Gedenkjahr 1944 – Verschleppt zur Zwangsarbeit nach Wuppertal

Wir wollen in diesem Jahr insbesondere an die Verbrechen an den Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangenen in Wuppertal erinnern, die sich zum 80. Mal jähren.

Wir laden daher die Wuppertaler Öffentlichkeit zu speziellen Projekttagen und Exkursionen in die betroffenen Stadtteile ein. Zudem möchten wir auf weitere Veranstaltungen zur NS-Geschichte und zur Geschichte der Arbeiter:innenbewegung hinweisen, die unser Geschichtsverein in Kooperation mit anderen Trägern anbietet.

Die Gruppe der Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangenen war in Wuppertal nach den jüdischen Opfern die zweitgrößte Opfergruppe mit mindestens 1.078 Toten. Insbesondere im Jahr 1944 spitzte sich die Lebenssituation der nach Nazi-Deutschland verschleppten „Ausländer:innen nochmal deutlich zu. Wuppertal war in weiten Teilen nach den Bombardierungen im Sommer 1943 ein Trümmerfeld. Während ein Teil der Wuppertaler Zivilbevölkerung nach Thüringen und in andere Landesteile evakuiert wurde, mussten die etwa 30.000 ausländischen Menschen im Bombenkrieg unter Lebensgefahr weiter ausharren und zwangsarbeiten. Viele starben durch die Luftangriffe und auch an Krankheiten und Unterernährung. Allein im Durchgangslager Giebel starben 109 Zwangsarbeitende, unter ihnen waren 40 Kinder. 1944 begann die Gestapo auch mit den ersten Hinrichtungen von Zwangsarbeitern im Burgholz und in einem Waldstück bei Wülfrath. Von 1943 bis 1944 existierte in der Grundschule Königshöher Weg ein KZ Außenlager von Buchenwald, deren Insassen die Enttrümmerung der zerstörten Stadtteile übernehmen mussten.

Im Oktober 1944 wurden 1.000 junge Niederländer aus der Gegend um Venlo bei großen Kirchenrazzien festgenommen und zur Zwangsarbeit ins Durchgangslager Giebel in Wuppertal verschleppt. Ebenfalls über 3.000 meist junge Männer wurden am 30. Dezember 1944 von der Wehrmacht in Roermond gekidnappt und auf einem Fußmarsch nach Dülken geschickt. Auch diese Menschen landeten zur Zwangsarbeit in Wuppertal bzw. im Lager Giebel. Das Jahr 1944 endete dann mit der Bombardierung von Vohwinkel und einem Massaker an 6 sowjetischen Kriegsgefangenen am Vohwinkler Bahnhof.

Unser Geschichtsverein „Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal“ möchte in diesem Gedenkjahr an diese Ereignisse erinnern und lädt zu verschiedenen Veranstaltungen und Exkursionen in Kooperation mit Arbeit und Leben Berg-Mark, der Bergischen VHS, mit der VVN-BdA Niederberg, dem Vorbereitungsteam Gedenkveranstaltung 8. Mai am Friedhof Norrenberg und weiteren Partner:innen ein.

Das Projekt Gedenkjahr 1944 wird finanziert u.a. aus Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie Leben!“.

 

 

Veranstaltungsreihe 1. Halbjahr 2024

 

Termine:

 

 

8. Mai 2024 17:00 Uhr Friedhof  Norrenberg,Theodor-Fontane-Straße 52, 42289 Wuppertal-Heckinghausen

Mahn- und Gedenkveranstaltung an den Gräbern polnischer und russischer Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter:innen und Wuppertaler Bombenopfer

8. Mai 2024 19:00 Uhr Färberei, Peter-Hansen-Platz 1, 42275 Wuppertal  (im Anschluss an die Gedenkfeier am Norrenberger Friedhof )

Lieselotte Bhatia: Meine Spurensuche

Ein Abend mit Liselotte Bhatia

»Von Vohwinkel, Delhi, Dammam und zurück …« heißt der erste Text der sehr persönlichen Spurensuche von Lieselotte Bhatia. Er führt uns unter anderem nach Indien und Saudi-Arabien. Der zweite Text dokumentiert Lieselotte Bhatias langjährige und anhaltende Spurensuche, vom Burgholz ins ukrainische Dnepropetrovsk, auf den Spuren ihres Vaters, des Kriminalpolizisten und verurteilten NS-Kriegsverbrechers Wilhelm Ober. Im dritten Teil des Buches werden ausgewählte Briefe von ehemaligen Wuppertaler Zwangsarbeiter:innen dokumentiert, die seit dem Anfang der 2000er Jahre brieflich in Kontakt zum Verein »Spurensuche-N.S.-Geschichte in Wuppertal« traten und Vertrauen fassten, ihre Leidensgeschichten aus der NS-Zeit zu erzählen.

