Tja, Freunde – Kultur ist nicht einfach!

Von Fassunglosigkeit bis Euphorie - das Festival Plastic Zu Zu ist vorbei. Als Nachlese ein Schreibtrialog per Piratenpad mit Iris Pankin und Charles Petersohn

Foto: Daniel Schmitt

Lieber Charles ich hoffe Du hast eine erfolgreiche Veranstaltung hinter Dir! Bist Du zufrieden?

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Ich bin sehr zufrieden. Alle Künstler haben mit ihren Performances zum Ausdruck gebracht, dass sie große Lust auf dieses Wochenende haben. Sie haben das Festival und das Publikum teilweise beschenkt und teilweise mit kontroversen Beiträgen provoziert. Die Tanz-Crew „Liaison Fritz“ war für das Publikum wohl der Höhepunkt des Festivals. Bei drei so interessanten und kreativen Köpfen kaum ein Wunder.

Der Film Space Is The Place war dann einigen Nerds vorbehalten.

Traurig muss ich sein, weil am Freitag und Samstag die DJs nicht zum Zug kamen. Die Angst, die Zukunft der Shakespeare Live Akademie zu gefährden, war dann leider, aber verständlicher Weise, zu groß. Und ein Fest, bei dem ich die Regie führen darf, ohne After Hour Party ist eigentlich undenkbar.
Trotzdem bin ich sehr zufrieden. PLASTIC ZU ZU hat eine komplett positive Energie zum Ausdruck gebracht. Das war jederzeit spürbar, die Atmo in der Akademie war außergewöhnlich. Ein wenig geheimnisvoll, es gab jede Menge zu entdecken, nicht nur auf der Bühne.

Sind genug Leute da gewesen?

Freitag war der Laden pickepacke voll. Der Mix des Publikums war sehr angenehm. Jung, alt, stilübergreifend und ausnahmslos neugierige Gäste, die Lust hatten, etwas Besonderes zu erleben.

Samstag und Sonntag hätten viel mehr Leute kommen können. Die beiden Abende waren den Familien und den Fans vorbehalten. Das Wetter am Wochenende war einfach zu gut und einen Film wie SPACE IS THE PLACE habe ich nicht gezeigt, um den Laden voll zu kriegen, sondern weil es mir ein Bedürfnis war.

Die Sonntags-Familie und einige Jazz-People haben der Planet Alien Band das Gefühl vermittelt, dass sie heiß auf außergewöhnliche Musik und Space-Chants sind. Dieser Funke ist übergesprungen.

Der Eintopf der Biosophie war köstlich und auch das Graffiti Gemälde von Michael Walmsley war ein Erlebnis, denn es wuchs von Stunde zu Stunde!

Foto: Daniel Schmitt

Wie waren Sie Deine geladenen Bands? Alle in Hochform, bzw. wer war herausragend für dich?

Alle vier Musik-Projekte waren komplett unterschiedlich, wenngleich sich hier und da Schnittmengen ergaben. Es gab tollen Elektro-Pop von Alice Rose, sie hat die Leute mit auf ihre Reise genommen. Iris Panknin ist eine echte Sympathieträgerin, hat das elektronische und teilweise sehr experimentelle Backing von Moodi Allen mit all ihrer Erfahrung und ihrem souligen Organ mit Leichtigkeit gemeistert. Sie war viel mehr, als eine Gastsängerin. An manchen Stellen hat es auf der Bühne geknistert.

Die Silent Mystery mit Achim Kämpers Noises und Beats, Alfonso Gravinas Hang, Djembe und Didgeridoo und die Lichtexperimente von Tobias Daemgen haben mir persönlich auf der Bühne ein bisher nicht gekanntes Gefühl von Freiheit und Entspanntheit beschert. Bis dahin wusste ich nicht, dass das Klavier ein so wunderbares Percussions-Instrument ist.

Wir haben uns in aller Ruhe und mit aller Entschlossenheit gegenseitig gepusht. Die Stimmung, die bei dieser Session ohne jede Absprache spontan entstanden ist, war gewaltig. Bei der Planet Alien Band hatte ich das Gefühl, bei einer Gospel-Messe dabei zu sein. Die Chöre, die alle fünf Musiker ohne Mikrofone sangen, übertrugen sich ins Publikum. So muss es sich in einer Gospel-Church anfühlen. Die Band hat die Originale von Sun Ra sehr eigen und spannend umgesetzt. Der Begriff Cover-Band wird dieser Musik nicht gerecht. Das war mehr, weitaus mehr.
Wie war die Stimmung?

