Dicker Talsalat

Oder: Wo sind die Drucksachen zu den Ausschußsitzungen?

Unter Komikern kursierte vor rund 50 Jahren folgender Witz: Kommt ein Mann ein Uhrengeschäft und verlangt nach einer dünnen Berguhr. Der Uhrenverkäufer kennt keine dünnen Berguhren und fragt den Kunden, was das sein soll. Der antwortet: „Mein Freund hat eine Dicke Taluhr, die geht immer nach.“

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Die handschriftlichen Protokolle der Ratssitzungen vor 100 Jahren geben – sofern man der deutschen Kurrentschrift mächtig ist – detailliert Auskunft über die damaligen Diskussionen und Beschlüsse. Diese wurden unveränderlich auf Papier gebracht.

Vor 25 Jahren hatte noch jedes Ratsmitglied im Rathaus sein Schließfach und holte dort den Packen an Drucksachen eine Woche vor der Sitzung ab. Auch hier fiel auf, wenn etwas fehlte.

Auszug aus dem Ratsinformationssystem, Sitzung des Hauptausschusses (25.04.24), TOP 6.4. Die Vorlage fehlt und damit die Informations- und Diskussionsgrundlage.

404 Nix gefunden: Die Vorlage zur Änderung der Hauptsache fehlt. sechs Tage vor der Sitzung.

Mit Einführung des dicke Tal-Ratsinformationssystem (RIS) haben wir uns den Salat im Tal selbst eingebrockt. Da werden noch Stunden vor einer Sitzung Drucksachen eingestellt, hinterher ist diese Aktion nicht nachvollziehbar. Aktuell (19. April 24) fehlt nämlich jede Information zu TOP 6.4 (Änderung der Hauptsatzung) zur Sitzung des Hauptausschusses am 25. April.

Regelmäßig kritisieren Mitglieder von Ausschüssen und Bezirksvertretungen diese unzulässige Verwaltungspraxis. Nicht nur weil dies gegen die Vorgabe verstößt, daß Drucksachen grundsätzlich eine Woche vor Sitzung im RIS vorliegen müssen. Vielmehr ist für niemanden nie nicht nachvollziehbar, ob Dokumente im RIS zwischen Datum A und B oder nach Beschluß geändert wurden und – im Ernstfall – welches Dokument oder Version davon beschlossen wurde.

Dieses Manko ist ein sehr bedeutsames, geben die digitalen Sitzungsprotokolle weder die Diskussion zu den Tagesordnungspunkten oder mündlichen Stellungnahmen wieder (siehe unten), sondern nehmen lediglich zu Beschlüssen Bezug auf die Vorlage: „Einstimmig beschlossen nach Vorlage“. Sollten die nachfolgenden Generationen auf unsere archaischen Magnetplatten zugreifen können, stellt sich die Frage: Ist diese „Vorlage“ die Datei über die Bundesallee, oder das Kochrezept über den Bundesadler?

Wikipedia macht es vor, wie eine Lösung aus Benutzerperspektive aussehen kann. Dort ist jede Version eines Beitrags einsehbar und dessen Veränderungen können von jedermann verglichen werden. Im Hintergrund werkelt eine Datenbank, die jede Dokumentenversion speichert und daraus eine fortlaufende Prüfsumme errechnet und mitspeichert. Änderungen an einem Dokument fallen auf, da die Prüfsumme dann weder zum Dokument paßt, oder eine – für das konkrete Dokument – geänderte Prüfsumme nicht zur Prüfsumme zum vorherigen und nachfolgenden Dokument.

Das Wuppertaler Ratsinformationssystem braucht weder Blockchain noch KI. Aber die aktuelle Version erfüllt offenbar nicht einmal die grundlegenden Voraussetzungen für ein vertrauenswürdiges und nachvollziehbares Dokumentenarchiv. Daran sollten die neuen Dezernenten etwas ändern.

Bild

Auszug aus dem „Protokoll“ der Sitzung des Hauptausschusses (22.02.24). Der Petent hat was gesagt – was, das ist nicht protokolliert –, und die Mitglieder haben eine Vorlage – dessen Inhalt offenbar im Nachhinein geändert werden kann – beschlossen.

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Kommentare

  1. N. Bernhardt sagt:

    Ironischerweise können wir bei solchen „Protokollen“ den Schriftführer auch einsparen, denn der Vorsitzende braucht nur noch anzuklicken wer anwesend ist und ob eine Vorlage beschlossen wurde oder nicht. Das schafft der auch alleine.

    Leider findet die Aufsichtsbehörde diese nicht auskunftsfreudige Art der Protokollierung OK und will deshalb nicht regelnd eingreifen. Ich bin mir nicht sicher, ob dort die Tragweite dieser Entscheidung bewußt wird. Es geht ja nicht um die Protokollierung des gesprochenen Worts, aber zumindest sinngemäß müssen Äußerungen zwecks späterer Nachvollziehbarkeit protokolliert werden.

  2. Sebastian Schröder sagt:

    Bei jeder Sitzung der Bezirksvertretung #elberfeldwest bringe ich Punkte in die Diskussion – bei der letzten Sitzung wurde etwa mehrere Male über die #BUGA2031 in #Wuppertal und im Bezirk gesprochen – das erscheint alles nicht im Protokoll…

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