Parken und Vorfahrt in der Fahrradstraße – erlaubt oder nicht?

Umsetzung von Beschlüssen der BV und warum wird das Parken nur in der (Neuen) Friedrichstraße beknollt?

In der Sitzung der Bezirksvertretung Elberfeld (BV) vom 28. Februar 2024 ging es unter anderem um das Thema, warum die Straßenverkehrsbehörde – kurz Amt 104 – straßenverkehrsrechtliche Beschlüsse der BV nicht oder nur verschleppend umsetzt. Der Rat der Stadt hat gemäß Gemeindeordnung NRW die Bezirksvertretungen per Satzung ermächtigt, über die in ihrem Bezirk befindliche Straßen verkehrliche Regelungen zu treffen. Diese sind als verwaltungsrechtliche Anordnung zu verstehen, die damit der Straßenverkehrsbehörde aufgeben, die Beschlüsse s lt. Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zuständige Behörde anzuordnen und damit umzusetzen.

Widdewiddewitt, 104 macht sich die Welt wie es ihr gefällt

So zum Beispiel der Beschluß der BV vom Oktober 23, die Vorfahrt an der Kreuzung Wiesenstraße/Neue Friedrichstraße zugunsten der Fahrradstraße zu ändern. Die verkehrsrechtliche Anordnung (und damit Umsetzung) verweigert das Amt 104 mit der einfachen Begründung, diese Regelung sei nach Straßenverkehrs-Ordnung nicht möglich.

Das ist Dummfug, denn die Wiesenstraße liegt innert einer Tempo-30-Zone im Wohngebiet der Nordstadt. Hier gilt im Regelfall rechts-vor-links an Kreuzungen, weshalb es seit der Vorfahrtänderung im Rahmen der Einrichtung der Friedrich-„Fahrradstraße“ an der Kreuzung Friedrichschulstraße bereits am Tag der Einweihung gerumst hat. Aber dazu später.

In Tempo-30-Zonen gilt der Regelfall „rechts vor links“ und davon sollte nur in begründeten Fällen abgewichen werden. In der Wiesenstraße herrscht diese Regel an der Einmündung zu den ersten Straßen (von West nach Ost) Malerstraße, Bandstraße und Höchsten vor. Erst östlich der Einmündung der Wüstenhofer Straße ist auf der Wiesenstraße seltsamerweise das Zeichen 301 „Vorfahrt“ angeordnet. Dies könnte straßenverkehrsrechtlich damit begründet werden, dem Busverkehr (Linie 620) bis zur Gathe Vorrang einzuräumen.

Für 104 logisch: Zebrastreifen geht bei Vorfahrt, aber nicht bei Vorfahrt achten

Mit der Anordnung von Zeichen 301 „Vorfahrt“¹) ist der aufgemalte Zebrastreifen (amtlich Fußgängerüberweg, Zeichen 293 StVO) über die Wiesenstraße vor der Einmündung der Neuen Friedrichstraße unzulässig. Denn „Vorfahrt“ signalisiert dem Fahrverkehr eben diese im Wortsinne und verleitet Autofahrer zum Gasgeben, nicht aber zum vorschriftsmäßigen „mit mäßiger Geschwindigkeit“ an den Zebrastreifen heranfahren, um auf eventuell vorhandene Fußgänger zu warten, die hier queren wollen und Vorrang haben. Die Vorfahrt des Fahrverkehrs behakt sich mit dem Vorrang der Fußgänger auf dem Zebrastreifen.

Das Amt 104 schreibt dazu noch in VO/0125/24²): „Grundsätzlich sind, nach der Richtlinie für die Anlage und Ausstattung von Fußgängerüberwegen (R-FGÜ 2001), Fußgängerüberwege in Tempo-30-Zonen in der Regel entbehrlich.“ – Heißt in Wuppertal: sie sind unzulässig. Jedenfalls dann, wenn 104 keinen Zebrastreifen (außer im Zoo, dafür ist ein anderes Ressort zuständig) haben möchte.

An der Hochstraße – mit zulässigem Tempo 50 – wird an der Einmündung Reitbahnstraße mit just dieser Begründung ein Fußgängerüberweg abgelehnt. Ebenso abgelehnt wird dort „… ein Hervorheben der Laufrichtung in Form einer roten Fläche“, die ausgerechnet an der Hochstraße rund 250 Meter weiter oben an der Einmündung Marienstraße existiert. Aus straßenverkehrsrechtlicher Sicht muß man das Amt 104 nicht verstehen.

