Zwergenaufstand um Geisterradeln in einer schmalen Einbahnstraße

Über angeordnetes Geisterradeln, einen BV-Beschluß, einer Beanstandung durch den OB und einer korrigierenden Ratsentscheidung bezüglich der Straße Landheim. Eine straßenverkehrs- und kommunalrechtliche Betrachtung.

Die Straße Landheim ist eine beschauliche Anwohnerstraße als Einbahn von West nach Ost nördlich der Autobahnraststätte Sternenberg (BAB 46) mit Häusern aus der Zeit lange vor der Autobahn. Seit Jahrzehnten wird dort geparkt, auch wenn dabei nicht immer zentimetergenau die gebotene Restbreite von 3 Metern übrigbleibt. Kontrollen gibt es dort ebenso wenig wie Haltverbotbeschilderung.

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Nur 25 Jahre nach Erfindung des legalen Geisterradelns in Einbahnstraßen [1] kommt die Straßenverkehrsbehörde auf den Trichter, die Einbahn Landheim fürs Geisterradeln freizugeben (VO/0621/23). Die lt. § 13 der Hauptsatzung der Stadt Wuppertal zuständige Bezirksvertretung Oberbarmen lehnt das allerdings in der Sitzung vom 22. August 2023 ab; Gründe siehe unten. Mit Datum vom 10. Oktober 2023 beanstandet der Oberbürgermeister den BV-Beschluß mit Verweis auf §§ 37 (6) und 54 (2, 3) Gemeindeordnung NRW (GO NRW). Letztlich entscheidet der Rat der Stadt in der Sitzung vom 29. April 2024 sich für das Geisterradeln in einem einjährigen „Verkehrsversuch“. [2]

Beanstandung und Widerspruch, Frist nicht gewahrt, ist aber auch egal

Nach § 37 (6) GO NRW [3] kann der Oberbürgermeister einem BV-Beschluß am 14. Tage nach Beschlußfassung widersprechen, wenn er der Auffassung ist, das Wohl der Stadt sei gefährdet. Bleibt die BV ein zweites Mal bei ihrer Auffassung, entscheidet der Rat endgültig. „Im übrigen“ gilt § 54 (3) „entsprechend“, das heißt das rechtswidrige Beschlüsse von Oberbürgermeister innert der Vierzehntagesfrist zu beanstanden sind [4]. Die verspätete Beanstandung (49 statt 14 Tage nach § 37 (1) GO) ist nach den Grundsätzen des Verwaltungsrechts grundsätzlich als unwirksam anzusehen. Da der Rat über die Angelegenheit abschließend entschieden hat, ist dies aber auch egal.

BV kann nur entscheiden: Ja oder Ja

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) ist Bundesrecht. Danach treffen die Straßenverkehrsbehörden eigenverantwortlich Entscheidungen unter anderem über Haltverbote und Einbahnfreigaben. Die Übertragung einzelner Entscheidungsbefugnisse durch die kommunale Hauptsatzung auf politische Gremien ist nur in dem Maße gerechtfertigt, wie die eigentlich beauftragte Behörde eigenes Ermessen ausüben kann.

Für die pauschale Übertragung einzelner Befugnisse wie in § 13 der Wuppertaler Hauptsatzung dürfte hingegen die Rechtsgrundlage fehlen. Wenn wie im vorliegenden Fall die Verwaltung der Meinung ist, nur die Freigabe der Einbahn sei legal, dann ist das ein Geschäft der laufenden Verwaltung und keine Aufgabe der BV – insbesondere wenn diese nur die „Entscheidung“ treffen kann, die Vorlage durchzuwinken oder sich andernfalls einen Rüffel einzufangen.

Straßenverkehrsrecht in der Praxis

Daß die Freigabe einer Einbahnstraße für Radverkehr in Gegenrichtung „in der Regel“ und „bei ausreichender Begegnungsbreite“ – konkret: mindestens 3,0 Meter, bei Busverkehr 3,5 Meter – zu erfolgen hat, wie in der Beanstandung des OB geschrieben, ist grundsätzlich richtig. Die Stadt geht bei ihren vermessenen Annahmen wie üblich von der rechtlichen Theorie aus, daß bei 4,5 Meter Straßenbreite nicht geparkt werden darf, diese Breite für das Anordnen von Geisterradeln aber ausreichend ist. Basta.

Bei dieser Abwägung „Geisterradeln ja oder nein“ sind auch die tatsächlichen Verhältnisse vor Ort und nicht nur die theoretisch-rechtlichen Annahmen zu berücksichtigen. Und da hat die BV Oberbarmen durchaus gewichtige Gründe gegen die Freigabe.

