12.09.2025

Was ihr getan habt meinen geringsten Brüdern

Von der Zivilgesellschaft zur Volksgemeinschaft: Zwei Gedanken zur Kommunalwahl in Wuppertal

Es ist ein kühler und windiger Morgen vor der Ausländerbehörde in Wuppertal. Die Taxifahrerin mit türkischem Pass tritt von einem Bein aufs andere und fröstelt, der neben ihr stehende Sohn erträgt die Kälte geduldig und ohne Regung. Zwar sind die vier Sitzplätze im geschützten Vorraum des Gebäudes frei, jedoch wird von den Wartenden erwartet, dass sie Kälte, Wind, Regen oder Schnee bei ihrem oft stundenlangen Warten ertragen – denn sie haben keinen deutschen Pass.
Nicht viel besser ergeht es an diesem Morgen drei Ukrainerinnen. Ihr Anwalt hat über das Verwaltungsgericht Düsseldorf einen Termin erhalten; auch ihnen droht der Verlust ihrer Arbeitsplätze, wenn ihre Aufenthaltsgenehmigung nicht rechtzeitig verlängert wird. Entsprechend gedrückt und ängstlich wirken ihre Mienen an diesem Morgen. Die Angstmaschine der Ausländerbehörde hat bei diesen drei Frauen ganze Arbeit geleistet.

So geht es zu in Wuppertal – seit Jahren, unter den Augen der Wuppertaler Bürgerinnen und Bürger und mehr noch unter den Augen und Ohren der Kommunalpolitiker im Stadtparlament, die hier zuständig sind. Nicht nur wird den Betroffenen ein Warteraum verweigert, dazu kommt die völlige Überlastung der Behörde: Termine werden nicht vergeben, E-Mails nicht beantwortet, die Wartezeit auf eine Einbürgerung beträgt derzeit mehrere Jahre.
Wie die Taxifahrerin an diesem Morgen wird man im Unklaren darüber gelassen, welche Unterlagen vorliegen, welche noch vorzulegen sind und welche schlicht überflüssig sind. Für die Betroffenen bedeutet das oft genug existentielle Ängste und schlaflose Nächte: Behalte ich meine Arbeit? Darf ich weiterhin in dieser Stadt leben? Werde ich abgeschoben, auch weil ich meine Arbeit verliere?

All diese Fragen und Ängste lassen Wuppertal, seine Bürger und Kommunalpolitiker seit Jahren so kalt wie an dieser Morgen vor der Ausländerbehörde die Wartenden. Und natürlich hat die Stadt selbst ein gänzlich anderes Bild von sich: Weltoffen will Wuppertal sein, sozial, kultiviert und vielfältig; die entsprechenden Floskeln finden sich auf den Wahlplakaten zur Kommunalwahl. Hier lächeln die Kommunalpolitiker auf den Plakaten versonnen und beschwören die Gemeinschaft, das Soziale, eine Stadt für alle – und was dergleichen mehr von den dafür bezahlten Agenturen ausgeklügelt wurde.
Die SPD will ein Team sein, der Bürger ist ein Du oder ein Wir und überhaupt, und einerlei, ob Rauschebart oder Blondsträhne – die Kommunalpolitiker wollen einfach nur eines sein: Wuppertal und ein großes Wir und selbstverständlich für alle.

Ob diese Politiker allerdings wirklich eine Stadt für alle wollen, ist angesichts der seit Jahren herrschenden Zustände an der Ausländerbehörde fraglich. Denn hätten die Parteien das Allgemeinwohl für alle im Blick, so wäre dies einfach daran zu erkennen, was sie für Menschen tun, die diese Politiker nicht wählen dürfen. Denn daran zeigt sich, ob eine Partei lediglich ihre Klientel bedient oder darüber hinaus den Anspruch hat, eine menschenfreundliche Politik für alle zu machen – unabhängig von Staatsangehörigkeit und Wahlrecht.
Dass dies in Wuppertal nicht der Fall ist, zeigen die letzten Jahre: ein Stadtparlament mit einem grünen Oberbürgermeister, das es nicht einmal schafft, menschenwürdige Warteräume für Menschen ohne deutschen Pass zu ermöglichen. Dazu eine Opposition, die in diesem Punkt wegschaut und im besten Fall mit dem Finger auf andere Parteien zeigt; eine Partei wie Die Linke, die ihren Anspruch auf universelle Menschenrechte verrät, indem sie eine Fraktionsgemeinschaft mit den Wagenknecht-Freunden bildet.

Damit ist alles gesagt. Bei den Kommunalwahlen am Sonntag wählt man besser eine demokratische Partei, die noch nicht im Stadtparlament vertreten ist. Denn: Es kann in dieser Hinsicht nur besser werden.
Die letzten Jahre haben bewiesen, wie die Kommunalpolitik in Wuppertal gegebenenfalls mit Menschen umgeht, die keine deutsche Staatsangehörigkeit haben; ihre Angst und ihre Existenznot werden dadurch gesteigert, dass man ihre Körper stundenlang dem Wind, dem Regen und Schnee, der Kälte und Hitze aussetzt und ihnen den einfachen Schutz davor verweigert.

Und auch viele Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt haben in dieser Hinsicht seit Jahren angestrengt zur Seite gestarrt. Sie können aber am Sonntag mit ihrer Wahl zeigen, dass sie in diesem Punkt eine Bürgergesellschaft sein wollen und nicht schon Teil einer unempfindlichen Volksgemeinschaft von morgen. Von einer tauben Zivilgesellschaft nämlich zu einer hörigen Volksgemeinschaft ist es nur ein kleiner Schritt.

 

Angstmaschine Nr. 28Angstmaschine Nr. 28 an der Friedrich-Engels-Allee ©Migra

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