Die Ausnahme bestätigt die Regel auch im Straßenverkehrsrecht: ein Zebrastreifen ist an der Einmündung Reitbahnstraße zulässig, alleine aus dem Prinzip des „Vision Zero“ und der Tatsache, daß es eine gefährliche Ecke für Fußgänger ist – auch wenn „ja noch nichts passiert ist“. Aber das zu verhindern ist genau Aufgabe von „Vision Zero“ und damit theoretisch nach StVO zuvorderste Aufgabe der Straßenverkehrsbehörde, also Amt 104.

Widdewiddewitt Teil 2: Nur in der Fahrradstraße (Neue) Friedrichstraße besteht ein Parkverbot

Nachdem in der sogenannten „Fahrradstraße“ Luisenstraße – zumindest dem als Fahrradstraße ausgewiesenen Teil – das Parken seit Jahrzehnten auch bei Fahrgassen von 3,05 Metern gestattet ist, hat das Amt 104 in Wuppertals neuester Fahrradstraßen-Errungenschaft (Neue) Friedrichstraße beschlossen, daß mit aufgemalten Parkmarkierungen das Parken außerhalb dieser Markierungen verboten sei. Das Ordnungsamt verfolgt jedenfalls bisher getreu dieser Meinung jeden vorgeblichen Parkverstoß als „Sie parkten auf einer Fahrradstraße (Zeichen 244.1/244.2)“ mit 55 Euro.

Dabei ist dieser Tatbestand nur dann einschlägig, wenn die Fahrradstraße (Zeichen 244.1) ohne Zusatzzeichen für andere (Kraft-) Fahrzeuge gesperrt ist. Da jedoch in 100 Prozent der Wuppertaler Fälle unterhalb der „Fahrradstraße“ per Zusatz der „Kfz-Verkehr frei“gegeben wird, gelten hier faktisch die gleichen Verkehrsregeln wie in einer Tempo-30-Zone.

Das Verwaltungsgericht Hannover formuliert die Regeln der Fahrradstraße in der Pressemitteilung zum Urteil vom 17.07.2019 – 7 A 7457/17 – wie folgt:³)

»Das Verkehrszeichen „Fahrradstraße“ (Zeichen 244.1 StVO) regelt folgende Ge- und Verbote:

1. Anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr darf Fahrradstraßen nicht benutzen, es sei denn, dies ist durch Zusatzzeichen erlaubt.

2. Für den Fahrverkehr gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf weder gefährdet noch behindert werden. Wenn nötig, muss der Kraftfahrzeugverkehr die Geschwindigkeit weiter verringern.

3. Das Nebeneinanderfahren von Fahrrädern ist erlaubt.

4. Im Übrigen gelten die Vorschriften über die Fahrbahnbenutzung und über die Vorfahrt.

Das Verbot zu 1. hatte die Beklagte bereits durch das Zusatzzeichen „Kraftfahrzeugverkehr frei“ aufgehoben. Die Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h gilt unabhängig von der Anordnung der Fahrradstraße bereits aufgrund der dort gesondert eingerichteten Tempo-30-Zone (Zeichen 274.1-50 StVO). Die Bedeutung der Anordnung beschränkte sich danach im Wesentlichen auf das besondere Gefährdungs- und Behinderungsverbot des Radverkehrs und die Erlaubnis, dass Radfahrer nebeneinander fahren dürfen. Die Anordnung einer Fahrradstraße mit einer solchen eingeschränkten Bedeutung muss jedoch nach § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO aufgrund der besonderen Umstände zum Schutz der Radfahrer zwingend erforderlich sein. […]«

Die Anordnung einer Fahrradstraße (Zeichen 244.1) enthält also weder Regelungen zum Parken, noch zur Vorfahrt. Ist wie in Wuppertals Fahrradstraßen der Kraftfahrzeugverkehr zugelassen, dürfen Kraftfahrzeuge nach den allgemeinen Regeln der StVO dort parken, ob nun innerhalb oder außerhalb eventueller Parkmarkierungen. Soll außerhalb markierter Parkflächen das Parken verboten werden, muß 104 dort Haltverbote (Zeichen 283) anordnen, wie das die Stadt Dortmund in der Großen Helmstraße ausgeführt hat.⁴)

