Buch der Woche: „Zwischen Leinwand und Hungertuch“

„Zwischen Leinwand und Hungertuch“ bewegt sich das Leben von Mathias Weis. In HP Nackes Galerie Epikur war er „zu Hause“. Im „Buch der Woche“ berichtet er informativ und bissig „aus dem Alltag eines Malers“.

Nicht selten hat ihn der Weg nach Wuppertal geführt, zu HP Nacke, dessen Fürsorge für „seine“ Künstler Weis des öfteren lobend hervorhebt.

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In seinem „schonungslosen und sehr persönlichen Erfahrungsbericht“ („Hessische Allgemeine“, 1.11.2014) berichtet er über ein „Leben am Fuß der Kunstbetriebspyramide“ (S. 295), präsentiert Erfahrungsberichte, Kunstkritiken, Äußerungen zum kulturellen Zeitgeschehen und Beobachtungen eines „durchgeknallten Buchfinks“ (S. 185). Polemisch setzt er sich mit der Kunstsoziologin Sarah Thornton auseinander, die mit ihrem Beststeller „Sieben Tage in der Kunstwelt“ (dt. 2009, als Taschenbuch 2013), in der sie die Geschäfte der „Großproduzenten“ wie Takashi Murakami oder Jeff Koon zum Normalmaß bestimmt, während Weis antritt, „den Alltag eines nicht global agierenden, nicht in Sammlerkreisen angesagten und nicht in hip-intellektuellen Szenen bekannten Künstlers“ zu dokumentieren (S. 9).

Gleichwohl eines Professionellen, der es sogar zu verschiedenen Lehraufträgen an der HAW Hamburg und der Uni Kassel gebracht hat, also offenkundig etwas vom Fach versteht. Man ist „nicht nur Maler, wenn man an der Staffelei steht, sondern eigentlich durchgehend ab dem Moment, in dem man sich zu diesem Beruf entschieden hat. Einmal Maler, immer Maler“ (S. 94).

Selten etwas zu sehr ins Detail gehend, aber immer witzig berichtet über erfolgreiche und weniger erfolgreiche Künstlerkollegen – und auch manchen Scharlatan, der glänzende Geschäfte macht. Bei ihm selbst wechseln sich wirtschaftlich bessere Zeiten mit solchen ab, in denen er auf staatliche Sozialleistungen angewiesen ist. Immer mit der Hoffnung, dass er „das große Talent“ ist, „das einfach nur irgendwann einmal genügend Glück haben muss, um ganz groß rauszukommen“ (S. 88).

Das Glück haben nur wenige. Weis und Kollegen durchleben ein Auf und Ab, das an den Nerven zerrt und an das man sich nie so ganz gewöhnen kann.

Zu einer allerdings bitteren Posse entwickelt sich sein Antrag auf Hartz IV. Stunde um Stunde füllt er das Kernformular sowie die Anlagen EK, EKS, VM, KDU und VM aus, muss an völlig sinnfreien Seminaren teilnehmen und bekommt am Ende eine Ablehnung, die später zurückgenommen wird. Vor allem aber lernt er die Bürokratie kennen: Zuständigkeiten, Vertretungen, Wartereien, die Vorladung zu einem Termin, der in einen bereits genehmigten Urlaub fällt, schließlich „Erklärungen, diverse Gewinn- und Verlustermittlungswünsche, Lesebeauftragungen, eine Formularausfüllungsfortbildung, Zuständigkeitsbeachtungsvorschriften, letztlich auch mit Strafandrohungen für Nicherfüllungshandlungen“ usw. usf. (S. 134). Kurz: Beamte, die durchaus freundlich und hilfsbereit sein können, jedoch insgesamt Bestandteil eines nicht selten kafkaesken und schikanösen Betriebes.

Kunstkurse in der Volkshochschule sind ihm ein Graus und eine Schreckensvision: „Seltsamerweise kommt dabei ähnlich wie bei den Kunst-Ferienkursen immer die gleiche Klientel zusammen, und die Rolle, die man als Lehrender ihr gegenüber einnimmt, ist die des Animateurs“ (S. 53). Wir schreiben und krakeln doch alle: „Auf dem Rückweg vom Arzt treffe ich eine flüchtige Bekannte: ‚Sagen Sie, stimmt es, dass Sie malen?‘, ‚Jaaa?‘, antworte ich gedehnt, ahnend, was nun kommen würde. ‚Ich male auch‘, erwidert sie schief grinsend“ (S. 23).31p1ih8X2NL._AA160_

Weis hat sich seinen Kummer, aber auch seine kleinen und großen Freuden von der Seele geschrieben und ein Buch verfasst, in dem man nachlesen kann, wie der Kunstbetrieb unterhalb der Spitze der Pyramide funktioniert.

MATTHIAS DOHMEN

Mathias Weis, Zwischen Leinwand und Hungertuch. Aus dem Alltag eines Malers, Wuppertal: HP Nacke 2014, ISBN 978-3-942043-45-8, 307 S., Euro 14,90, www.hpnackekg.de.

 

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