So schafft die Politik bis 2045 einen CO2-neutralen Gebäudebestand

Ein neuer Zukunftsimpuls des Wuppertal Instituts zeigt, welche Weichen die Politik stellen muss, um den Gebäudebestand bis 2045 klimaneutral zu machen.

Im Fokus stehen höhere Effizienzanforderungen für Bestands- und Neubauten, ein schnellerer Ausstieg aus Gas- und Ölheizungen, höhere Anreize und bessere Unterstützung für Gebäudebesitzerinnen und -besitzer sowie warmmietenneutrale Sanierungen, um Mieterinnen und Mieter vor einer Überlastung zu schützen.  

„Die neue Bundesregierung muss höhere Anforderungen an verlustarme Gebäudehüllen und die klimaneutrale Wärmeversorgung setzen und dabei die Umsetzung so fördern, dass sie niemanden überfordert – weder selbstnutzende Gebäudebesitzende noch Vermietende oder Mietende“, erklärt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts, zum neuen Zukunftsimpuls. „Nur eine sozial gerechte Energiewende im Gebäudebereich hat Aussicht auf breite Akzeptanz.“

Der Erfolgsdruck ist hoch, denn die Wärmebereitstellung für gewerbliche Immobilien und Wohngebäude in Deutschland verbraucht etwa ein Drittel der gesamten Endenergie hierzulande. Im vergangenen Jahrzehnt ist der Energieverbrauch kaum weiter gesunken und die energetische Sanierung von Gebäuden stagnierte bei lediglich einem Prozent pro Jahr. Im Jahr 2019 wurden immer noch drei Viertel aller Wohnungen mit den fossilen Energieträgern Gas oder Öl beheizt.

2022: Novelle des Gebäudeenergiegesetzes nutzen, Förderung effektiver machen

Der Zukunftsimpuls „CO2-neutrale Gebäude bis spätestens 2045 – eine ambitionierte und sozialverträgliche Politikstrategie“ zeigt, dass die Bundesregierung jetzt langfristige und verlässliche Ziele setzen und entsprechende Regeln und Unterstützungsangebote festlegen muss. „Klare Vorgaben für eine bessere energetische Sanierung und ein deutliches Ziel für den Ausstieg aus fossilen Gas- und Ölheizungen geben allen Beteiligten Sicherheit. Individuelle Sanierungsfahrpläne für alle heute noch nicht effizienten Gebäude bis spätestens 2028 und kommunale Wärmepläne helfen den Gebäudebesitzenden bei der technischen Entwicklung ihrer Gebäude und der Investitionsplanung. Häufig sind es die nicht-monetären Hemmnisse, die maßgeblich für die geringe Sanierungsrate sind. One-Stop-Shops verringern die Hemmschwelle Maßnahmen umzusetzen. Darüber hinaus wirkt Quartiersmanagement unterstützend und hilft Kräfte zu bündeln“, erläutert Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut und Leitautor des Zukunftsimpulses.

Zu den unmittelbar anstehenden Entscheidungen zählt dabei die für 2022 geplante Novelle des Gebäudeenergiegesetzes (GEG). Die Bundesregierung muss in diesem zentralen Gesetzesvorhaben die Vorgaben für die Sanierung stärken. „Der Sanierungsstandard sollte auf die technische Vorgabe ‚KfW Effizienzhaus 55‘ angehoben werden. Als Mindeststandard für Neubauten sollte ‚KfW 40 Plus‘ oder der Passivhausstandard gelten“, schlägt Thomas vor. „Aus ökonomischer Sicht rechnen sich diese Standards, dies gilt um so mehr bei den aktuell sehr hohen Energieträgerpreisen“, ergänzt Thomas.

Außerdem rät das Wuppertal Institut der Bundesregierung, klare Enddaten für den Einbau und Betrieb von Öl-, Gas- und Kohleheizungen zu setzen. „Das bereits im Klimaschutzprogramm der Bundesregierung von 2019 verkündete Jahr 2026 als Enddatum für den Einbau von Ölkesseln muss jetzt auch auf Gaskessel ausgeweitet werden“, sagt Thomas. „Die Erfüllung der Pflichten sollte gleichzeitig gefördert werden, damit alternative Heizungssysteme ökonomisch tragfähig sind und die Umsetzung damit sozialverträglich bleibt.“

Fokus auf Warmmietenneutralität

Der klimaneutrale Umbau des Gebäudebestandes bis 2045 wird hohe Investitionen auslösen. Für die gesellschaftliche Akzeptanz dieses Transformationsprozesses kommt es dabei insbesondere darauf an, die Mieterinnen und Mieter in Deutschland nicht zu überfordern. Fast 60 Prozent aller Menschen hierzulande leben in Mietwohnungen. „Die Bundesregierung muss die Rahmenbedingungen so ändern, dass möglichst Warmmietenneutralität erreicht wird, so dass die sinkenden Heizkosten die Kosten der Sanierung ausgleichen“, sagt Thomas. Das sogenannte Drittelmodell könne dazu ein geeignetes Instrument sein. Es zielt darauf, dass Vermietende, Mietende und der Staat jeweils ein Drittel der Modernisierungskosten tragen. Dazu dürfen Vermietende die staatliche Förderung behalten, aber pro Jahr nur noch 1,5 Prozent der Investition über die Modernisierungsumlage an die Mietenden weitergeben.

Der Zukunftsimpuls betont außerdem die Rolle der Kommunen bei der Bereitstellung von klimaneutraler Wärme und die wirksame Ausgestaltung eines steigenden CO2-Preises. Jenseits bautechnischer Maßnahmen sollte auch die flexiblere Nutzung von Wohnraum und Wohnungstausch eine erhebliche Rolle beim Klimaschutz spielen, um Wohnungsmangel mit weniger Neubau zu lindern. „Für klimaneutrale Gebäude bis 2045 müssen wir alle Hebel nutzen, die uns zur Verfügung stehen“, erklärt Prof. Fischedick.

https://wupperinst.org/a/wi/a/s/ad/7535

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