Das Verteilen von Knöllchen für das Parken in für jedermann freigegebenen Fahrradstraßen ist also mehr als flüssig, nämlich überflüssig. Dem Amt 104 dürfte auch bekannt sein, daß das unter dem Schild „Fahrradstraße“ angebrachte weitere Zusatzzeichen 1053-30 „Parken in gekennzeichneten Flächen erlaubt“ lediglich eine Erlaubnis enthält, aber keine Erweiterung eines Verbots oder gar ein solches definiert, vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.01.2004 – BVerwG 3 C 29.03. Wie oben dargelegt, enthält die Anordnung einer Fahrradstraße bei gleichzeitiger Freigabe des Kfz-Verkehrs keine Regeln für ein Park- oder Haltverbot. Infolgedessen entfaltet das Zusatzzeichen 1053-30 ebenso wenig wie die Parkmarkierungen im konkreten Fall eine rechtliche Wirkung.

Mit dem üblichen Gutdünken hat das Amt 104 die von der Politik beschlossene Änderung der Vorfahrt für die Fahrradstraße angeordnet. Weder entspricht die Aufstellung des Zeichens 205 „Vorfahrt achten“ durchgehend den Vorschriften (lt. VwV⁵: „Die Zeichen sind unmittelbar vor der Kreuzung oder Einmündung anzuordnen.“), weil das Zeichen 205 schon mal 10 Meter vor der Kreuzung steht (zum Beispiel Friedrichschulstraße in westlicher Fahrtrichtung). In der oben erwähnten Reitbahnstraße steht es sogar 20 Meter vor der Einmündung. Für den Autofahrer ist die Wartepflicht gar nicht oder nur schlecht erkennbar, da er 10 oder 20 Meter vor der Kreuzung nicht mit einem „Vorfahrt achten“ rechnet bzw. rechnen muß.

Noch wurde die Regel beherzigt, an jeder Kreuzung mit geänderter Vorfahrtsregel (in den ersten Monaten) auf diese hinzuweisen – weshalb es an der Kreuzung zur Friedrichschulstraße zu zwei Unfällen mit Personenschaden kam.⁶) Der Mensch (und Autofahrer) ist ein Gewohnheitstier, deshalb hat der Gesetzgeber das Zeichen 101 „Vorsicht!“ mit dem Zusatzzeichen 1008-30 erschaffen und den Straßenverkehrsbehörden aufgegeben, bei Änderung der Vorfahrt mit dieser Kombination darauf aufmerksam zu machen – insbesondere in Tempo-30-Zonen, wo jahrzehntelang „rechts vor links“ vorgeherrscht hat. Stattdessen lehnt Amt 104 einen solchen Hinweis mit dem Verweis auf die „allgemeine Rücksichtnahme“ ab, es bestehe „nach StVO […] kein Anspruch auf unveränderte Verkehrsverhältnisse“. Das nicht – aber es besteht für Verkehrsteilnehmer gegenüber 104 ein Anspruch auf die Umsetzung der Verhinderung von Unfällen (Vision Zero). Die ist nämlich in der VwV-StVO⁵ unter § 1 Rnr 1 explizit definiert.

Zusammenfassung:

(Ⅰ) Beschlüsse der BV für Straßen in ihrem Zuständigkeitsgebiet betreffend den Straßenverkehr sind von der Straßenverkehrsbehörde umzusetzen, sofern diese nicht offensichtlich rechtswidrig sind.

(Ⅱ) Die Änderung der Vorfahrtsregelung an der Kreuzung Wiesenstraße/Neue Friedrichstraße liegt im Ermessen der Straßenverkehrsbehörde und im Rahmen der StVO, ist also nicht offensichtlich rechtswidrig. Ein derartiger Beschluß der BV ist als verwaltungsinterne Anweisung an die Straßenverkehrsbehörde zu sehen, die diese umzusetzen hat.

(Ⅲ) Eine für allgemeinen Kraftfahrzeugverkehr freigegebene Fahrradstraße innerhalb einer Tempo-30-Zone unterscheidet sich von dieser nur durch die Tatsache, daß Radfahrer in der Fahrradstraße unter allen Umständen nebeneinander fahren dürfen, sofern sie dies aufgrund der geringen Fahrbahnbreite überhaupt können.

(Ⅳ) In diesen Kfz-Fahrradstraßen gelten die normalen Park- und Haltverbotregeln: es ist am rechten Fahrbahnrand zu parken, in Einbahnstraßen auch am linken, sofern eine Restbreite von 3,05 Metern (sog. Fahrgasse) für den Fahrverkehr verbleibt und kein Halt- oder Parkverbot angeordnet ist (Zeichen 283/286 bzw. vor Zufahrten und 5 m vor und hinter Einmündungen).

