LOKstoff im Vohwinkler Bahnhof

In den sonst verschlossenen Räumen des Vohwinkler Bahnhofs haben am vergangenen Wochenende 19 Kunststudenten der bergischen Universität Wuppertal während der WOGA ihre Arbeiten ausgestellt. Eine Reise zum Eigentlichen.

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Abgeranzt, muffig, verfallen, verwahrlost, morbide, schimmelig – das sind die Hinterräume des alten Bahnhof Vohwinkel heute. Es riecht nach gelebten Leben, im Keller gar nach ordentlich Verdautem. Kurz und drastisch – es stinkt nach Scheiße. Gesund ist das alles nicht, aber Künstler lieben es, ihre Arbeiten an solchen Orten, in einen unerwarteten Kontext zu stellen und damit zu experimentieren. Die Lust am Morbiden ist gleichzeitig die Lust nach Erfahrungserweiterung und Grenzüberschreitung und die Chance die eigene Position neu betrachten zu können und weiter zu entwickeln. Der für den „normalen“ Bürger erschreckende, verlassene städtische Raum ist der ideale Ort zur Auseinandersetzung mit dem Vergänglichen, dem Wandel, dem Unbewussten, den Begierden und dem Störenden – den Dingen, die in einer Welt der schachspielenden Schmidts und Steinbrücks und EFSF’s keinen Platz mehr zu haben scheinen. Die Auseinandersetzung damit aber umso dringlicher erscheint, je weiter sich die westliche Welt von solchen Themen entfernt und zu einem virtuellen Raum zu werden scheint, in der Hybris und Verdrängung suggerieren, dass nur eine Platine ausgetauscht werden muss, damit das System wieder rund läuft. Memento mori – gedenke dass Du sterblich bist – dieses Thema wurde im Vohwinkler Bahnhof auf vielerlei Arten durchdekliniert.

Z.B. in der Arbeit von Laura Ohlsdorf. Sie nutzt alte Familienfotos ihr unbekannter Menschen, die sie sammelt und bewahrt Fragmente ihrer Geschichte, indem sie sie als Vorlagen für Ihre Bilder nutzt, oder Sarah Papst die mit eindringlichen Fotografien das mühselige Leben bolivianischer Frauen fest hält. Auch wenn der Besucher im Keller mit dem schmatzenden Geräusch eines auf einem Video festgehaltenem Kauenden empfangen wird oder in einem Raum Weckgläser mit Artefakten findet, die an die Tradition der Wunderkammern erinnern, in denen Absonderliches und Kurioses gesammelt und aufbewahrt wurde, wird er an Tod und Transformation erinnert.

Der Zustand des Vohwinkler Bahnhofs mit seinen zerbrochenen Scheiben, seinen feuchten Flecken an den Wänden, den fast blinden Fenstern, den zerfallenden Innenhöfen, in denen die ersten Pionierpflanzen ihren Raum zurückerobern und nach und nach die Natur wieder einzieht, unterstützen den Eindruck sich direkt in einem Zersetzungsprozess zu befinden.

So ergänzen sich künstlerische Position und Raum auf kongeniale Weise und machen die Ideen und Vorstellungen erleb- und erfahrbar. Der Besucher hat nach Verlassen des Bahnhofs eine Reise gemacht und kommt verändert zurück. Das Interesse an solchen Erfahrungen scheint groß, denn die Ausstellung war gut besucht; auch wenn so mancher versuchte, ironische Distanz zum Thema zu bewahren. Eine Reihe von aquarellierten erigierten Penisporträts veranlasste eine feine ältere Dame zu dem laut geäußerten Kommentar : „Och guck mal Herrman, da ist deiner“.

Die Ausstellung „Lokstoff“ von 19 Kunststudenten der Bergischen Universität Wuppertal im Rahmen der Woga haben den Vohwinkler Bahnhof zu neuem Leben erweckt. Mehr davon.

Ein kleiner Film zur Ausstellung:
http://canantercan.wordpress.com/

Fotos: Wilma Schrader

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