Denkbefreit, nicht barrierefrei

Warum in Wuppertal noch über gleichberechtigte Teilnahme am Verkehr gequatscht, aber wenig dafür getan wird

Praxis: Amtliche Anordnung einer behindertenfreien Zone.

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Während der Kirmes am Neumarkt ist der Markt auf den Willy-Brandt-Platz umgezogen. Wieder einmal behindern nicht barrierefreie Kabelkanäle quer über ganze Straße beide Durchgänge. Wieder einmal bestimmt Denkbefreit und Physik, wer den Platz nutzen und queren darf. Wer nicht drüberfahren kann, hat eben Pech gehabt. Und dann wundern wir uns über die rückständige Umsetzung von Grundgesetz (von 1949), der UN-Behindertenrechtskonvention (von 2006), Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) des Bundes (von 2002) und des Landes NRW (von 2003). [1]

Ob die Dinge so wie aufgebaut auch behördlich angeordnet wurden, spielt in der Praxis aufgrund der fehlenden behördlichen Kontrollen gar keine Rolle mehr.

Dabei ist die Lösung ganz einfach: Wer einmal im Internet nach „barrierefreie Kabelbrücken“ sucht, wird bei dutzenden Anbietern und Quellen fündig. [2] [3] Diese sind nicht nur rollstuhlgerecht, sondern weisen auch den vorgeschriebenen Farbkontrast auf – ganz im Gegensatz zu unseren vergilbten Goldbänken, die sich Wuppertal anstelle zig öffentlicher Toiletten leistet – vgl. Foto unten.

Von –teurer– unterirdischer Verlegung von Kabeln spricht hingegen nur das Amt 104. [4] Umgekehrt könnte man daraus schließen, daß es nicht barrierefreie Kabelbrücken als Rollstuhlsperren amtlich anordnet. „Mia san mia“ sagen die Bayern. – Wuppertal im Bergisch Sizilien hat da offenbar sein eigenes Landrecht.

Zwar hat das Amt 104 am Neumarkt (Elberfeld) eine über 5.000 Euro teure Querung durchgeboxt [5], die aktuell am Bauzaun endet und daher gar nicht nutzbar ist. Andererseits verweigert das Amt sämtlichen Verkehrsteilnehmern, die weiter südlich den Wall queren, einen sicheren Übergang [6] [7]. Zusätzlich wird noch ein Radfahrstreifen angeordnet, wo früher einmal Gehweg und Bäume standen und diese Fußgänger schützten. [8] – Das Ergebnis: Aktuell kommen sich möglichst viele Verkehrsteilnehmer in die Quere; aufgepinselte Radfahrstreifen sind eine amtliche Einladung zum Überfahren und Parken und gefährden Fußgänger gleich aus beiden Fahrtrichtungen.

Die Neumarkt-Querung wurde weder barrierefrei ausgeführt [9], noch enthält sie einen „Nullerbord“, so daß – wie alle weiteren Querungen am Wall – Rollstuhlfahrer und Menschen mit Rollator mitten auf der Busspur oder dem Radfahrstreifen stehenbleiben müssen, um dann mit Schwung den Bordstein hochzubrettern oder ihre Gehhilfe über die Bordsteinkante zu hieven. Ferner wurde die Neumarkt-Querung bereits weiter südlich wegen des Baustellenparkplatzes außerhalb der ursprünglichen Fußgängerströme gebaut, der Parkplatz dann aber erneut erweitert, so daß die Querung am Bauzaun endet.

Das ist Landrecht in Vollendung. Den Menschen dient es nicht – schon gar nicht denjenigen, die mit den notwendigen Hilfsmitteln gleichberechtigt am Verkehr teilnehmen möchten.

Vergilbte Sitzgelegenheiten und Pflaster verschmelzen zu einem einzigen Grau – ideal für Menschen mit Sehbehinderungen, da drüberzufallen.

Quellen und Verweise

[1] Landrecht bricht Bundesrecht, Teil 3: möglichst viele Barrieren.

Landrecht bricht Bundesrecht, Teil III

[2] Einsatz von Kabelbrücken bzw. Schlauchbrücken, rsa-online.com;
https://www.rsa-online.com/19/Kabelbruecken/Kabelbruecken.htm

[3] DIN 18040-1 für Praktiker – Leitfaden,
https://h-da.de/fileadmin/h_da/Hochschule/SBV/Leitfaden_V5_aktuell_web.pdf

[4] Barrierefreier Platz am Kolk, VO/0342/24;
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=31522

[5] Barrierefreie Querung Wall/Neumarkt, VO/0578/21,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=25283

[6] Vorgezogene barrierefreie Aufpflasterung am an den Fußgänger-Querungen am Wall, VO/0966/21,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=25715

[7] Sofortige Verbesserung der Sicherheit des Fußverkehrs am Wall, VO/0357/22,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=27075

[8] Vergleiche „Historische Orthofotos“ (vor 2010), in: TIM Online; und „Wall“, in Wiki Commons: Fußgänger hatten eingebettet zwischen Betonbeeten mit Bäumen maximal eine Fahrspur plus Busspur zu queren.
https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/
https://commons.wikimedia.org/wiki/Category:Haus_Fahrenkamp

[9] Echter barrierefreier Übergang Wall/Neumarkt, VO/1055/22,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=27841

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