Zunächst ist die Stadt mit ihrer jahrzehntelangen Duldung des Parkens selbst dafür verantwortlich, daß sich dieses als eine Art Gewohnheitsrecht herausgebildet hat. Für die Straßenverkehrsbehörde bieten sich die Anordnung von klarstellenden Verkehrszeichen (VZ 283 Haltverbot) und Sperrpfosten (Poller) an, aber auch diese sind in dem aktuellen Ratsbeschluß nicht vorgesehen.

Ohne diese begleitenden Maßnahmen ist es fraglich, wie bei Begegnungsbreiten um 2,40 Meter ein sicherer und flüssiger Verkehr am Landheim mit der Freigabe gewährleistet werden soll. Vielmehr dürften die Verkehrsteilnehmer wieder das Unvermögen der Verwaltung unter sich ausbaden müssen, wie man insbesondere bei der illegalen Anordnung des Geisterradelns auf der Friedrichstraße am Rathaus Elberfeld beobachten kann. [6] Immerhin gibt es dort noch Gehwege zum Ausweichen.

Bei einer sachgerechten Abwägung würde man auch berücksichtigen müssen, ob an der weitläufigen westlichen (Schraberg) bzw. östlichen Einmündung (Gennebrecker Straße) Schleusen oder Aufstellstreifen für den Radverkehr sinnvoll sind. Auch dazu fehlt in den Verwaltungsvorlagen jeder Hinweis, jede Überlegung oder Ausführung.

Quellen und Verweise

[1] Versuchsweise Zulassung von Fahrradverkehr in Einbahnstraßen in der Gegenrichtung:
Vierundzwanzigste Verordnung zur Änderung straßenrechtlicher Vorschriften vom 7. August 1997, BGBl I, S. 2028ff,
https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?start=%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl197s2028.pdf%27%5D#__bgbl__%2F%2F*%5B%40attr_id%3D%27bgbl197s2028.pdf%27%5D__1715014069100

[2] Kompletter Vorgang mit BV-Beschluß, OB-Beanstandung und Stellungnahmen,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=31398

[3] https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?bes_id=6784&aufgehoben=N&det_id=653947&anw_nr=2&menu=1&sg=0

[4] https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_detail?bes_id=6784&aufgehoben=N&det_id=653965&anw_nr=2&menu=1&sg=0

[5] Bereits auf Luftbildaufnahmen von 1954 parken am Landheim Fahrzeuge auf der Straße. Das Geoportal der Stadt Wuppertal mit Aufnahmen von 1928 ist leider immer noch kaputt.
https://www.tim-online.nrw.de/tim-online2/
http://geoportal.wuppertal.de/deegree/invoke.jsp?wmc=wmc_STADTPLAN

[6] Legal, illegal, Friedrichstraße?
njuuz.de/home/politik/legal-illegal-friedrichstrasse/

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Kommentare

  1. Susanne Zweig sagt:

    Jetzt erst gelesen. In der Stellungnahme der Bezirks-SPD steht ernsthaft:
    „Durch die hohe Zahl der geparkten PKW ist für den Straßenverkehr lediglich eine Fläche von ca. 2,40 m gegeben. Dies ist keine ausreichende Begegnungsbreite, …“
    Liebe SPD, auf 2,40 m Breite passt auch kein Leiterwagen der Feuerwehr mehr durch. Da sollten Radfahrer im Gegenverkehr wirklich das kleinste Problem sein.

  2. Susanne Zweig sagt:

    Es gibt zahlreiche Straßen mit ca. 5,50 m Breite in Wuppertal, auf denen keine 2 Pkw aneinander vorbei passen, wenn gleichzeitig am Fahrbahnrand geparkt wird. Keine Einbahnstraßen. Ganz normale Nebenstraßen. Kein Mensch beschwert sich darüber.
    Jetzt ist eine Straße 4,50 m breit, Einbahnstraße, und die Begegnung mit einem Radfahrer soll ein Problem sein? In einer Tempo-30-Zone?
    Es geht nicht um die Fahrbahnbreite. Es geht höchstens um das Verkehrsaufkommen und um Ausweichmöglichkeiten.
    Dass Bezirksvertretungen zu jeder einzelnen Einbahnstraßenfreigabe, die von Verwaltung und Kreispolizeibehörde durchgewunken ist, noch ihren subjektiven politischen Senf dazu geben dürfen, ist seit vielen Jahren wenig hilfreich und gehört endlich abgeschafft.

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