Verweise:

1) Verkehrszeichen in Deutschland, https://de.wikipedia.org/wiki/Bildtafel_der_Verkehrszeichen_in_der_Bundesrepublik_Deutschland_seit_2017

2) VO/0125/24, Reitbahnstraße/Hochstraße Prüfung eines Fußgängerüberwegs,
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=325437&type=do

3) https://www.verwaltungsgericht-hannover.niedersachsen.de/aktuelles/pressemitteilungen/anwohnerklage-gegen-fahrradstrasse-erfolgreich-178893.html

4) Artikel über die Fahrradstraße Große Heimstraße in Dortmund (mit Foto),
https://www.radio912.de/artikel/radschnellweg-eroeffnet-neue-verkehrsregeln-im-kreuzviertel-1148431.html

5) VwV-StVO: Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrs-Ordnung (Abk. VwV-StVO) ist eine Verwaltungsvorschrift der deutschen Bundesregierung. Sie regelt die Umsetzung der Straßenverkehrs-Ordnung und die Ausführung von Verkehrseinrichtungen durch die kommunalen Straßenverkehrsbehörden und Straßenbauämter.
https://de.wikipedia.org/wiki/Allgemeine_Verwaltungsvorschrift_zur_Stra%C3%9Fenverkehrs-Ordnung

6) Unter anderem: „Radfahrer nach Unfall auf neuer Fahrradstraße in Wuppertal schwer verletzt“, WZ, 22.09.22,
https://www.wz.de/-77138281

7) VO/1244/22, § 24 Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen (GO NRW) – Erhöhung der Verkehrssicherheit,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=28050
VO/0728/13, Anwendung von Zeichen 1008-30 Vorfahrt geändert auf Vorschlag der Verwaltung,
https://ris.wuppertal.de/vo0050.asp?__kvonr=15071

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Kommentare

  1. Leser sagt:

    Wer soll das Ganze lesen? Wer das Wesentliche in sechs Absätzen nicht unterbringen kann, sollte es bleiben lassen.

    1. N. Bernhardt sagt:

      Wenn ich hier eine neue Radabstellanlage oder eine „barrierefreie Querungshilfe“, die weder nutzbar noch barrierefrei ist, feiern wollte, sind sechs Absätze natürlich kein Problem.

      Sie können zum Thema 104 gerne die Zusammenfassung lesen. Da aber hinter den Kulissen bereits viel diskutiert wurde, müssen Sie mehr liefern als reine Ansichten.

  2. Susanne Zweig sagt:

    Als ich vor Jahren das erste Mal den Vennbahnradweg durch die Eifel gefahren bin, ist mir aufgefallen, dass auf deutscher Seite an kreuzenden Straßen mit Autoverkehr immer der Radverkehr warten musste. Auf belgischer Seite war mal der Radverkehr, mal der Autoverkehr wartepflichtig – je nach Verkehrsaufkommen.
    Das hat sich zum Glück geändert.
    Auf der Nordbahntrasse gibt es Kreuzungen, an denen mittlerweile der Radverkehr Vorfahrt hat wie z.B. an der Firmeneinfahrt der Putsch GmbH (Linderhauser Str.) oder am Bracken (nach entsprechender Verkehrszählung) oder am Wibbelrather Weg zwischen Haan und Vohwinkel.
    Von einer Vorfahrtsumkehrung aus ideologischen Gründen wie an der Kreuzung Wiesenstraße / Neue Friedrichstraße halte ich nichts:
    1.) Auf der Wiesenstraße dürfte deutlich mehr Verkehr sein
    2.) Sie erschließt die halbe Nordstadt, verläuft schnurgerade und Autofahrer empfinden eine Vorfahrt an jeder Einmündung als hilfreich und logisch
    3.) Wenn es dort rumst, rumst es heftig, denn Radfahrer würden den Schwung der beidseitig abschüssigen Neuen Friedrichstraße gerne mitnehmen.

  3. Michael sagt:

    auch Radfahrer dürfen manchmal halten und die Vorfahrt anderer beachten!

  4. Jürgen Möller sagt:

    Es ist besser miteinander zu reden und eine passende Lösung zu finden, als soviel aufzuschreiben und sich zu streiten.

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