10. Mai 2024 17:00 Uhr Treffpunkt: vor dem Stadtteilzentrum Heckinghausen, Heckinghauserstraße 195

Arbeiter:innen gegen Nationalsozialisten – Widerstand in Heckinghausen

VHS-Stadtführung mit Stephan Stracke

Das traditionelle Arbeiterquartier Heckinghausen und die Belegschaft von Bemberg waren lange Zeit die „Speerspitzen“ der Wuppertaler Arbeiter:innenbewegung im Kampf für erträgliche Arbeits- und Lebensbedingungen und im Kampf gegen die Nationalsozialisten. Insbesondere die Gegend um die Ziegelstraße entwickelte sich zu einer starken Hochburg der KPD.

Am Ende der Weimarer Republik, die Wirtschaftskrise sorgte für entsetzliche Notlagen in den Arbeiterfamilien, war Heckinghausen Schauplatz von bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen. Der Kampf gegen die SA und die Polizei wurde mit militanten Mitteln geführt, es kam Ende Mai 1932 zu Plünderungen von Lebensmittelgeschäften und zum Sturm auf das Wohlfahrtsamt, um gegen die (erneuten) Kürzungen der Fürsorgeleistungen zu protestieren. Mit Panzerwagen versuchte die Polizei die Gegend um die Ziegelstraße wieder unter staatliche Kontrolle zu bekommen. Ein Unbeteiligter wurde durch Polizeikugeln getötet.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlagerte sich der Widerstand in die Betriebe.
Insbesondere bei Bemberg entwickelten sich im Sommer 1934 starke illegale Gewerkschaftsgruppen, die Flugblätter und Betriebszeitungen erarbeiteten und verteilten. Es kam sogar zu einem Kurzstreik gegen die schlechten Arbeitsbedingungen. Ab Januar 1935 zerschlug die Gestapo die Gewerkschaftsgruppen bei Bemberg und in den anderen Betrieben und nahm über 1.900 Personen fest, die gefoltert und zur Aussagen gezwungen wurden. Ab November 1935 wurde den Widerstandskämpfer:innen in den sog. Wuppertaler Gewerkschaftsprozessen der Prozess gemacht. Auch viele Bemberg-Arbeiter:innen verschwanden in Gefängnissen und Konzentrationslagern.

Teilnahmebeitrag 5 €

 

11. Mai 2024 12:00 Uhr vor der Kleestraße 68/70 in Wuppertal-Heckinghausen

Gedenkfeier für die von der Gestapo erhängten Nikolai Rudakow, Peter Orlow und Wladimir Igumenko

Gedenkfeier mit anschließender Radtour von Heckinghausen nach Wülfrath-Rützkausen (20 km)

15:30 Uhr Wülfrath, Wilhelmstr. 189

Gedenkfeier an der Gedenktafel und anschließende Veranstaltung mit dem Historiker Rainer Köster im WIR-Haus. (in Kooperation mit der VVN-BdA Niederberg)

Am 11. Mai 1944 erhängte die Wuppertaler Gestapo im sog. Fudikars Wald bzw. im Wald des Bauern Ditzhaus in Wülfrath-Rützkausen im Abstand von jeweils 20 Minuten drei Zwangsarbeiter aus der Sowjetunion. Der Wald von Bauer Ditzhaus war für solche Hinrichtungen von der Wuppertaler Gestapo freigeben worden. Alle drei sowjetischen Zwangsarbeiter waren aus dem Jugendlager für Zwangsarbeiter:innen in der Schule Kleestraße in Wuppertal-Heckinghausen: Nikolai Rudakow, 28.8.1925, aus dem russischen Woronesch, Peter Orlow, 10.7.1927, aus dem ukrainischen Kamenez-Podolsk und Wladimir Igumenko, 4.4.1926, aus dem ukrainischen Charkow. Warum die drei jungen Zwangsarbeiter von der Gestapo erhängt wurden, ist nicht bekannt. Die Kriminalpolizei vermutete nach dem Krieg – allerdings ohne belastbare Beweise – , dass sie wegen Plünderung nach einem Bombenangriff mit dem Tod bestraft wurden. Sicher ist hingegen, dass Wuppertaler Zwangsarbeiter:innen mit LKWs extra nach Wülfrath gefahren wurden und den Erhängungen aus Abschreckungsgründen beiwohnen mussten.

