Von der Pflicht zu wissen

2 Jahre Vernichtungskrieg gegen die Ukraine

Heute vor genau zwei Jahren begann der Überfall der Russischen Föderation auf die Ukraine. Bereits 10 Jahre zuvor hatte Russland völkerrechtswidrig die Krim besetzt und im Donbass zusammen mit Milizen den Konflikt mit der demokratischen Ukraine weiter eskaliert. Die meisten Beobachter dieser Aggression sind sich heute darin einig, dass Russland in der Person seines Präsidenten Putin eine freie Ukraine nicht dulden will und die Beseitigung der frei gewählten und demokratisch kontrollierten Regierung anstrebt.

An diesem Jahrestag wird aber auch deutlich, dass der russische Präsident mit seinem Plan einer begrenzten militärischen Operation gescheitert ist. Es ist ihm weder gelungen, die ukrainische Regierung zu stürzen, noch die kämpferische Haltung der ukrainischen Bevölkerung für die nationale Sache ihres freien Landes zu zermürben. Es zeichnet sich ab, dass dieser Krieg noch lange dauern, der Ukraine weitere Opfer und dem Westen weitere Unterstützung abverlangen wird.

Nicht allen gefallen diese Erkenntnisse. So werden in Deutschland vor allem an den politischen Rändern Rufe nach Verhandlungen und einem Stopp der Waffenlieferungen an die Ukraine laut. Diese Forderungen geben sich pazifistisch und volksnah, aber es ist ein Pazifismus populistischer Prägung, ein Pazifismus, der seine Voraussetzungen und seine Begründungen in fragwürdigen Narrativen hat. Drei davon seien genannt:

Narrativ 1: Die russische Aggression sei eine Antwort auf die Expansion der NATO. Das ist falsch, entspricht aber dem Narrativ der russischen Propaganda, die ihre Aggressionen stets als Selbstverteidigung zu tarnen wusste. Zum Forschungsstand hinsichtlich dieses Narrativ gibt es einen informativen Artikel in der Wikipedia.

Narrativ 2: Die russische Gesellschaft sei durch den deutsch-sowjetischen Vernichtungskrieg 1941-45 so traumatisiert, dass die deutsche Außenpolitik hier eine besondere Verantwortung habe und die Ukraine nicht mit Waffenlieferungen unterstützen solle. Auch dieses Narrativ ist nur teilweise richtig. So sehr der deutsche Vernichtungskrieg die sowjetische Bevölkerung vor acht Jahrzehnten mit Schrecken und Tod überzog, so sehr terrorisierten die Bevölkerung danach die stalinistischen Verfolgungen und Lager, der sowjetisch-afghanische Krieg und die massenhafte Verarmung in den 1990er Jahren durch die Bereicherung der alten kommunistischen Eliten. Letzteres schmälert nicht die Verantwortung der Bundesrepublik, sollte aber auch Anlass sein, auf die nicht aufgearbeitete totalitäre und kommunistische Vergangenheit Russlands hinzuweisen. Dies würde Russland verpflichten, die ukrainische Gesellschaft, die nicht weniger als die russische unter dem deutsch-sowjetischen Krieg gelitten hat, nicht mit einem weiteren Krieg zu überziehen.

Narrativ 3: Der sogenannte Euromaidan, die Revolution in Kiew 2014, sei vor allem ein vom Westen initiierter und finanzierter Putsch gewesen. Auch dies folgt der russischen Propaganda und auch hier hilft ein Blick in den entsprechenden Wikipedia-Artikel.

Die Aufzählung dieser drei Narrative soll an dieser Stelle genügen. Es gibt noch zahlreiche andere, die Russland entlasten sollen – etwa das Narrativ der abgebrochenen Friedensverhandlungen im März 2022, Narrative zum Abschuss des Zivilflugzeugs MH17 über der Ukraine und die Mutmaßungen zu den Explosionen der Gaspipelines in der Ostsee. All diese Narrative machen sich die Friedenssehnsucht der Bevölkerung zunutze und folgen in der Regel der russischen Propaganda.

In diesem Zusammenhang ist es wichtig daran zu erinnern, dass es in freien Gesellschaften eine unbequeme Pflicht gibt, nämlich die Pflicht zu wissen. Wer es nach dem Zivilisationsbruch des letzten Jahrhunderts wieder einmal nicht gewusst haben will und nicht wissen will, ist unglaubwürdig und bestenfalls bequem. Damit rechnen die Feinde der Demokratie – sie nutzen diese Bequemlichkeit und nennen sie Wohlstandssicherung.

Helfen wir also der Ukraine, indem wir uns informieren und der Desinformation und den falschen Narrativen konsequent und entschieden widersprechen. Das ist unsere Freiheit.

© Wikipedia – In the Claws of Despots – Photographic Art 

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