Tacheles Empfehlungen an das Jobcenter Wuppertal: Zugänge schaffen

Geschlossene Behörden verhindern den Zugang zu Sozialleistungen

Am 15.03.2021 hatte Tacheles erstmals eine „öffentliche Problemanzeige“ zu den verschlossenen Jobcentern in Wuppertal gemacht. Seitdem gab es einigen Schriftverkehr zwischen der Jobcenter Geschäftsführung und Tacheles.

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Verschiedene Parteivertreter*innen haben sich seitdem bei uns gemeldet, um genauer nachzufragen.

Wir möchten die Problematik nochmal zusammenfassend darstellen und konkrete Empfehlungen formulieren. Wir hoffen damit eine ergebnisorientierte Diskussion anzustoßen, die zu einer für alle Beteiligten zufriedenstellenden Lösung führt.

Das Jobcenter ist eine Institution der Grundversorgung und daher gesetzlich verpflichtet Pflicht einen niederschwelligen Zugang zur Behörde und Sozialleistungen zu gewährleisten: „Der Zugang zu den Sozialleistungen [ist] möglichst einfach zu gestalten“ und „die Verwaltungs- und Dienstgebäude haben frei von Zugangs- und Kommunikationsbarrieren zu sein“.  Leistungsträger müssen gewährleisten, dass „die zur Ausführung von Sozialleistungen erforderlichen sozialen Dienste und Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen“. Sie müssen außerdem dafür Sorge tragen, dass Leistungsberechtigte „die ihnen zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhalten“ (vgl. § 17 SGB I).

Ausgehend von diesen Kernvorschriften möchten wir die folgenden Empfehlungen aussprechen. Wir möchten außerdem anmerken, dass eine ähnliche Situation bei anderen Sozialleistungsträgern, insbesondere dem Sozialamt und der Ausländerbehörde vorliegt – vor allem bei Letzterer „brennt“ es erheblich. Daher wäre es wichtig, dass Politik und Verwaltung auch dort entsprechende Schritte einleiten.

 

  1. Die Eingangszonen müssen geöffnet werden
    1. Zur persönlichen Vorsprache, da
  • bei manchen Betroffenen so akuter Geldmangel besteht, dass kein Handyguthaben mehr vorhanden ist, in manchen Fällen nicht einmal ein funktionstüchtiges Telefon;
  • einige Betroffene ein direktes Gegenüber benötigen, um sich verständlich ausdrücken und ihr Anliegen äußern zu können.
    1. Zur beweissicheren Abgabe von Unterlagen:

Hierfür ist es wichtig, dass die Betroffenen für den Eingang der Unterlagen Eingangsbestätigungen bekommen. Eine beweissichere Abgabe ist zwingend notwendig zur Wahrung der Rechte von Betroffenen.

Die Abgabe der Unterlagen ist daher mit einem Stempel zu bestätigen, nachdem diese durch eine*n Jobcentermitarbeiter*in eingescannt wurden. So wurde es auch vor der Schließung der Eingangszonen gehandhabt.

Zum Schutz der Mitarbeitenden und der Betroffenen müssen entsprechende Vorkehrungen getroffen werden. Zusätzlich zu Plexiglaswänden, Maskenpflicht, Desinfektionsmitteln und Abstandsmarkierungen, sollten Menschen vor Ort sein, die einen geregelten Zugang gewährleisten.

 

  1. Telefonische Erreichbarkeit und Mailverkehr

Das Jobcenter muss in den genannten Telefonzeiten telefonisch erreichbar sein. Wenn es der Sachbearbeitung nicht möglich ist an das Telefon zu gehen, sollte sich ein Anrufbeantworter einschalten, auf dem eine Nachricht hinterlassen werden kann. Innerhalb eines Tages sollte dann zurückgerufen werden.

Sind Mitarbeitende des Jobcenters per E-Mail nicht erreichbar, muss es eine automatische Weiterleitung von Mails an eine Vertretung geben. Mails sollten innerhalb von zwei Tagen beantwortet werden, in Notlagen innerhalb von einem Tag.

 

  1. Ausbau digitaler Kommunikationsmöglichkeiten

Wir begrüßen ausdrücklich die bisher geschaffenen neuen Kommunikationswege. Ein weiterer Ausbau und die Modernisierung der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten sollte weiterhin forciert werden. Wir empfehlen dazu die Einführung des Kommunikationssystems NW-digital das eine verschlüsselte Kommunikation zwischen Leistungsberechtigten und Behörde ermöglicht. Bürger*innen können über die Plattform kurzfristig Dokumente mit dem Smartphone fotografieren und in die Akte hochladen. Es ist außerdem möglich, Weiterbewilligungsanträge online zu stellen. Die Einführung eines solchen Systems, zusätzlich zur Abgabe von Papierunterlagen, wäre ein echter Nutzen für alle Seiten.

Andere Jobcenter nutzen die Software bereits erfolgreich (https://www.neue-wege.org/nwdigital/)

  1. Vereinfachte Antragstellung: Leistungsgewährung in der Regel binnen zwei Wochen

Das Jobcenter Wuppertal sollte es sich zur Aufgabe machen, dass es von der erstmaligen Antragstellung bis zur Leistungsgewährung in der Regel nicht länger als zwei Wochen dauert.

Die vereinfachte Antragstellung nach § 67 SGB II ist Teil der gesetzlichen Vorschriften im Umgang mit der Coronapandemie. Im Alltag des Jobcenters Wuppertal findet diese so gut wie keine Anwendung. Die zwei-Wochen Regel ist aus dem Gesetz ablesbar (§ 41a Abs. 1 Nr. 1 SGB II, § 42 Abs. 1 S. 2 SGB I und § 67 SGB II) und könnte zumindest bis zu einer vorläufigen Entscheidung behördenintern als Zielvorgabe gesetzt werden.

Diese Zielvorgabe sollte zumindest dann gelten, wenn die Antragstellenden einen akuten Bedarf geltend machen.

Eine zum Teil über Monate dauernde, immer wieder verzögerte Antragstellung ist bei existenzsichernden Leistungen nicht vertretbar und führt zu gravierenden Problemen wie Verschuldung, Wohnraumverlust, Energielosigkeit und massiven psychischen Problemen.

Das gesetzliche Instrumentarium ist da, es muss in Wuppertal als Zielvorgabe eingeführt und auch während der Corona-Pandemie umgesetzt werden.

               
Tacheles e.V., Wuppertal, den 15. April 2021

https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/aktuelles/d/n/2769/

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