„Die Aktenführung der Stadt ist mir schleierhaft!“

Oder: Wie sich ein bürokratisches System gegen Ermittlungen sperrt.

Der Prozess gegen Panagiotis Paschalis wegen übler Nachrede zieht sich ins neue Jahr. Zentrale Figuren im ASS-Skandal verweigern die Aussage. Die Stadt hält Akten zurück.

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copyright: Dr. Christine Leithäuser

Gab es eine „Unrechtsvereinbarung“ und haben städtische Amtsträger Handlungen „verschleiert“, um sich und andere vor Bestrafung zu schützen? Das ist die zentrale Frage, um die es im Prozess gegen Panagiotis Paschalis geht. Sollte diese Aussage zutreffen, stimmt der Vorwurf der üblen Nachrede nicht. Dann hat er nur etwas Wahres ausgesprochen.

Gegen das Recht verstoßen haben mehrere Personen. Es wurden Autos einer in Bochum ansässigen Firma in Wuppertal angemeldet, obwohl diese Stadt dafür nicht zuständig war. Es wurden Werbeleistungen abgerechnet, die nicht erbracht wurden. Es wurde Geld eingenommen und ausgezahlt ohne ordnungsgemäße Darstellung im städtischen Haushalt. Es wurde gegen Ausschreibungsrichtlinien verstoßen. Es wurde mit jeder einzelnen Anmeldung eines Autos der ASS gegen das Prinzip der Wirtschaftlichkeit verstoßen. Unstrittig ist der Stadt durch das sogenannte ASS-Geschäft ein finanzieller Schaden von mindestens 700 000 Euro entstanden.

Wie steht es um die „Verschleierung“? Die Personen, deren Aufgabe es war, den Schadensfall zu untersuchen, verweigern vor Gericht die Aussage aus Angst, sich selbst zu belasten. Beim unbeteiligten Beobachter bleibt der Verdacht, dass weder die Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes noch der Antikorruptionsbeauftragte der Stadt Wuppertal in der Vergangenheit ihren Job gemacht haben und sich jetzt der Verantwortung entziehen.

Der Leiter des städtischen Rechtsamtes hat Angaben gemacht. Man erfährt, dass er die Akten, die er zum ASS-Fall angelegt hat, ans Personalamt hat abgeben müssen. Man erfährt, dass er durch den ehemaligen OB von dem Fall abgezogen wurde, nachdem er selbstständig Ermittlungen geführt hat. Die Ratschläge des von ihm beauftragten unabhängigen Juristen wurden vom ehemaligen OB und von der Wuppertal Marketing Gesellschaft sämtlich ignoriert. Man erfährt, dass stattdessen insgesamt vier Kanzleien mit Gutachten zum Komplex ASS von unterschiedlichen Stellen der Stadt beauftragt wurden, deren Akten und Berichte mühsam vom Gericht eingefordert werden müssen. Sie sind vor allem nur fragmentarisch in verschiedenen Ämtern vorhanden. Die vom Rechtsamt angeregte Bündelung aller Akten wurde vom Büro des OB schriftlich abgelehnt. Man erfährt, dass die bereits vorliegenden Akten der Stadt sämtlich nicht paginiert, also nicht unbedingt vollständig sind. Das verleitete die vorsitzende Richterin mehrfach zu dem Ausruf: „Die Aktenführung der Stadt ist mir schleierhaft!“

Ausgesagt hat noch ein weiterer Jurist der Stadt. Er war mit disziplinarischen Vorermittlungen betraut und sollte feststellen, ob städtische Mitarbeiter gegen geltendes Recht verstoßen haben. Vier Tage später wurde der Auftrag wieder entzogen bzw. dahin umgewandelt, dass nur noch eine Bewertung der Recherchen des Rechnungsprüfungsamtes stattfinden sollte. Resultat seiner Bemühungen: ein knapp zweiseitiges Papier, das Plattitüden des Dienstrechtes auflistet, aber keine einzige konkrete Aussage im Sinne des zuerst erteilten Auftrags. Auch hier bleibt ein schaler Nachgeschmack, ob nach 25 Dienstjahren nicht mehr möglich gewesen wäre.

Dazu befragt wurde auch der stellvertretende Büroleiter des ehemaligen OB. Sein Erinnerungsvermögen zu konkreten Ereignissen ist leider sehr begrenzt. Dafür weiß er umso besser darzustellen, wie unmöglich er es fand, dass der ehemalige Rechtsdezernent – Herr Paschalis – und der Rechtsamtsleiter externe Gutachten zum ASS-Geschäft angefordert hatten.

Nicht ausgesagt hat der – immer noch amtierende – Geschäftsführer der Wuppertal Marketing Gesellschaft. Man hätte gerne erfahren, warum er von der Stadt Gebühren für angebliche Werbeleistungen der Firma ASS verlangt hat, ohne dass diese erbracht waren.

Noch nicht ausgesagt hat der amtierende Kämmerer. Wird er erklären, warum er dennoch vierteljährlich in 39 Fällen Zahlungen an die Wuppertal Marketing Gesellschaft freigezeichnet hat, ohne dass ihm Belege für die erbrachte Leistung vorlagen? Wird er aussagen, warum das ASS-Geschäft ohne Einbezug des Rates von ihm persönlich autorisiert wurde? Wird er begründen, warum er einen objektiven Schaden für die Stadt verursacht hat? Ich wage es kaum zu hoffen.

Wahrscheinlich wird Herr Paschalis freigesprochen. Wahrscheinlich legt sich danach der Schleier des Vergessens über den Vorgang ASS. Wie schon lange beabsichtigt.

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Kommentare

  1. Wolf sagt:

    Besser wäre gewesen nicht Aufklärer Paschalis, sondern den verantwortlichen Kämmerer und Personaldezernenten Slawig zu entlassen.

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