Wuppertals Polizei will „hellwach gegen Rechtsextremismus“ sein

Die Polizei reagiert mit einem Maßnahmenpaket aus Strafverfolgung, Vorbeugung und einer verbesserten polizeiinternen Information auf den wachsenden Rechtsextremismus in Wuppertal. Alleine könne die Polizei gefährliche gesellschaftliche Entwicklungen aber nicht erfolgreich bekämpfen, sagte Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher.

Birgitta Radermacher möchte keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass sie und ihre Behörde energisch gegen rechte Gewalt vorgehen. Die Polizei verstärkt ihre Aktivitäten gegen die Neonazi-Szene, die sich vor allem in Vohwinkel gebildet hat. Gemeinsam mit Claudia Greve (Leiterin Staatsschutz) und Georg Schulz (Leiter Direktion Gefahrenabwehr) stellte sie am Mittwoch die neue Strategie „Hellwach gegen Rechtsextremismus“ vor.

Die Wuppertaler Nazi-Szene besteht aus 35 Personen

Mit Besorgnis registriert Radermacher zunehmende Übergriffe auf Minderheiten und Ausländer und den Zuzug von Nazis aus anderen Städten. Diese seien häufig älter als die recht jungen Wuppertaler Rechtsextremisten. Ob die Älteren den Nachwuchs anleiten, sei nicht bekannt. Die Bildung festgefügter Organisationsstrukturen der Szene, die etwa 35 Personen umfasse, müsse auf jeden Fall verhindert werden.

Mit einem Maßnahmenpaket wollen Birgitta Radermacher und Georg Schulz gegen rechte Gewalt vorgehen.

Die neue Strategie der Polizei basiert auf den Säulen Strafverfolgung, Vorbeugung und polizeiinterne Information.

Säule 1: Strafverfolgung

Birgitta Radermacher erläuterte, dass die „Sonderkommission Rechts“ personell verstärkt worden sei. Dazu seien Mitarbeiter aus anderen Bereichen abgezogen worden. Jedem Verdacht werde konsequent nachgegangen. Insbesondere werde genau geprüft, ob es bei einer Straftat – etwa einer Schlägerei zwischen Deutschen und Migranten – einen rassistischen Hintergrund gibt.

Radermacher setzt auch auf sichtbare und verdeckte Präsenz der Polizei: „Wir erhöhen systematisch den Druck und bringen mehr Polizisten auf die Straße, auch in Vohwinkel.“ Dabei handele es sich zum Teil auch um nicht uniformierte Beamte.

Säule 2: Vorbeugung

Der Polizeipräsidentin ist beunruhigt, weil Neonazis ganz gezielt junge Menschen anwerben: „Die Szene wird immer jünger. Zwölfjährige Kinder werden schon rekrutiert. Das macht mir große Sorgen und wir müssen verhindern, dass diese Kinder in den Extremismus abgleiten. Wir melden potentiell Gefährdete an die Stadt.“ Die Polizei gehe in die Schulen, um dort das Gespräch mit Jugendlichen zu suchen.

Zusammen mit der Stadt soll Aussteigern die Abkehr von der rechten Szene erleichtert werden.

Großes Medieninteresse: Pressekonferenz der Wuppertaler Polizei.

Säule 3: Polizeiinterne Information

Alle 1700 Polizeimitarbeiter werden laufend über die rechte Szene informiert. Insbesondere werden Polizisten darin geschult, strafrechtlich relevante Parolen von diskriminierenden aber rechtlich unangreifbaren Aussagen zu unterscheiden. Radermacher: „Nicht jede radikale und rassistische Äußerung erfüllt den Tatbestand der Volksverhetzung oder ist der Aufruf zu einer Straftat. Die Neonazis werden von Anwälten geschult und wählen ihre Worte genau aus.“

Auch wenn Radermacher im Verlauf der Pressekonferenz viermal betonte, dass das Maßnahmenpaket bereits vor den aktuellen Vorfällen in Vohwinkel konzipiert worden sei, haben diese durchaus dazu geführt, zusätzliche Ressourcen freizumachen. Die Polizeipräsidentin weiß, dass das Vertrauen der Bevölkerung in ihre Polizei Schaden genommen hat, weil der Vohwinkler Dienststellenleiter die Probleme lange geleugnet hatte. Dass dies bei der Versetzung des umstrittenen Beamten in den Innendienst eine Rolle gespielt hat, räumt Radermacher freimütig ein.

