Für einen Erinnerungsort für jüdische WiderstandskämpferInnen aus Wuppertal

Wir möchten unseren Antrag vom 25.1.2016 erneuern, der sich für die Einrichtung eines Erinnerungsortes für jüdische WiderstandskämpferInnen aus Wuppertal einsetzt.

 

Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V
www.gedenkbuch-wuppertal.de
www.wuppertaler-widerstand.de



Bürgerantrag an die BV Elberfeld vom 21.10.2016


Wir möchten unseren Antrag vom 25.1.2016 erneuern, der sich für die Einrichtung eines Erinnerungsortes für jüdische WiderstandskämpferInnen aus Wuppertal einsetzt.
 
„Wir beantragen die Benennung der unbenannten Grünanlage links der Josefstraße in „Rita- und Izchok Gerszt-Park“ und regen gleichzeitig die Einrichtung eines Erinnerungsortes für jüdische WiderstandskämpferInnen aus Wuppertal an. Deren Lebensgeschichten sollen auf Informationstafeln und auf einer speziellen Website dokumentiert werden. (…) Nur wenig bekannt ist aber, dass sowohl in den Wuppertaler Widerstandsgruppen als auch im Exil zahlreiche jüdische WuppertalerInnen engagiert waren. Diese Menschen lebten und kämpften in doppelter Gefahr, bedroht als politische WiderstandskämpferInnen und als jüdische Menschen. (…) Weitere im Park zu ehrende jüdische WiderstandskämpferInnen wären z.B. Richard und Rita Barmé, Helmut Hirsch, Rudolf Zuckermann, Leo Zuckermann, Max Löwenstein, Siegmund Löwenstein, Jankel Adler, Moritz Adler, Oswald Laufer, Jacob Gilberg und Alfred Benjamin.“


Am 15. April 2016 konnte erfreulicherweise der „Rita und Izchok Gerszt-Park“ mit Angehörigen der Familie Gerszt eingeweiht werden. Jetzt möchten wir gerne mit der Installierung der einzelnen Gedenktafeln beginnen. Die Tafel für Rita und Izchok Gerszt hatten wir am Einweihungstag bereits der Öffentlichkeit präsentiert (siehe Anlage), für den 25. Oktober 2016 werden wir um 17.30 Uhr im Gerszt-Park eine zweite Tafel, diesmal über die Brüder Zuckermann, im Beisein der Familie Zuckermann aus Frankreich, der Öffentlichkeit präsentieren. Die Familie Zuckermann wird auch an der Ausstellungseröffnung „Spanien war ihre Hoffung – Lebensgeschichten Wuppertaler Spanienkämpfer“ in der ehemaligen Konsumgenossenschaft Vorwärts in der Münzstraße teilnehmen.
Unser dritter Tafelvorschlag soll dann am Holocaust-Gedenktag am 27.1.2017 vorgestellt werden. Auf dieser Tafel sollen Rita und Richard Barmé gewürdigt werden.


Antrag:
 
Wir bitten die BV daher, sich mit den Biographien der zu ehrenden jüdischen WiderstandskämpferInnen zu befassen und einen Beschluss herbeizuführen, dass die jüdischen WiderstandskämpferInnen Rita und Izchok Gerszt, Leo und Rudolf Zuckermann, Rita und Richard Barmé im öffentlichen Raum im Elberfelder „Rita und Izchok Gerszt Park“ gewürdigt werden und inhaltlich und künstlerisch geeignete Informationstafeln im Park aufgestellt werden dürfen. Genauere Text- und Layout-Fragen sollten bei der Umsetzung mit städtischen Stellen geklärt werden.


Einladung zur Diskussion
 
Die Frage nach einem eigenen Erinnerungsort für jüdische WidertstandskämpferInnen aus Wuppertal möchten wir zusätzlich auf einer Veranstaltung mit Prof. Micha Brumlik am 1. Februar 2017 um 19.00 Uhr in der Citykirche Elberfeld öffentlich diskutieren.
Zu dieser Veranstaltung möchten insbesondere die Mitglieder der BV-Elberfeld herzlich einladen.
Eine Entscheidung bis zum zum nächsten Befreiungtag am 16. April 2017 würden wir sehr begrüßen.



