Buch der Woche: Visionäre des schwarzen (und weißen) Kontinents

Edeka, Puschkin und Anton Wilhelm Amo Afer: Namen sowie Stich- und Schlagwörter aus einer bemerkenswerten Sammlung von Biographien – unser Buch der Weihnachtswoche.

Bekannten und unbekannten Afrikanern, Schriftstellern und Politikern, Frauenrechtlerinnen und Erfinderinnen, Sklavinnen und Wissenschaftlern begegnet der Leser dieses außergewöhnlichen Buches auf prall gefüllten 366 Seiten. Die 42 Porträts hat der im Senegal geborene Publizist und Übersetzer M. Moustapha Diallo zusammengetragen, der den im Wuppertaler Peter-Hammer-Verlag herausgekommenen Band kürzlich im Literaturhaus vorgestellt hat.

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Edeka: 1898 wurde die „Einkaufgenossenschaft der Kolonialwarenhändler“, ursprünglich EdK abgekürzt, gegründet, die Gewürze, Früchte und andere Erzeugnisse aus den damaligen Kolonien importierte. Abenteurern wie Adolf Lüderitz schien nichts selbstverständlicher, als dass Hereros oder „Hottentotten“ dazu da waren, ihren weißen Herren zu Diensten zu sein, sei es als Plantagenarbeiter oder als Leibeigener, mindestens aber als Billigstarbeiter. Mädchen und Frauen hatten den Fremden auch als Sexualobjekte zur Verfügung zu stehen. Das Lied der schwarzen Widerständler Samuel Maharero und Hendrik Witbooi singt der in den USA lebende Historiker Azzo.

Puschkin: Den russischen Schriftsteller kennt nahezu jedes Schulkind mindestens vom Namen, doch dass sein Urgroßvater Abraham Petrowitsch Hannibal hieß und ein herausragender aus Eritrea stammender Intellektueller war, dem Zar Peter der Große eine exzellente Erziehung und Ausbildung angedeihen ließ, ist hierzulande den Wenigsten bekannt. diallo_visionäre

Anton Wilhelm Amo Afer: Eine ähnliche Laufbahn war einem aus dem heutigen Ghana stammenden späteren Gelehrten beschieden, der im 18. Jahrhundert wesentliche Erkenntnisse der Aufklärung formulierte und eine glanzvolle Karriere durchlief, bevor ihn der alltägliche Rassismus einholte. Er starb verarmt in seinem Heimatland, in das er Ende der 1740er-Jahre desillusioniert zurückkehrte. Heute erinnert eine Bronzeplastik, die an einer Fassade der Uni der Saale-Stadt verankert ist, an den „ersten afrikanischen Studenten und Dozenten der Universitäten Halle, Wittenberg und Jena 1727-1747“. Abgebildet ist Amo mit nacktem Oberkörper. Als Neger, gewissermaßen. Die Lebensbeschreibung Amos verdanken wir in dem besprochenen Band dem promovierten Genetiker Joe Dramiga, dessen Wurzeln in Uganda liegen.

Gleiche Brüder, gleiche Kappen: Die Gegner einer Gleichberechtigung aller Herkünfte und Hautfarben waren auch immer die Opponenten sozialer Bewegungen „zuhause“. Auf den beiden letzten Seiten bedankt sich der Herausgeber Diallo beim Verlag und dem Peter-Hammer-Verein sowie der 2011 hochbetagt verstorbenen Helga Paasche, deren Vater Hans Paasche einer der ersten war, der in Deutschland für die Menschenrechte auch der Schwarzen eintrat, 1918 in Berlin kurz dem Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte angehörte und 1920 von Freikorpssoldaten erschossen wurde. Seine Mörder kamen nie vor Gericht. Die Visionen des schwarzen Kontinents wie des „alten“ Europa sind … die gleichen.

MATTHIAS DOHMEN

Moustapha Diallo (Hrsg.), Visionäre Afrikas. Der Kontinent in ungewöhnlichen Porträts, Wuppertal: Peter Hammer 2014, ISBN 978-3-7795-0487-0, 366 S., Euro 29,90, www.peter-hammer-verlag.de.

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