Birgitta Radermacher will das Vertrauen der Bürger in die Polizei wieder herstellen.

Rechtsextremismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem

Die Strategie „Hellwach gegen Rechtsextremismus“ ist zeitlich nicht befristet. Sie wird so lange laufen, wie es Probleme mit rechten Straftätern gibt. Radermacher, Greve und Schulz legen Wert auf die Feststellung, dass die Polizei weder für die Entstehung rechtsextremer Gruppen verantwortlich sei noch alleine gegen diese Entwicklungen vorgehen könne. Es handele sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das von Stadt, Schulen, Polizei und anderen Einrichtungen gemeinsam bekämpft werden müsse.

Georg Schulz: „Wir können nicht alleine in Kindergärten und Schulen hineinwirken. Deswegen ist die  Zusammenarbeit mit städtischen Dienststellen notwendig. Auch die Stadt wird ihre vorbeugenden Aktivitäten in Vohwinkel verstärken.“

Claudia Greve: „Die Neonazis sind uns bekannt.“

Die Neonazis sind der Polizei bekannt

Claudia Greve erläuterte, dass der Staatsschutz über detaillierte Kenntnisse der Szene verfügt: „Die in Wuppertal lebenden Neonazis sind uns bekannt. Oft reichen schon vage Personenbeschreibungen, um die Polizei zu gesuchten Tätern zu führen.“ Auf diese Weise sei es bereits gelungen, die Personen, die unlängst Plakate gegen rechte Gewalt in Vohwinkel abgerissen hatten, zu identifizieren.

Problematische Zeugenvernehmung nach Cinemaxx-Überfall

Die Wuppertaler Polizei räumt ein, dass die Vernehmung von Zeugen des Nazi-Überfalls auf eine Filmvorführung im Cinemaxx im November 2010 problematisch gewesen sei. Mehrere Teilnehmer der Veranstaltung hatten sich von der Polizei eingeschüchtert gefühlt und gaben gegenüber dem Medienprojekt an, dass die Polizei sie nicht ernst genommen habe.

„Es hat ein Missverständnis gegeben, weil wir zugegeben bohrende Nachfragen gestellt haben. Dies dient aber dazu zu verhindern, dass ein Zeuge vor Gericht ‚auseinandergenommen’ wird“, erklärte Claudia Greve.

Georg Schulz erläuterte das Dilemma der Polizei: „Es ist nicht professionell, wenn die Zeugen sich eingeschüchtert fühlen. Es ist aber auch nicht professionell, wenn von der Polizei nicht nachgefragt wird.“

Gegen die heftigen Vorwürfe des Medienprojekts, das mit einem Kamerateam an der Pressekonferenz teilnahm, setzte sich Birgitta Radermacher zur Wehr: „Es sind Fehler gemacht worden. Aber ihre Darstellung erscheint mindestens ebenso einseitig wie ihnen unsere erscheinen mag. Genaues Nachfragen dient der Sachverhaltsfeststellung, nicht der Einschüchterung.“

„Meine Kollegen sind verärgert“

Georg Schulz plädierte energisch dafür, der Polizei zugute zu halten, dass sie mit hoher Motivation gegen Rechtsextremismus vorgehe: „Meine Kollegen sind wirklich verärgert, wenn berichtet wird, sie würden nachlässig gegen die rechte Szene ermitteln. Für alle Kollegen, die ich kenne, kann ich das zurückweisen.“

Schulz wehrte sich auch gegen einseitige Schuldzuweisungen: „Wir lassen uns nicht in Haft nehmen für gesellschaftliche Entwicklungen.“

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Fotos: Georg Sander

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