Die Lichtkunst von DAS MOMENT und der RAUMZEITPIRAT Tobias Daemgen haben der Akademie einen besonderen optischen Reiz vermittelt. Es ist Club-Atmosphäre entstanden. Alle, an der Kasse, am Tresen, an den Reglern und auf der Bühne, waren konzentriert und engagiert und hatten Lust auf ein besonderes Wochenende. Das hat sich übertragen und war stets präsent.

Foto: Daniel Schmitt

Wie war die Reise auf die Charles euch geschickt hat?

Iris Pankin: Spannend, aufregend, eindrucksvoll, neu, voller Inspiration und positiver Energie. Danke Charles!

Wie war der Ort? Die Shakespeare live Akademie ist ja speziell. Sie liegt in einem Innenhof eines Gebäudekomplexes in dem auch Mieter schlafen wollen. Konntet ihr euch entspannt bewegen?

Iris Pankin: Die Shakespeare live Akademie ist eine besondere Location, nicht einfach aber sehr sympathisch.

Charles: Die Situation war speziell. Das Festival war allerdings so gut organisiert, dass die Nachbarn entspannt bleiben konnten. Für viele Besucher war es das erste Mal, dass sie die Shakespeare Live Akademie besucht haben. Also gab es einiges zu entdecken. Generell verleihen ehemalige Industriegebäude und Werkstätten einer Veranstaltung ein besonderes Flair, und in Wuppertal gibt es eben viel mehr solcher Orte, als in manch‘ anderer Stadt. Im Vorfeld wurden wir oft gefragt, wo die Akademie ist, wo die Treppenstrasse! Das hat sich jetzt herumgesprochen – mitten in der Stadt und am Fuße des Arrenbergs!

Hat die ‚Festivalkomposition‘ Euch neue Erkenntnisse gebracht? Die Zusammenstellung war ja auch ein Experiment – mit lohnenswertem Ausgang?

Iris Pankin: Es war eine große Freude mitzuerleben, wie selbstverständlich die unterschiedlichsten Künstler, die sich teilweise vorher noch nie begegnet sind, kommuniziert haben. Nicht nur musikalisch sondern alle Sinne triggernd. Eine großartiger Mix, voller Impulse für Neues.

Foto: Daniel Schmitt

Wie bewertet ihr das Festival im Kontext anderer Veranstaltungen in Wuppertal? Gibt es vergleichbares?

Iris Pankin: Für mich war Plastic ZU Zu horizonterweiternd, das passt gut in diese Stadt, Wuppertal hat Experimenten immer Raum geboten.

Gab es Unerhörtes? Auch im Kontext zu dem was den aktuellen Musikbetrieb so treibt! (interessiert der Euch überhaupt?)

Iris Pankin: Eine der wichtigsten Botschaften, die solch ein Festival für jeden bietet – auch für die, die vielleicht noch keinen Zugang haben -, ist: Es gibt viel mehr als das, was der aktuelle Musikbetrieb bereit hält.

Ehrlich : Wenn ihr etwas kritisieren wuerdet was wäre das – frei nach dem Motto nur Freunden gibt man eine ehrliche Kritik?!

Iris Pankin: Ich würde mir wünschen, dass auch Akademie-Nachbarn die Bedeutung des Festivals erkennen und mit Spaß und Neugierde, vielleicht sogar Stolz, daran teilhaben.

Was habt ihr als Resonanz aus dem Publikum wahr genommen?

Iris Pankin: Das gesamte Spektrum von Fassungslosigkeit bis Euphorie! … Ein diplomatisches Besucherzitat: „Tja, Freunde – Kultur ist nicht einfach!“

Daumen hoch bzw . fortsetzen oder ein einmalig, einmaliges Event?

Iris Pankin: Zwei Daumen hoch, mehr habe ich nicht! Dieses Wochenende macht Lust auf mehr.

Charles: Dieses Wochenende macht Lust auf mehr. Wenn es gelingt, erneut außergewöhnliche Projekte zusammen zu stellen und zu engagieren, wird PLASTIC ZU ZU keine Eintagsfliege bleiben. Und das Dessert, die Afterhour-Party ist dann Pflicht, nicht Kür.

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