Rudolf Zuckermannleo-zuckermann-jw

 



Anhang:
Erinnerungsort für jüdische WiderstandskämpferInnen aus Wuppertal

In Erinnerung an die Widerstandskämpfer Leo und Rudolf Zuckermann.



Die Geschichte von Rudolf Zuckermann und Leo Zuckermann ist nicht nur „ein dramatischer Stoff aus der Hochzeit des Kalten Krieges“ (Wolfgang Kießling) und des Stalinismus, sondern zugleich auch die Geschichte von zwei überzeugten jüdischen Kommunisten im Kampf gegen den Nationalsozialismus.

Die Brüder Leo (geb. 1908) und Rudolf Zuckermann (geb. 1910) wuchsen zusammen mit ihrer Schwester Dora (geb. 1928) in dem jüdischen Elternhaus von Samuel und Sophie Zuckermann geb. Maus in Wuppertal-Elberfeld auf. Die Familie war 1905 aus Lublin ausgewandert. Der Vater betrieb in der Luisenstraße 124 ein Nähmaschinengeschäft, in dem er Nähmaschinen verkaufte und reparierte.


Die Brüder waren sehr unterschiedlich. Der Ältere, Leo, interessierte sich schon als Schüler für Politik. Er war seit 1924 in der SAJ, seit 1927 in der SPD und im Reichsbanner organisiert. Während seines Jura-Studiums in Bonn arbeitete in der Leitung der Kommunistischen Studentenfraktion (Kostufra) mit und trat zur KPD über. Rudolf, der an der gleichen Oberrealschule wie Leo sein Abitur machte, wollte eigentlich Architekt werden. An einer Schule nahm er Unterricht in Formlehre und Kopfzeichnen. Er liebte Musik und bildende Kunst. Erst der väterliche Rat brachte ihn zum Medizinstudium.
Leo kehrte nach seiner Promotion 1932 nach Wuppertal zurück, um sein Referendariat bei der Staatsanwaltschaft in Wuppertal anzutreten. In diesem Jahr übernahm er auch die politische Leitung des Jüdischen Arbeiterkulturvereins in Wuppertal.

Rudolf konnte sein Medizinstudium nicht mehr in Deutschland abschließen. Nach dem Reichstagsbrand emigrierten beide Brüder nach Frankreich. Auch die Mutter und Schwester flohen aus dem Machtbereich der Nazis in die Nähe von Paris. Nur der Vater wollte vorerst die Stellung in Nazi-Deutschland halten. In Paris trafen sich die beiden Brüder wieder, auch hier gingen sie wieder sehr unterschiedliche Wege. Rudolf setzte sein Medizin-Studium in Paris und dann später in Basel fort, während Leo juristischer Berater der KPD-Landesleitung wurde, und in dieser Funktion unter dem Decknamen Leo Lambert wichtige Funktionen im Pariser Exil bekleidete: Er war zunächst Mitarbeiter beim »Verteidigungskomitee für die Angeklagten im Reichstagsbrandprozeß«, später auch Sekretär im »Weltkomitee gegen Faschismus und Krieg«. Als Jurist war er für das „Hilfskomitee für deutsche Emigranten in Paris, als Sekretär des Internationalen Asylrechtsbüros, als Mitglied der Flüchtlingskommission beim französischen Innenministerium und im Beirat des Hohen Kommissars für Flüchtlinge beim Völkerbund in Genf tätig. In Paris lernte Leo auch seine spätere Ehefrau die Französin Lydia Staloff kennen.

Rudolf hatte im Januar 1937 in Basel sein Studium mit einer Promotion abgeschlossen. Er meldete sich für den Einsatz bei den Internationalen Brigaden und war zunächst als Regimentsarzt tätig, später wurde er dem Garibaldi-Bataillon der XII. IB zugeteilt. Bei dieser Einheit erlebte er den direkten Fronteinsatz u.a. an der Aragon-Front, an der Front von Estremadura und bei den Kämpfen am Ebro. Später arbeitete er u.a. im Sanatorium für Interbrigadisten in Madrid. Nach der endgültigen Niederlage verließ er Spanien und wurde im Februar 1939 in St.-Cyprien interniert.

