11.05.2025Migra
Der Mensch beginnt beim Angestellten
„Sie hätten hier gar nicht vortreten dürfen.“ So wird man – und Frau – im Eingangsbereich eines Jobcenters in Wuppertal empfangen. Eine Erwiderung wird nicht abgewartet; der Begleiter, ein Begleiter der sogenannten Kundin, beharrt darauf, aussprechen zu dürfen – zweimal. Er erhält eine Wartemarke mit kaum leserlicher Nummer. Auch später erwartet man hier von uns beiden Untertanengeist; das Ausredenlassen ist keine Selbstverständlichkeit.
Die Kundin des Jobcenters hatte den Begleiter gebeten, sie zu begleiten. Sie hatte in kurzer Folge drei Briefe vom Jobcenter erhalten, in denen zahlreiche Dokumente angefordert wurden. In der Vergangenheit war die Verständigung zwischen ihr und den Mitarbeitern des Jobcenters schwierig gewesen. Dem Begleiter wird an diesem Morgen schnell deutlich, warum: Als er und die Kundin an den Platz der zuständigen Mitarbeiterin gebeten werden, lässt man ihn auch hier nicht ausreden; es werden sofort Unterlagen eingefordert, von denen sich später herausstellt, dass sie bereits eingereicht worden waren. Und auch hier herrscht ein Tonfall, den der Begleiter als unangemessen erachtet. Dies teilt er der Bearbeiterin mit. Die Hände der Kundin zittern, als sie die Papiere vorlegt. Die Mitarbeiterin ruft die Leistungsabteilung an; sie spricht am Telefon von „besagter Dame“, was den Begleiter auf die Idee bringt, dass hier ein gewisses Vorurteil gegenüber der Kundin im Raum steht. Diesen Eindruck behält er für sich.
Die Kundin nimmt mit dem Begleiter erneut im Wartebereich Platz. Nach zwanzig Minuten kommt der Mitarbeiter aus der Leistungsabteilung. Es stellt sich heraus, dass lediglich ein Dokument fehlt, das einfach per E-Mail an die Abteilung geschickt werden kann, ohne dass besondere Fristen zu beachten sind. Somit erweisen sich die letzten drei Briefe vom Jobcenter an die Kundin größtenteils als überflüssig. Die Kundin atmet auf, ihr Zittern in den Händen lässt nach.
Im Wartebereich trifft der Begleiter auf einen weiteren Kunden, der ihm einen Brief vom Jobcenter zeigt: Er soll seine Kündigung rechtfertigen. Auch in diesem Schreiben ist von Sanktionen und Fristen die Rede. Auch dieser Kunde weiß nicht recht, wie ihm geschieht – er war in keinem Arbeitsverhältnis, hat also nicht gekündigt und wurde auch nicht gekündigt; er befand sich lediglich in einer sogenannten Maßnahme. Nun ist er besorgt und ängstlich. Der Begleiter rät ihm, das Jobcenter immer mit einer Begleitung aufzusuchen: Die Mitarbeiterinnen des Jobcenters seien dann freundlicher, es gebe Zeugen für ausgehändigte Unterlagen und vor allem für eventuelle Fehlleistungen der Mitarbeiter. Der Kunde nickt, die Kundin nickt, ihr Zittern hat aufgehört und ihr Atem ist ruhiger geworden.
Beide verlassen das Jobcenter, draußen scheint die Sonne, die letzten drei Briefe vom Jobcenter wandern in den Müll. Aufatmen. Das Kopftuch wird zurechtgerückt.
Francisco Peralta CC BY-SA 3.0 Wikimedia Commons
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