Sonnborn zuständig“, erzählt die Archivarin des evangelischen Kirchenkreises Wuppertal, Anke Westermann.

Als 1853 die erste Schule in Vohwinkel öffnete und die schulpflichtigen Kinder nicht mehr in den Nachbarorten lernen mussten, wurde auch der Wunsch der Protestanten nach einer eigenen Pfarrstelle, Predigtstätte und Räumlichkeiten größer. Aber sie gehörten zur Kirchengemeinde Sonnborn – und für die war klar, dass das auch so bleiben sollte.

Bier statt Bibel?

Der erste Versuch 1879, Sonnborn eine Pfarrstelle abzutrotzen, scheiterte. Auch die Verhandlungen der folgenden Jahre blieben laut Anke Westermann ergebnislos. Die Sonnborner Gemeindevertretung sah keine Handlungsnotwendigkeit, eine Pfarrstelle für Vohwinkel einzurichten. Der Grund: In Vohwinkel gebe es zwar Christen, aber insgesamt stehe die große Masse der dort lebenden Menschen der Kirche fern, schrieb Landrat von Estorff 1881 in einem Brief an den Konsistorialrat Höpfner.

Und ergänzte: „Diejenigen, welche das Bedürfnis nach geistlicher Nahrung empfinden, wenden sich den außerkirchlichen Gemeinschaften zu. Bei den übrigen werden die traurigen Zustände bald noch schlechter werden. Dafür sorgen schon die zahlreichen Wirtschaften.“

Zu wenige Christen für ein eigenes Gotteshaus und zu viel Frömmigkeit in freikirchlichen Gemeinschaften: Das harte Urteil der Sonnborner Gemeinde sorgte lange Jahre dafür, dass der Ort ohne evangelische Kirche blieb. Gerechtfertigt war es nicht, meint Archivarin Anke Westermann: „Es darf nicht übersehen werden, dass es durchaus ein religiöses Leben der evangelischen Christen gab; davon zeugen die sehr gut besuchten Bibelstunden, die der Pastor aus Sonnborn in der Schule abhielt.“

Kirchensteuer fürs Pfarrvikariat

Ende 1881 kam endlich Bewegung in die bisher unbefriedigenden Verhandlungen. Das Ergebnis: Sonnborn verzichtete auf die von den Vohwinklern aufzubringende Kirchensteuer, die für die Errichtung eines Pfarrvikariats eingesetzt werden konnten. 1882 wurde ein provisorischer Kirchenvorstand in Vohwinkel gewählt, die Errichtung des Pfarrvikariats wurde von oberster Stelle genehmigt und auch der erbetene Gehaltszuschuss für den anzustellenden Vikar gezahlt.

Innenraum der evangelischen Kirche Vohwinkel

Damit war der Weg für ein Gemeindeleben in Vohwinkel geebnet. „Mit großem Einsatz sammelten die evangelischen Christen Gelder für den Bau der Kirche und des Pfarrhauses und trieben die Errichtung einer selbständigen evangelischen Gemeinde voran“, erklärt Anke Westermann. Nach weiteren Verhandlungen zwischen der Muttergemeinde Sonnborn und den Vertretern aus Vohwinkel ist mit der Urkunde vom 31.5.1886 die Gemeinde zu einer selbständigen Pfarrgemeinde erhoben worden.

Erst drei Jahre später konnte die Grundsteinlegung für die Kirche an der heutigen Gräfrather Straße stattfinden, denn der Gemeinde fehlte für den Bau des Gotteshauses noch Geld. Ihre Kirche konnte sie schließlich im November 1890 einweihen. Wie zu der Zeit vielfach üblich, wurde sie als neogotische Saalkirche gebaut. Seit 1989 – dem Jahr des 100jährigen Jubiläums – steht die Kirche unter Denkmalschutz.

Große Liebe zur Musik

„Kirchenmusik ist bis heute ein fester Bestandteil im Gemeindeleben“, weiß Anke Westermann. Die erste Orgel der Kirche wurde aus Spenden finanziert und Anfang der 1960er Jahren abgerissen, da in die Jahre gekommene Technik unzuverlässig und irreparabel geworden war.

Die Einweihung des neuen Instruments aus der Werkstatt Alfred Führer fand am Erntedankfest 1964 statt. Bis heute erklingt das im Kern noch originale Instrument – es gab nur kleine Veränderungen und eine große Generalsanierung 2012 – in Gottesdiensten und Konzerten. „Die evangelische Kirche in Vohwinkel musste hart erkämpft werden, aber ihr blieben spätere Katastrophen erspart, die andere Gotteshäuser in Wuppertal erleiden mussten“, sagt Anke Westermann. Von den Bomben des Zweiten Weltkriegs wurde sie nicht getroffen. Brände oder Brandstiftungen gab es nicht.

Eine Kirche also für die Ewigkeit? „Der massive Turm erweckt auf jeden Fall diesen Eindruck“, meint die Archivarin. „Er ist ja schon von weitem sichtbar neben dem Rathausturm und prägt das Ortsbild bis heute.“

Text: Anke Westermann/Sabine Damaschke
Fotos: Timo Platte

Anmelden

Aktuelle Stellenangebote:

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert