Carsten Gerhardt: „Wir sind dem Ziel näher als dem Startpunkt“

Die Attacken von Umweltschützern haben die Initiatoren der Nordbahntrasse "irritiert", aber keinesfalls in ihrem Engagement gebremst. Carsten Gerhardt, Gründungsmitglied und Vorstand der Wuppertalbewegung, zweifelt nicht an der Realisierung der Trasse.

Dr. Carsten Gerhardt

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Carsten Gerhardt wurde 1968 in Wuppertal geboren und lebt in Elberfeld. Der promovierte Physiker verantwortet den Nachhaltigkeitsbereich beim Beratungsunternehmen A.T. Kearney. Im Jahr 2006 gründete er zusammen mit 20 Mitstreitern die Wuppertalbewegung, die heute über 3.000 Mitglieder, Spender und weitere Unterstützer zählt. Im Moment ist seine Freizeit neben seiner Tochter dem Projekt Nordbahntrasse gewidmet.

Herr Dr. Gerhardt, die Wuppertalbewegung hat das Projekt Nordbahntrasse mit großer Begeisterung und ungeheurer Energie vorangetrieben und private Mittel in bis dahin ungeahnter Höhe akquiriert. Worauf führen Sie den Erfolg zurück?

Viele Menschen sehen hier eine Chance, Ihre Heimatstadt mit einer weiteren Attraktion zu bereichern, die zugleich noch einen hohen Nutzwert für wirklich alle Altersklassen und Bevölkerungsgruppen hat.

Wie hat sich die Wuppertalbewegung in den Jahren seit der Gründung verändert?

Wir sind stetig gewachsen und wachsen nach wie vor – ständig kommen neue Mitglieder oder Unterstützer dazu, die sich in den unterschiedlichsten Bereichen einbringen wollen. Wir sind größer geworden, aber haben trotzdem den Charakter einer Bürgerbewegung ohne jederlei formalisierte Strukturen beibehalten. Nach wie vor ist alles bei uns rein ehrenamtlich – und das wird auch so bleiben.

Macht sich unter den Mitgliedern gelegentlich auch Frust breit, weil die Realisierung der Trasse durch bürokratische Hemmnisse und die Widerstände von Naturschützern immer wieder gebremst wird?

Die „Attacken“ aus den unterschiedlichsten Richtungen, aus denen wir sie nicht vermutet hätten, haben uns natürlich irritiert. Insbesondere die Reaktion der Umweltschützer ist für uns in keiner Weise nachvollziehbar, da wir von Anfang an den Umweltschutz als ein wesentliches Ziel dieses innerstädtischen Weges im Auge hatten. Wir finden dieses Agieren sehr schade, lassen uns dadurch aber nicht frustrieren. Wir haben jenseits ganz isolierter artenschutzrechtlicher Fragen das wichtige Ziel im Auge, hunderttausenden Menschen einen guten Zugang zur Natur zu ermöglichen und gleichzeitig die Trasse in ihrer Funktion als Rückzugsraum für die verschiedensten Tiere aufzuwerten.

Welche Auswirkungen hat der Widerstand für Ihr Vorhaben?

Mit ihrem Widerstand nutzen einige „Naturschützer“ die Möglichkeiten, die ihnen die Umweltgesetze geben. Uns ist bewusst, dass sie nicht die Gesamtheit aller um die natürliche Umwelt besorgten Menschen repräsentieren. Viele persönliche Gespräche haben uns gezeigt, dass die viele Mitglieder von Natur- und Umweltschutzorganisation den ökologischen Gesamtnutzen der Trasse als Weg in die Natur sehen und hoch schätzen. Mit großer Spannung warten wir auf konstruktive Vorschläge zur fledermausfreundlichen Ausgestaltung des Weges von Seiten der bisher destruktiv agierenden „Fledermausschützer“!

Wenn Sie das Projekt Nordbahntrasse mit einem Marathonlauf vergleichen, wie viele Kilometer haben Sie dann auf dem Weg von der ersten Idee bis zur Eröffnung bereits zurückgelegt?

Der Vergleich fällt mir schwer, weil ich ein schlechter Läufer bin, eher wandere ich in den Bergen. Um das Bild einer Wanderung von Hütte zu Hütte zu gebrauchen, sind wir auf jeden Fall so weit, dass wir nicht mehr zur Ausgangshütte zurückkehren. Das Ziel ist näher als der Startpunkt!

Hatten Sie es sich zu Beginn leichter vorgestellt?

Ja, wir dachten schon mehrfach, dass unser bürgerschaftlicher Beitrag erbracht sei, zunächst nach der Vorstellung des Konzeptes, dann nach der Sammlung der Eigenmittel, dann nach der Einreichung der Förderanträge …

Wie würden Sie die Zusammenarbeit mit Behörden und öffentlichen Einrichtungen charakterisieren?

Wir sind auf sehr viele positive und vorbildliche Beispiele der Unterstützung gestoßen, auch wenn es immer wieder Ausnahmen gab und gibt, die die Regel bestätigen. Leider ist deren Verzögerungspotential mitunter erheblich gewesen. Die gute Nachricht ist aber, dass die Unterstützung aus dem behördlichen Bereich zunimmt. Darüber freuen wir uns sehr!

Wie man Menschen für ein Projekt begeistert, haben Sie und ihre Mitstreiter eindrucksvoll gezeigt. Momentan ist die Stimmung in der Stadt wegen der Sparmaßnahmen eher gedrückt. Wie kann wieder Aufbruchstimmung für Wuppertal erzeugt werden?

Wuppertal hat eine einzigartige Kombination von bürgerschaftlichem Engagement, Leistungswillen des 2. Arbeitsmarktes und Mäzenatentum in der Bürgerschaft. Aktivitäten wie die Sanierung der Immanuels- und der Pauluskirche zeigen, wie durch den Einsatz von Menschen für ihre Stadt, wichtige und wertvolle Bauwerke erhalten werden können und geben ein Beispiel, das vielleicht auch in anderen Bereichen Schule machen kann. Eine noch stärkere Öffnung der Politik gegenüber diesem Engagement wäre toll!

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Die Fragen stellte Georg Sander
Foto: Dr. Carsten Gerhardt

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