„Das hat schon verbrannte Erde hinterlassen“

Dass die Herstellung und der Vertrieb von Büchern ein hoch emotionales Thema ist, zeigte der erste Indiebookday bei Köndgen. Drei Verleger und Geschäftsführer Thomas Helbig diskutierten über unabhängige Verlage, Buchhandlungen und große Konzerne. Moderation Ruth Eising

Von links nach rechts: Christopher Schroer, Monika Bilstein, Stephan Weidle, Ruth Eising

Etwas ungewöhnlich für eine Buchhandlung – es gibt eine deftige Suppe umsonst, allerdings selbstverständlich mit Buchstabennudeln. Auf den Tischen bei Köndgen liegen zahlreiche Bücher, die mit dem Logo des ersten Indiebookday gekennzeichnet sind. Titel wie „Überall ist leicht zu verpassen“, oder „Psst – Geschichte einer Kindheit“ erscheinen in keiner Bestsellerliste und sind auf keinem Präsentationstisch der großen Buchhandelskonzerne zu finden. Sie alle zeichnen sich durch besonders sorgfältiges Handwerk und gutes Design aus, das eine oder andere buchstäblich, denn es trägt die goldene Plakette der Stiftung Buchkunst auf der zu lesen ist: „eines der schönsten Bücher Deutschlands“. Solche Druckwerke liegen angenehm in der Hand, sie sind leicht zu blättern, sie riechen gut und sie sind eine Augenweide, die es dem Leser einfach machen, den Text zu erfassen, weil sie sorgfältig gesetzt und lektoriert sind.

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Neuerscheinung Peter Hammer Verlag, nominiert zum deutschen Jugendbuchpreis

Das ist die Welt der unabhängigen Verleger, solche wie Stefan Weidle vom Weidle Verlag / Bonn, Monika Bilstein vom Peter Hammer Verlag/Wuppertal und Christopher Schroer vom Schroer Verlag / Lindlar. Sie sind Menschen die noch auf der Suche nach dem richtigen Leim sind, die sich Gedanken machen über Papier, Fadenheftung und den gut gestalteten Einband. Sie wollen mit jedem Buch meisterhaftes Handwerk vorlegen, das Ewigkeiten überdauern kann. Trotz des schon seit je her anstrengenden Lebens zwischen der Euphorie, die Buchwelt um ein weiteres Kunstwerk bereichert zu haben und der finanziellen Pleite, ist die deutsche Verlagsszene vielfältig. Dennoch könnte sie in der nächsten Zeit zu einer bedrohten Art werden. Weidle, Bilstein und Schroer haben eine Mission. Sie wollen den drohenden Kahlschlag, ausgelöst durch Internethändler wie Amazon, duch E-books und durch Buchhandelsketten verhindern.

Weidles Bücher haben schon mehrfach die Auszeichnung der Stiftung Buchkunst „schönstes Buch Deutschlands“ erhalten. Der Peter Hammer Verlag ist mit seinem Jugendbuch „Als der Tod zu uns kam“ mit dem deutschen Jugendbuchpreis ausgezeichnet worden und aktuell mit der Neuerscheinung „Der Pirat und der Apotheker“ von Robert Stevenson wieder dafür nominiert. Christopher Schroer erst seit 2009 Verleger hat ein breites Medienecho ausgelöst, weil er als einer der ersten – als Folge aus dem Leiharbeiter Skandal – in einem offenen Brief an Jeff Bezos die Zusammenarbeit mit Amazon aufgekündigt hat. Er schildert, dass die verantwortungslose Unternehmensunkultur nicht bei den Mitarbeitern aufhört, sondern sich in der Zusammenarbeit mit den Lieferanten fortsetzt. Interfaces ersetzen die Kommunikation mit Menschen, die Rabattforderungen von 55% sind im Rahmen der Buchpreisbindung, die einem Verlag nur 50% erlauben, verboten und nur mit Tricks zu umgehen. So war bei ihm die Leidensgrenze überschritten, nachdem die Medien die Missstände bei der Leiharbeit im Amazonlager aufgedeckt haben. Auf die Frage Weidles ob er denn 2009 keine Angst gehabt habe unter diesen Bedingungen einen neuen Verlag zu gründen, antwortet Schroer lakonisch – nein, denn die Herstellung von Büchern sei immer genau das gewesen, was er machen wollte.