22. Juni 2024 14:30 Uhr Otto Böhne Platz

Die Wuppertaler SA

VHS-Stadtführung mit Stephan Stracke

Am 23. Juni 1934, vor 90 Jahren, sieben Tage vor dem sog. Röhmputsch, randalierte eine Gruppe von Wuppertaler SA-Männern nach einer Feier in der Elberfelder Innenstadt. Sie griffen Passanten und Polizisten an und versuchten schließlich die Polizeiwache in der Von der Heydts Gasse zu stürmen. Erst alarmierte SA-Feldjäger bereinigten die Lage. Diese Randale, die als sog. „Aufstand der Wuppertaler SA“ (Ulrich Klein) von Historikern charakterisiert wurde, markierte das Ende der Macht der Wuppertaler SA.

Auf dem Stadtrundgang geht es um die Bedeutung der Wuppertaler Sturmabteilung (SA) für den Aufstieg des Nationalsozialismus. Die Wuppertaler SA wurde durch ihre wachsende Stärke ab 1931 zu einer großen Gefahr für die Arbeiter:innenbewegung. Die Wuppertaler  SA hatte seit Beginn der 30iger Jahre ein ganzes Netz von Treffpunkten, lokalen Sturmbüros und Kasernen aufgebaut. Es existierten temporär mindestens 30 SA-Einrichtungen. Die SA war 1932 in zwei Standarten organisiert. Die Standarte 171 in Barmen konnte im März 1932 1.173 SA-Männer in 22 Stürmen organisieren. In Elberfeld verfügte die Standarte 173 über 1.516 SA-Männer in 26 Stürmen.

Teilnahmebeitrag 5 €

23. Juni 2024 10:00 Uhr Treffpunkt Mirker Bahnhof

Pedelec-Tour auf den Spuren der Arbeiter:innenbewegung in Cronenberg und Remscheid (1918 bis 1945)

Fast vergessen ist, dass Cronenberg und Remscheid bis 1933 überragende Hochburgen der Arbeiter:innenbewegung waren. Die Arbeiter:innen der Cronenberger Werkzeugindustrie waren fast geschlossen im Deutschen Metallarbeiter Verband (DMV) organisiert.1920 stimmten 42 % für die linke USPD. Weiter fahren wir nach Remscheid, hier war die Dominanz der Arbeiterparteien insbesondere der KPD noch größer. In Remscheid erreichte die KPD bei der letzten Reichstagswahl im November 1932 über 40 % der Stimmen. Wir durchqueren die wichtigsten Remscheider Arbeitersiedlungen, erinnern an die selbstgebauten Schwimmbäder und Sportstätten der Arbeiter:innenbewegung  und informieren über die betrieblichen und sozialen Kämpfe der 20er und 30er Jahre. Ein Schwerpunkt sind die gewerkschaftlichen Kämpfe um den 8 Stundentag 1924 und die Auseinandersetzungen mit der NS-Bewegung 1931 bis 1936.

Arbeit und Leben Berg-Mark

Teilnahmebeitrag 5 €

5. Juli 2024 17:00 Uhr Mirker Bahnhof  Fahrradtour ins Burgholz – Einweihung einer Gedenktafel

Am 5. Juli 1944 wurden zwei Zwangsarbeiter, Wassili Podlesni und Michael Jurinzoz, im “Waldgebiet Burgholz” ermordet. Die Gestapo vermerkte, die Zwangsarbeiter seien durch „plötzlichen Herzstillstand“ ums Leben gekommen ist. Die Wuppertaler Gestapo ließ die Leichen aus dem Burgholz noch per Auto nach Hagen ins Krematorium bringen.

 

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