Straße der Geschichte

Das erste September-Wochenende 2012 steht ganz im Zeichen der 200-Jahr-Feier der Friedrich-Engels-Allee, die viel Geschichte zu bieten hat

Eingeweiht wurde die Allee zwischen Barmen und Elberfeld 1812 – doch die Wurzeln reichen weiter zurück. Die Straße zwischen Barmen und der Haspeler Brücke entlang der Wupper gibt es seit 1750, sie war allerdings weder breit noch befestigt.
Der Straßenbau erlebte erst unter der Herrschaft Napoleons eine Blüte, die in seinem Marsch von Europa nach Moskau im Jahr 1812 gipfelte. Vorbild für den französischen Kaiser war dabei das römische Straßennetz, das nach dem Ende der Römerzeit eigentlich nicht mehr weiter ausgebaut wurde. Denn vor allem durch die vielen unterschiedlichen Herrschaften im Land war der weitere Ausbau schwierig.
Napoleon war von 1806 bis 1813 Protektor des Rheinbundes, zu dem auch das Herzogtum Berg gehörte. Der Rheinbund war auf Betreiben des französischen Kaisers ein Zusammenschluss deutscher Mittelstaaten und diente zur Zerschlagung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nationen und damit einhergehend der Ausweitung und Festigung des französischen Kaiserreichs. Ziel des Rheinbundes sollte eine Reform der bestehenden Verhältnisse hin zu einem zentral verwalteten, einheitlich regierten Staatswesen sein. Das Herzogtum Berg (später Großherzogtum) und das Königreich Westfalen dienten Napoleon dabei als Modellstaaten.
Für die Bewohner des Bergischen Landes brachte das unter anderem Reformen der Verwaltung, Justiz, Wirtschaft und Landwirtschaft mit sich. So wurden zum Beispiel die Vogteien und Ämter zugunsten der Mairien (Bürgermeistereien) abgeschafft, ebenso wie Standesunterschiede und Leibeigenschaften. Aber die Bürger mussten auch Soldaten für das gemeinsame Heer unter Führung Napoleons stellen, die seine Feldzüge bis nach Russland begleiten mussten.
Seit 1806 gab es Planungen für und beginnende Arbeiten an einem neuen Straßennetz. Ein wichtiges Straßenbauprojekt Elberfelds war zum Beispiel der Bau der Straße zwischen Kohlfurth und Cronenberg sowie der Ausbau der Straße, die von Köln über Solingen nach Elberfeld führte.
Die neue Straße zwischen Elberfeld und Rittershausen wurde von der General-Straßenbau-Direktion geplant und sollte im Gegensatz zur schon vorhandenen, unbefes-tigten Landstraße entlang der Wupper gradliniger verlaufen. Zudem sollte die Straße gepflastert, verbreitert und mit Bäumen im Sinne einer französischen Chaussee oder auch Kunststraße bepflanzt werden.
Zusätzliche Mittel zur Realisierung kamen schon damals von den Bürgern, die nach dem Aufruf des Bürgermeisters (Maire) Johann Wilhelm Wilkhaus 1811 ins Portemonnaie greifen sollten. Gebaut wurde zwischen 1811 und 1813, wobei zum Teil Häuser abgerissen werden mussten. Doch es entstanden auch neue, prächtige Gebäude wie etwa die Häuser am Haspel (1825).
Schon zuvor hatten sich Fabrikanten gerne in der Straße angesiedelt, hinzu kamen Färbereien, Textil- und Maschinenfabriken, Banken, Kirchen, Hotels, Gesellschaftshäuser und das Stadttheater Barmen (das heutige Opernhaus).

Von der Pracht- zur Aufmarschstraße?