Mitte: Thomas Helbig

Verlage werden von Banken als Risikobranche eingestuft und erhalten wenn überhaupt, nur mit viel Überzeugungsarbeit Unterstützung. Für Weidle gehören Mut dazu und nach Möglichkeit „ein großes Erbe“ im Rücken, um einen unabhängigen Verlag erfolgreich führen zu können. Sarkastisch meint er, „den Pleitegeiern schmecken kleine Verlage nämlich besonders gut. Aber auch ich bin immer wieder bereit, mich als Opfer darzubringen.“ “ Ich weiss schon garnicht mehr wie das ist,“ fast ein bisschen schuldbewußt schildert Monika Bilstein die gesunde Lage des Peter Hammer Verlags, der schon seit Jahren keine Hilfe der Banken mehr benötigt. Dennoch weiss sie um die prekäre Lage vieler Kollegen und setzt sich mit Weidle im Vorstand der „Kurt Wolff Stiftung“ für ein Fördersystem ein. „In Frankreich“ betont sie, „gibt es das schon lange. Buchhändlern wird sogar die Gewerbesteuer erlassen. Hier ist das undenkbar.“ Und mit Blick auf die Multis der Branche meint sie, dass es ohne Buchpreisbindung auf keinen Fall gehe. „Würde die fallen, können wir alle zu machen.“

Auf die Frage ob denn E-Books den Händlern ausreichende Gewinnmargen erlauben, antwortet Buchhändler Thomas Helbig, dass mit entsprechenden Geräten und den Downloads durchaus Geld zu verdienen sei. „Man darf sich nicht in das geschlossene System von Amazon begeben! Der Kindle erlaubt nur den Download bei Amazon.“ Er führt aus, dass neben den E-Books die auf seiner Webseite herunterzuladen sind, auch aus einem Bestand von 7. Mio. Titeln ausgesucht und bestellt werden kann. Die Versendung erfolgt kostenfrei und am nächsten Tag. Die Abwicklung ist dazu ökologischer als die von Amazon. Denn Helbig kann auf die seit Jahren erprobte und ausgereifte Logistik des deutschen Buchhandels zurückgreifen : „Wer braucht da noch Amazon!“

„Ob er denn, nachdem Thalia nun in Elberfeld geschlossen habe, wieder daran denke zurück zu kommen,“ möchte ein Zuhörer wissen. Thomas Helbig macht eine lange Pause. Mit erstickter Stimme sagt er dann: “ Da ist schon verbrannte Erde hinterlassen worden. Ich kann immer noch nicht richtig darüber reden. Wenn man erst einmal vertrieben worden ist, ist es nicht einfach zurück zu kommen.“ Und nachdem er sich wieder gefangen hat meint er, dass er mit der geplanten Erweiterung des ECE und der Vergrößerung der Handelsfläche um mindestens 100.000 qm keine Chance sehe: „Man muss sich immer überlegen was für eine Innenstadt man haben will!“ Er frage sich, wer das alles kaufen soll und verweist auf Remscheid, dessen Innenstadt gerade verödet, weil dort ein übergroßes Handelszentrum gebaut worden ist. Betroffen und gerührt erhält Thomas Helbig heftigen Beifall.

Amazon und große Ketten können genau das nicht – sie können keine Nähe und keine Identifikation erzeugen. Das vermag nur der Händler vor Ort, der mit seinem Unternehmen verwurzelt ist und für den seine Arbeit sein Leben ist. Sie sind ein wichtiger Garant für Heimat und Lebensqualität, auf die keine Stadt verzichten kann.

www.koendgen.de

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Fotos: Wilma Schrader

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