Leo Zuckermann erlebte den Kriegsbeginn am 1.9.1939 in den USA, um an einer Flüchtlingskonferenz teilzunehmen. Er wurde von seiner Partei nach Frankreich zurückgerufen. Zurück in Frankreich wurde er kurzzeitig interniert, dann aber wegen seiner französischen Ehefrau freigelassen.
Rudolf Zuckermann konnte das Internierungslager der Spanienkämpfer bereits nach 14 Tagen verlassen. Er fand Aufnahme bei seinem Bruder Leo und seiner Mutter. In Paris traf er auch Henny Schönstedt wieder, die er bereits von früher kannte und die er 1941 heiraten sollte.
Schließlich gelang es Leo und Rudolf, sich nach verschiedenen Internierungen über Marseille nach Casablanca abzusetzen. Im November 1941 verließen sie mit ihren Familien und anderen deutschen Flüchtlingen auf einem Schiff Nordafrika und emigrierten nach Mexiko.

Rudolf begann in Mexiko-Stadt als Arzt zu praktizieren und wurde quasi zum Hausarzt des deutschen Exils. Entscheidender für sein späteres Leben war 1945 seine Berufung als Forscher in die damals modernste Herzklinik der Welt, in das Instituto Nacional de Cardiologia.
Leo war als Anwalt tätig und engagierte sich in den diversen Exilorganisationen wie dem Heinrich Heine Club usw. und hielt auch Kontakt zur Jüdischen Gemeinde in Mexiko.
Zusammen mit Paul Merker setzte er sich für eine angemessene Entschädigung für die jüdische Opfergruppe ein, er entwarf später sogar ein Wiedergutmachungsgesetz für das neue demokratische Deutschland.


Dieses neue Deutschland nahm für die überzeugten Kommunisten im mexikanischen Exil in der SBZ bzw. in der DDR Gestalt an. Ende Mai 1947 verließ zunächst Leo Zuckermann mit einem sowjetischen Handelsschiff Mexiko. Im gleichen Jahr erhielt Rudolf Zuckermann eine erste Einladung aus Ostberlin und ein Angebot für einen Lehrstuhl. Er folgte dem Ruf aber nicht, weil er noch mit wichtigen Forschungsarbeiten beschäftigt war, und um abzuwarten, welche Erfahrungen sein Bruder Leo machte, der sehr schnell politische Karriere als Berater der politischen Führung machte. Er war u.a. Mitautor der DDR-Verfassung. Nach der Gründung der DDR wurde er zum Staatssekretär und Leiter der Präsidialkanzlei des Präsidenten der DDR, Wilhelm Pieck ernannt. Spätestens Ende 1950 zogen aber auch in der DDR die dunklen Wolken des stalinistischen Antisemitismus  auf. Vor dem Hintergrund der Noel-Field-Affäre musste Leo Zuckermann aber 1950 wegen seiner Westemigration und seiner Kontakte zu Paul Merker seine Dienststellung bei Pieck aufgeben. Nach dem Slánský-Prozess Ende November 1952 in Prag, der mit 11 Todesurteilen gegen vorwiegend jüdische Angeklagte endete, und der Verhaftung von Merker wurde auch Leo Zuckermann parteioffiziell zu einem „zionistischen Agenten“ erklärt. Leo regierte schnell und flüchtete am 15.12.1952 mit seiner Familie nach Westberlin. Am Morgen des 22.12.1952 erhielt Rudolf Zuckermann in Mexiko-Stadt, ein Telegramm von Leo mit der Bitte um »Dringende Hilfe und Reisegeld.« In einem Brief an Rudolf formulierte er: »Ich musste mein Leben retten. Ich flehe Dich an, uns zu helfen. Ich habe noch nie etwas von Dir verlangt. Jetzt bist Du mein einziger Rückhalt. Ich bin verzweifelt und kopflos. Was soll ich eigentlich nun tun? Wir irren mit den Kindern durch die Straßen. Ich habe nur die Kleider am Leib. Ich will zu Dir nach Mexiko. Unterbrich Deine Arbeit. Nimm Schulden auf (…) . Ich werde sie abarbeiten.«


