Auge um Auge – Zahn um Zahn. Ein missverstandener Bibelvers

Ein neues Buch aus der Begegnungsstätte Alte Synagoge

Wohl kaum ein Satz der Bibel wird so häufig in eine antijüdische Stoßrichtung gedreht wie der Satz „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. In den Medien wird er als Parole von Rache und Vergeltung im politischen Streit und in militärischen Auseinandersetzungen nach wie vor gern benutzt – vorzugswiese, wenn es um den Nah-Ost-Konflikt geht. Wie alt und dauerhaft die christliche Vorstellung des alttestamentlichen Rachegottes mittlerweile ist (dem ein liebender des Neuen Testaments gegenübergestellt wird), bezeugt die kluge Aufklärungsschrift des Elberfelder Rabbiners Dr. Joseph Norden.

Norden war von 1907 bis 1935 Rabbiner an der Elberfelder Synagoge. Geboren am 17. Juni 1870 in Hamburg, erhielt er seine erste religiöse Ausbildung auf der Talmud-Tora-Schule, die er neben dem regulären Schulunterricht im Johanneum, einem humanistischen Gymnasium, besuchte. Er machte als Klassenbester das Abitur und studierte anschließend an der Friedrich-Wilhelm-Universität und am orthodoxen Rabbinerseminar in Berlin.

Joseph Norden ©BAS

Norden gehörte trotz seiner orthodoxen Herkunft zu den Begründern des liberalen Judentums in Deutschland, in England und in den Niederlanden. Zahlreiche Zeitungsbeiträge und längere Aufsätze zeugen von dem beharrlichen Bemühen des Rabbiners, das Judentum, so wie er es verstand, seinen Gemeindemitgliedern verständlich zu machen. Dass Norden 1931 einen Ruf als Landesrabbiner in den Niederlanden erhalten hat (den er dann allerdings ablehnte), zeigt, dass er weit über den Kreis der Elberfelder Gemeinde hinaus bekannt geworden war.

Mit seiner Aufklärungsschrift „Auge um Auge, Zahn um Zahn. Eine vielumstrittene Bibelstelle“, 1926 im renommierten Philo-Verlag des „Centralvereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens“ in Berlin veröffentlicht, wollte Norden vor allem ein christliches Lesepublikum ansprechen – heute würde man sagen: als „Antisemitismusprävention“, und die ist immer noch nötig!

Die Herausgeberin Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, hat dem Text ein bewegendes Geleitwort von Hanna Renning, Enkelin des Rabbiners, und ein einführendes Vorwort von Landeskirchenrat Dr. Volker Haarmann vorangesetzt, das den Kontext des christlich-jüdischen Dialogs skizziert. Kippt man das sorgfältig gestaltete Büchlein, findet man zwölf Lieder aus einem Gesangbuch, das Norden gemeinsam mit den Kantoren Hermann Zivi und Magnus Wetzstein schon 1910 für seine jüdische Gemeinde herausgegeben hat. Dass man die auch in einer Kirchengemeinde gut singen kann, erlaubt nicht zuletzt der kleine Preis von 6 €, der erst durch Druckkostenzuschüsse der Rheinisches Landeskirche und des Evangelischen Kirchenkreises Wuppertal möglich war.

Diese Büchlein ist im Buchhandel erhältlich, z.B. bei der Buchhandlung von Mackensen, Laurentiusstr. 12, 42103 Wuppertal.

Ein Mitschnitt der Lesung aus diesem Buch in der Begegnungsstätte Alte Synagoge am 16.9.2020 steht online zur Verfügung: https://www.alte-synagoge-wuppertal.de/willkommen/audiovideo-details/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=689&cHash=b56e289db211c02edf3627e949557ede

 

Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal www.alte-synagoge-wuppertal.de

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