Kirche im Jugendknast

Zwei Jahre Pandemie - das hat auch im Gefängnis Spuren hinterlassen. In der JVA Ronsdorf wenden sich viele Jugendliche an die Seelsorger Jönk Schnitzius und Ulrike Hollander.

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Zwei Jahre Pandemie – das hat auch im Gefängnis Spuren hinterlassen. In der JVA Ronsdorf wenden sich viele Jugendliche an die evangelischen Seelsorger Jönk Schnitzius und Ulrike Hollander.

Die Coronazahlen sinken, die strikten Auflagen sind gelockert und viele Menschen feiern gerade ihre neue Freiheit. Was macht das mit den Jugendlichen, die hinter Gittern sitzen?

Jönk Schnitzius: Für sie gelten die Corona-Lockerungen noch nicht. Nach wie vor birgt jeder Kontakt nach draußen die Gefahr, dass das Virus in die Anstalt geschleppt wird. Daher muss jeder Inhaftierte, der neu in die JVA kommt, erstmal für 14 Tage in Quarantäne. Besuch ist nur in sehr begrenzter Zahl und mit negativem Test gestattet. Er findet dann mit Maske hinter einer Trennscheibe statt. Die Jugendlichen dürfen Familienangehörige, die sie besuchen, nicht umarmen – schon seit über zwei Jahren. Viele vermissen das sehr und warten darauf, dass auch dies bald wieder möglich ist. Zumindest haben sie inzwischen die Möglichkeit, 15 Minuten pro Tag über ein Kartentelefon auf dem Zellenflur mit ihrer Familie zu telefonieren. Und es finden auch wieder Schule und Ausbildung bis 15.30 Uhr statt.

Ulrike Hollander in der JVA-Kappelle

Gelten Kontaktbeschränkungen auch für die Seelsorge?

Ulrike Hollander: Nein, zum Glück nicht. Wenn Jugendliche uns um ein Gespräch bitten – wofür im Gefängnis ein Antrag gestellt werden muss – holen wir sie in ihrer Zelle ab und gehen mit ihnen in unser Büro oder die Kapelle. In der gesamten Coronazeit haben wir jeweils drei Gottesdienste am Wochenende gefeiert. Allerdings war und ist die Teilnehmerzahl auf maximal 20 Jugendliche aus einem Hafthaus beschränkt, die dann mit Abstand in unserer Kapelle sitzen.

Viele Jugendliche haben eine Idee davon, was Glaube ist, aber keine Erfahrung mit Kirche.

Wie intensiv haben die Jugendlichen Ihr Angebot an Gottesdiensten und Gesprächen genutzt?

Jönk Schnitzus: Unsere Gottesdienste waren gut besucht. Interessanterweise wollen die Jugendlichen einen klassischen Gottesdienst mit Liturgie, Liedern, Predigt, Gebeten und Segnung. Sie schätzen Rituale und eine verständliche, klare Sprache. Im Gottesdienst möchten sie vor allem zur Ruhe kommen. Viele haben eine Idee davon, was Glaube ist, aber keine Erfahrung mit Kirche. Sie begegnen uns offen und frei von Vorurteilen.

Ulrike Hollander: Anders als im Erwachsenenvollzug erleben wir hier viele Jugendliche, die ihre Haft als gerechtfertigt ansehen und ein klares Gefühl für ihre Schuld haben und darüber mit uns reden möchten. Jede Woche erhalten wir mehrfach die Bitte für ein Gespräch. Die Jugendlichen haben viele Fragen zu Gott, Glaube und Gebet. Sie wollen ein anderes Leben führen, wenn sie aus dem Gefängnis kommen. Wie das aussehen kann, ist häufig ein Gesprächsthema. Aber in der Coronazeit haben sich viele auch Sorgen um ihre Familien gemacht, sich einsam gefühlt und deshalb an uns gewandt.

Nach wie vor ist die Pandemie für alle ein großes Thema, sodass wir als Seelsorger insgesamt mehr gefragt sind.

Gefängnisseelsorger Jönk Schnitzius

Unter den inhaftierten Jugendlichen gibt es viele Muslime. Wenden sie sich auch an Sie?

Jönk Schnitzius: Ja, sie können genauso zu uns kommen wie alle anderen. Es gibt in der JVA aber auch einen Imam, der zehn Stunden in der Woche für Gespräche zur Verfügung steht. Allerdings sind wir die einzigen Menschen in der JVA, die unter Schweigepflicht stehen. Das ist für die Jugendlichen ein ganz entscheidender Aspekt, sich an uns zu wenden. Wir sind nicht Teil des Gefängnissystems. Wir sehen in den Jugendlichen nicht den Straftäter, sondern den Menschen, dem wir mit Wertschätzung begegnen.

Als Seelsorger sind Sie für alle da – auch für die Angestellten. Nutzen diese das ebenso wie die Jugendlichen?

Ulrike Hollander: Wir führen weniger Gespräche mit den Mitarbeitenden als mit denjenigen, die hier einsitzen. Doch auch Angestellte suchen das Gespräch mit uns – etwa, wenn sie den Eindruck haben, dass ein Inhaftierter selbstmordgefährdet ist oder wenn es tatsächlich einen Suizid gab. Nach wie vor ist die Pandemie für alle ein großes Thema, sodass wir als Seelsorger insgesamt mehr gefragt sind.

Zur JVA Wuppertal-Ronsdorf:

Dort sind jugendliche Straftäter zwischen 14 und 24 Jahren inhaftiert. Es gibt 510 Haftplätze, von denen derzeit rund 370 belegt sind. In der 2011 neu eingerichteten Haftanstalt gibt es nur Einzelzellen. Die Jugendlichen können dort ihren Schulabschluss nachholen und eine Ausbildung machen. Jönk Schnitzius und Ulrike Hollander arbeiten seit 2011 als evangelische Gefängnisseelsorger in der JVA Ronsdorf. Sie haben noch zwei katholische Kollegen.

Gespräch und Fotos: Sabine Damaschke, Teaserfoto: pixabay

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