Im gleichen Zeitraum hatte sich gerade Rudolf Zuckermann in Mexiko zur Übersiedlung in die DDR entschlossen. Seine Frau Henny mit ihrem Sohn war schon im Juli 1952 vorab in die DDR eingereist. Trotz der Flucht seines Bruders und der schon laufenden Säuberungswellen gegen Juden und Westemigranten beharrte er im Januar 1953 auf seinem Beschluss zurückzukehren. Hilfsgesuche seines geflüchteten Bruders lehnte er brüsk ab und reiste aus Mexiko ab.

Bereits in Prag wurde Zuckermann festgenommen und in die DDR gebracht. Der Vorwurf der zunächst sowjetischen Vernehmer war, er wäre in die DDR gekommen, um das feindliche Werk seines republikflüchtigen Bruders fortzuführen und er hätte geplant, als Herz-Spezialist hohe Parteifunktionäre zu töten. Als Beweismittel dienten Medikamente und Injektionsnadeln aus seiner Arzt-Tasche. In der totalen Isolation der Haft sollte er seine Mordpläne gestehen. Nach Stalins Tod und dem 17. Juni 1953 veränderten sich die Verhöre. Am 20.8.1953 begann das MfS mit Zuckermann über seine Freilassung zu verhandeln. Er sollte eine Schweigeverpflichtung unterschreiben und sich als Geheiminformant des MfS verpflichten. Er willigte ein und wurde freigelassen. Er sollte sich nie mehr von diesem Alptraum erholen. Er blieb in der DDR, trat aber 1956 aus der SED aus. Schließlich konnte er doch noch an seine wissenschaftlichen Arbeiten in Mexiko anknüpfen.1957 habilitierte er sich und erhielt 1962 einen Lehrstuhl für Kardiologie in Halle. Seinen Bruder Leo, der über Westdeutschland wieder zurück nach Mexiko gegangen war, hat er nicht mehr wiedergesehen. Am 29.4.1995 ist Rudolf Zuckermann gestorben.

Leo Zuckermann arbeitete in Mexiko wieder als Anwalt, wurde Inhaber einer Schallplattenfirma und war zeitweise Gastprofessor an der Universität. Er starb am 14. November 1985 in Mexiko-Stadt.


Samuel Zuckermann, der seine Familie in Frankreich häufiger besucht hatte, kam nicht mehr rechtzeitig aus Deutschland heraus. Er wurde am 26.10.1941 nach Lodz deportiert und am 8.5.1942 in Kulmhof vergast. Auch Sophie Zuckermann fiel den Nazis zum Opfer. Sie wurde nach dem Einmarsch der Deutschen in Frankreich verhaftet und über Drancy am 11.11.1942 nach Auschwitz deportiert, wo sie wahrscheinlich am 16.11.1942 ermordet wurde. Die Schwester Dora hingegen überlebte versteckt bis zur Befreiung.


Literatur:



Karin Hartewig: Zurückgekehrt. Die Geschichte der jüdischen Kommunisten in der DDR, Köln u.a. 2000.


Wolfgang Kießling: Absturz in den kalten Krieg : Rudolf und Leo Zuckermanns Leben zwischen nazistischer Verfolgung, Emigration und stalinistischer Maßregelung. (Hefte zur DDR-Geschichte, 57). Helle Panke, Berlin 1999.


Wolfgang Kießling: Partner im Narrenparadies Berlin 1994.

Dieter Schwartze: Rudolf Zuckermann – Brückenbauer zwischen Europa und Lateinamerika – Ein Beitrag zur Entwicklung der Kardiologie in Deutschland, Halle 2010.

Dieter Schwartze: Zur Erinnerung an Rudolf Zuckermann (2. Oktober 1919 − 29. April 1995) Ärzteblatt Sachsen-Anhalt 10 (1999) S. 57.


Andreas Weigelt, Hermann Simon (Hg.): Zwischen Bleiben und Gehen. Juden in Ostdeutschland 1945 bis 1956. Zehn Biographien Berlin 2009.

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