Fachaufsichtsbeschwerden gegen Jobcenter und Sozialamt

Die Werte für Unterkunftskosten müssen beim Jobcenter/Sozialamt spätestens alle zwei Jahre neu festgesetzt werden, da dies in Wuppertal nicht geschieht, stattdessen Leistungsbeziehende mit "Infoschreiben" noch in Angst und Schrecken versetzt werden, hat Tacheles nun Fachaufsichtsbeschwerde bei den zuständigen Ministerien eingelegt

Die Werte für Unterkunftskosten müssen spätestens alle zwei Jahre festgesetzt werden, in Wuppertal wird dies aber nicht gemacht. Stattdessen erhalten Leistungsbeziehende auf Basis der völlig veralteten Werte aus 2021 noch „Informationsschreiben“ in denen sie aufgeklärt werden, dass ihre Miete nicht mehr übernommen wird. Tacheles hat jetzt Fachaufsichtsbeschwerden bei den jeweils zuständigen Ministerien eingelegt.

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Die Unterkunftskosten im SGB II/SGB XII müssen spätestens alle zwei Jahre überprüft und ggf. neu festgesetzt werden, so bestimmt es das Bundessozialgericht und das Gesetz (§ 22c Abs. 2 SGB II). Wenn diese nicht durch ein schlüssiges Konzept festgesetzt werden, ist regelmäßig auf die tatsächlichen Unterkunftskosten, begrenzt von jeweiligen Oberwerten des Wohngeldgesetzes mit einem 10 % Sicherungsaufschlag, abzustellen (BSG 30.1.2019 – B 14 AS 41/18 R, BSG 16.6.2015 – B 4 AS 44/14 R, BSG 22.03.2012 – B 4 AS 16/11 R, BSG 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R, BSG 20.8.2009 – B 14 AS 65/08 R,  BSG 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R).

Nachfolgend eine Tabelle zu den derzeitigen Mietoberwerten (MOG) in Wuppertal und denen, wie sie nach der Rechtsprechung des BSG zu den tatsächlichen Unterkunftskosten, begrenzt vom jeweiligen Oberwerten des Wohngeldgesetzes (Mietstufe III), mit einem 10 % Sicherungsaufschlag betragen müssten:

MOG Werte aus 2021: MOG nach WoGG + 10 % Zuschlag
1 Person 413,50 EUR 468,60 EUR
2 Personen 503,75 EUR 567,60 EUR
3 Personen 620,00 EUR 675,40 EUR
4 Personen 736,25 EUR 787,60 EUR
5 Personen 825,00 EUR 899,80 EUR
6 Personen 937,50 EUR 1008,70 EUR
7 Personen 1050,00 EUR 1117,60 EUR

Eine Anpassung der Unterkunftskosten ist in Wuppertal seit dem 1.1.2021 nicht erfolgt, die Preise sind aber deutlich gestiegen, daher ist die momentane Verwaltungspraxis der Wuppertaler Sozialleistungsträger aus unserer Sicht eindeutig rechtswidrig.

Im Bereich des SGB XII, der Sozialhilfe und der Grundsicherung, erhalten Wuppertaler Leistungsbeziehende derzeit sogar „Informationsschreiben“ durch das Wuppertaler Sozialamt, in denen diese darüber aufgeklärt werden, dass die Unterkunftskosten nur noch in der Karenzzeit noch in tatsächlicher Höhe übernommen werden. Die Sozialverwaltung geht hier von der alten, rechtswidrigen, Mietobergrenze des Jahres 2021 aus. In uns vorliegenden Fällen erfolgte diese Mitteilung auch bei einer Bagatellüberschreitung der Mietobergrenzen von nur 16,35 EUR monatlich, in einem weiteren Fall bei einer Überschreitung von 20,60 EUR. Diese Informationsschreiben erfolgen ausgehend von der alten, rechtswidrigen Mietobergrenze und ohne Berücksichtigung der Unwirtschaftlichkeitsklausel nach § 35 Abs. 3 S. 3 SGB XII.

Grade an diesem Vorgehen um die Informationsschreiben wird deutlich, dass die Wuppertaler Sozialverwaltung planmäßig rechtswidrig agiert. Es ist davon auszugehen, dass alle Leistungsbeziehenden mit Unterkunftskosten oberhalb der alten Mietobergrenze mit solchen „Informationsschreiben“ angegangen werden.

Auch werden in allen Rechtssystemen Leistungsbeziehenden Anträge auf Zustimmung zur Anmietung einer Unterkunft, Erhalt einer Kaution oder auf Umzugs- und Renovierungskosten stellen, mit Verweis der Unangemessenheit der Unterkunftskosten nach der alten Mietobergrenze abgelehnt. Diese Ablehnung erfolgt auch bei kleinsten Überschreitungen der alten MOG im einstelligen Eurobereich.

Den Wuppertaler Leistungsbeziehenden drohen erhebliche und auch nicht durch eine nachträgliche Anpassung der Mietobergrenze reparable Schäden. Wurde die Wohnung rechtswidrig abgelehnt und haben die Leistungsbeziehenden nicht das Geld, die Kaution und Umzugskosten zu bezahlen, ist die Wohnung irreparabel weg. Die Unterfinanzierung der Leistungsbeziehenden durch rechtswidrige Mietobergrenzenfestsetzung ist zwar korrigierbar, die damit verbundene Menschenrechtsverletzung und die Angst, wie das Leben mit immer weniger Geld weitergehen kann, aber nicht. An der Stelle ist auf die Inflationsrate von 8,7 % für Jan. + Feb. 2023 zu verweisen und darauf, dass die Kosten für Nahrung gleichzeitig um 21,8 % gestiegen sind, die für Energie um 19,1 %. Für arme Menschen sind das Horrorzahlen und Zahlen der massiven Unterfinanzierung. Jeder Tag der rechtswidrigen Kürzung durch die Wuppertaler Sozialverwaltung ist ein Tag zu viel.

Die Wuppertaler Sozialverwaltung wurde vielfach schon darauf hingewiesen, dass diese Situation nicht tolerabel ist, es wurde sogar im Detail angefragt, wie viele Menschen davon betroffen sind und wie die Behörde das korrigieren will. Im Ergebnis weitgehendes Schweigen und Fortsetzung des rechtswidrigen Agierens. Daher hat Tacheles nun bei den drei zuständigen Ministerien Fachaufsichtsbeschwerde eingelegt und diese darum gebeten hier kurzfristig per Weisung zu handeln.

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