27.05.2016

Das Ende, das ein Anfang war

Die dritte Wuppertaler Literatur Biennale ist am Dienstag mit Autor Frank Witzel und Moderator Hubert Winkels angelaufen. Startpunkt des literarischen Festivals war einmal mehr der Barmer Bahnhof.

Die dritte Wuppertaler Literatur Biennale ist am Dienstag mit Autor Frank Witzel und Moderator Hubert Winkels angelaufen. Startpunkt des literarischen Festivals war einmal mehr der Barmer Bahnhof, der in den vergangenen Jahren bereits mit seinem stilvollen Ambiente zu überzeugen wusste.

In „Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969“ finden spannende Verfolgungsjagden mit der Polizei und einer Wasserpistole im Handschuhfach statt, weil die Oma eines Kumpels die Flinte nicht rausrücken wollte – immerhin kann die Wasserpistole um die Ecke schießen. Ruhiger, wenn auch nicht weniger um die Ecke denkend, präsentierten sich die beiden Gastgeber dem Wuppertaler Publikum.

In Witzels Roman wird die ehemalige BRD mit den Augen eines 13-Jährigen betrachtet, der versucht, sich die politischen Umbrüche seiner Zeit zu erklären. Schwankend zwischen Erinnerungen an das Nachkriegsdeutschland und Vorahnungen in Bezug auf den Deutschen Herbst, stellt er die Wirklichkeit in Frage.

Frank Witzel liest im Barmer BahnhofFrank Witzel liest im Barmer Bahnhof ©Jan Budde

 

Frank Witzel, Preisträger des Deutschen Buchpreises 2015, stellte zu Beginn des Gespräches fest, dass Heimat als Kindheitskonstrukt immer auch Heimweh sei und nicht in Frage gestellt werde. Als Jugendlicher könne die Familie Gegnerschaft werden, sobald die Grenzen ausgetestet würden, merkte er an.

Vielleicht will sein Protagonist deswegen auch gar nicht erwachsen werden. Und trotzdem versucht der Puer aeternus (der ewig Jugendliche), der nicht immer der Konsequenz der Dinge folgen will, zu verstehen. Die prägenden Institutionen der Jugend versagen und so wird die Fiktion (die Erfindung) Mittel zum Zweck, um die Realität erklärbar – ja zugänglicher zu machen.

Fast 15 Jahre schrieb Witzel an seinem 800 Seiten starken Roman, bediente sich allerlei Textgattungen und vollzog gleichzeitig eine autofiktionale Entwicklung, die in einem Geständnis auf der Bühne im Kreuzverhör durch Hubert Winkels zu enden schien: „Ich merke gerade, wie das ist, wenn man sich nicht selbst die Fragen stellt (wie im Roman Anm.d.Red.) (…), da muss ich ja was Persönliches preisgeben. Wissen Sie, ich bedauere dieses Buch abgeschlossen zu haben. Es würde eher zu mir passen, wenn ich dieses Buch nicht abgeschlossen hätte. (…) Ich habe alles schon in dieses Buch gepackt. Da kriege ich jetzt leicht Panik und mein Geist arbeitet gerade daran, wie ich da wieder rauskomme.“

Auch wir bedauern das Ende, aber das Ende des gestrigen Abends und werden dessen Wert möglicherweise erst im Nachklang wirklich verstehen, wenn klar wird, dass dieser Roman nicht das Ende, sondern erst der Anfang war, nämlich der Zugang zur „Utopie Heimat“.

 

Jan Budde

Student der Buchwissenschaft und Germanistik an der Johannes-Gutenberg Universität Mainz

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