Im Januar 1933 wurde die Straße, die bis dahin schlicht Allee(straße) hieß, in Adolf-Hitler-Straße umbenannt – und sollte zu einer breiten Aufmarschstraße ausgebaut werden, die am Haspel in den Adolf-Hitler-Platz mit einem sogenannten Gauforum münden sollte, das als neues Zentrum der Stadt genau auf der Schnittstelle zwischen Barmen und Elberfeld entstehen sollte. Gauforen sollten im Dritten Reich die Zentren der Macht symbolisieren, meist in Form eines Verwaltungsgebäudes am karreeförmigen Aufmarschplatz.
Im September 1939 wurde als erste Maßnahme in Wuppertal das Polizeipräsidium fertiggestellt, das am 1. September (dem Tag des Überfalls auf Polen und damit dem Beginn des Zweiten Weltkriegs) von der Geheimen Staatspolizei („Gestapo“) bezogen wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ man die Ausbaupläne fallen und benannte die Straße in Friedrich-Engels-Allee um.
Bis 1987 fuhr dort die Straßenbahn, deren Trasse heute zum Teil als Grünstreifen noch erkennbar ist. Begonnen hatte der Bau für die erste Pferde-Straßenbahn beziehungsweise Pferdeschienenbahn von Elberfeld nach Rittershausen über die Alleestraße 1873, fertiggestellt wurde die Strecke im Oktober 1874. 1896 wurde der elektrische Betrieb der Straßenbahn aufgenommen.
Im Zweiten Weltkrieg fiel auch die Allee den Bombenangriffen zum Opfer. Über zwei Jahrzehnte prägten Baracken und triste Brachflächen die Straße. Der Wiederaufbau wurde abermals zum Ausbau genutzt: So wurde in weiten Teilen der Straßenbahn ein eigener Bereich in der Mitte der Straße zugestanden. Das konnte allerdings nicht die Abschaffung der Straßenbahn verhindern.
Aufgewertet wurde die Allee in letzter Zeit vor allem durch die Sanierung des Opernhauses und die Skulptur von Tony Cragg direkt davor. Die Öffnung zur Wupper ist bis heute nur in wenigen Fällen gelungen, etwa in der Warndtstraße.

Das Fest

Begangen wird der Geburtstag im Rahmen des Wuppertaler Geschichtsfestes und des Tages des offenen Denkmals am 8. und 9. September. Das Fest beginnt am 8. September um 14 Uhr mit dem Theaterfest im Engelsgarten und im Opernhaus. Am Abend geht es auf dem westlichen Abschnitt der historischen Allee zwischen Plüschowstraße und dem Loher Kreuz mit einem Anwohner- und Stadtfest ganz ohne Fahrzeuge weiter (von 19 Uhr bis Mitternacht). Dort sollen markante Gebäude beleuchtet werden und Friedrich Engels und Napoleon werden höchstpersönlich anwesend sein, um mit den Flanierenden über die Straße und ihren Wandel im Laufe der 200 Jahre zu diskutieren. Ein Nachtwächter wird zudem durch Häuser und Innenhöfe führen.
Parallel dazu wird im Museum für Frühindustrialisierung sowie im Engels-Haus eine Ausstellung zur Allee eröffnet (18 Uhr), die zudem ganz im Zeichen der Nacht der Museen und Galerien steht. „Von der Westfälischen Straße zur Friedrich-Engels-Allee“ lautet der Titel der Ausstellung, die inhaltlich die Napoleonischen Kriege, die Industrialisierung und Entwicklung des Verkehrswesens, Theater und Gesellschaftshäuser, Bombenkrieg und Besatzungsmacht aufgreift. Sie wird bis zum 21. Oktober zu sehen sein.
Am 9. September wird um 11 Uhr das Geschichtsfest und der Tag des offenen Denkmals mit einer Auftaktveranstaltung im Engels-Haus eröffnet. Bis in die Abendstunden werden Stände und Präsentationen von Geschichtsvereinen ein buntes Bild der Stadtgeschichte, insbesondere aber der Allee abgeben. Dazu gehören zum Beispiel ein Modell der Allee und historische Fotografien. Daneben wird es Vorträge, Lesungen, Rundfahrten mit historischen Fahrzeugen und Musik geben. Zudem soll das eine oder andere Haus geöffnet werden, sodass man auch einen Blick hinter die (zumeist historischen) Fassaden werfen kann. Ganz sicher geöffnet ist das Polizeipräsidium: Zum 200. Geburtstag der Allee findet dort ein Tag der offenen Tür mit Polizeifest statt.
Erinnert wird zudem an das Treffen zwischen dem damaligen DDR-Staatsratsvorsitzenden Erich Honecker mit dem Rocksänger Udo Lindenberg. Auf den Tag genau vor 25 Jahren trafen sie sich am 9. September 1987 (um 14.12 Uhr!) als Reaktion auf Lindenbergs „Sonderzug nach Pankow“ (lesen Sie dazu auch Seite 11).
Organisiert wird das Fest vom Unterbarmer Bürgerverein, dem Historischen Zentrum Wuppertal, dem Bergischen Geschichtsverein, Abteilung Wuppertal, der Unteren Denkmalbehörde Wuppertal und weiteren Geschichtsvereinen.

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