Dreigeteilte Fußgängerzone Laurentiusplatz: Ist das Kunst, oder können die Poller weg?

Über Poller mitten durch eine Fußgängerzone, Wuppertaler Landrecht und die zuständige Straßenverkehrsbehörde.

Mit Beschluss der Bezirksvertretung Elberfeld vom 31. Januar 23 soll die Fußgängerzone Laurentiusplatz um den Abschnitt der Laurentiusstraße zwischen Friedrich-Ebert-Straße und Kolpingstraße erweitert werden. Sollte dies von der Straßenverkehrsbehörde tatsächlich umgesetzt werden. bekommt Wuppertal deutschlandweit eine einzig(artig)e Fußgängerzone, die durch Poller (amtlich „Sperrpfosten“) in drei Bereiche aufgeteilt wird.

Verkehrtführung statt weiträumige Verkehrsführung

Ein normaldenkender Mensch leitet den Verkehr bereits an der Kasinostraße über Aue und Auer Schulstraße um die neue Fußgängerzone um. Die Stadt Wuppertal, Amt 104, begnügt sich Oktober 21 mit ein paar Schildern „Fußgängerzone“ und ermuntert damit den Durchgangsverkehr, die Friedrich-Ebert-Straße wie jahrzehntelang gewohnt direkt durch die schnurgerade Fußgängerzone zu brettern. Erst jagt man Autofahrer und Fußgänger aufeinander – es gab mehr als einen Polizeieinsatz – und argumentiert dann mit § 1 Straßenverkehrs-Ordnung: Verkehrsteilnehmer nehmen Rücksicht aufeinander! – § 1 regelt aber nicht die Rücksicht der Verkehrsteilnehmer auf das Amt 104.

Sperrpfosten – mal ja, mal nein

Während das Amt 104 sich in VO/0132/24¹ noch darauf versteift, „dass die Aufstellung von zusätzlichen Verkehrszeichen oder bauliche Maßnahmen keine geeigneten Maßnahmen zur Verhinderung von Ordnungswidrigkeiten“ seien, ist sie am Laurentiusplatz diametral entgegengesetzter Meinung, dieser müsse unbedingt baulich durch Poller (Sperrpfosten) in drei Bereiche aufgeteilt werden: (Zitat Amt 104 in VO/0719/23)²: „Bei einer Entfernung der Poller […] wäre zu befürchten, dass der Laurentiusplatz von einer Vielzahl von parkenden Fahrzeug (Pendler, Innenstadtbesucher, Lieferanten usw.) zweckentfremdet wird.“

Dem widerspricht dasselbe Amt 104 (Zitat VO/0132/24): „Die wirksamste Methode um Verkehrsordnungswidrigkeiten zu verhindern, ist die regelmäßige Überwachsung solcher Bereiche.“ – Ja, lasst Unkraut und Büsche wachsen, damit niemand mehr dort parken kann – oder wir schieben die Verantwortung auf die Ordnungsbehörde, falls mit „Überwachsung“ tatsächlich „Überwachung“ gemeint war.

Die Ausnahmen zum Befahren der Fußgängerzone sind alle drei Bereiche identisch: Zufahrt zu Stellplätzen und Lieferverkehr zum Wochenmarkt und Geschäften. Aber nur der Laurentiusplatz hat überhaupt die übliche Ausstattung an Bäumen und Sitzgelegenheiten, die eine für Fußgängerzonen typische Aufenthaltsqualität bietet. Aber das ist 104 wie bei der Friedrichstraße (bis 2015 Pseudo-Fußgängerzone) wurscht.

Teileinziehung, Widmung–was?

Wurscht ist Amt 104 offenkundig auch die Rechtslage bezüglich der wegerechtlichen Widmung nach Straßen- und Wegegesetz NRW bei sogenannten Verkehrsversuchen. Im „Schulstraßen-Erlass“³ aus Düsseldorf heißt es dazu: „Abgesehen von Veranstaltungen nach § 29 Absatz 2 StVO muss in jedem Fall die Widmung der Straße durch eine der Sperrung entsprechende Teileinziehung⁷ beschränkt werden, weil durch den Ausschluss des Kfz-Verkehrs der Gemeingebrauch der öffentlichen Straße zu bestimmten Zeiten beschränkt wird. Dies gilt selbst dann, wenn die Sperrung eine nur kurze Zeitspanne im Tagesverlauf umfasst.“

Diese Ansicht wurde bereits bei der probeweisen Einrichtung der Fußgängerzone Hamburg-Altona („Ottensen macht Platz“ vom Verwaltungsgericht Hamburg (Beschluss vom 28. Januar 20 –15 E 5647/19) und der autofreien Fahrradstraße Friedrichstraße in Berlin vom Verwaltungsgericht Berlin bestätigt (Beschluss vom 24. Oktober 22 – VG L 398/22)⁵. Eine solche für bestimmte Fahrzeuge beschränkende Maßnahme muss vielmehr auf eine wegerechtliche Grundlage gestellt werden, vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 23. Oktober 09 – 11 ZB 07.1580 –, juris, Rn.13⁶.

Selbstverfreilich hat das Amt 104 nach Wuppertaler Landrecht und eigener Ansicht die Berechtigung, gegen diese Vorgaben zu verstoßen und stellt ohne Rechtsgrundlage auf der Friedrich-Ebert-Straße zwischen Laurentiusstraße und Auer Schulstraße Schilder „Fußgängerzone“ auf (Zeichen 242.1 StVO). Die entsprechende wegerechtliche Widmung (Teileinziehung⁷) erfolgte erst nach anderthalb Jahren im Stadtboten 14/23 am 11. April 23 (Seite 8).

Die Straßenverkehrs-Ordnung interessiert nicht, wem eine Fußgängerzone gehört.

Die Straßenverkehrs-Ordnung gilt auf allen öffentlichen Verkehrsflächen. Diese dürfen von jedermann zu jeder Zeit benutzt werden. Dabei spielt es keine Rolle, wer das Eigentum über die Verkehrsfläche innehat oder wie diese gewidmet ist⁸, vgl. BGH, Urteil vom 25.04.1985 – III ZR 53/84; BGH, Urteil vom 02.04.1957 – VI ZR 44/56. Öffentlich sind auch solche Verkehrsflächen, die vor Inkrafttreten des Straßen- und Wegegesetzes NRW am 1. Januar 62 als solche genutzt wurden, vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2014 – 11 A 25/12⁹.

Nichtöffentlicher Verkehrsraum ist für den allgemeinen Verkehr gesperrt oder nach der Beschaffenheit unzweifelhaft nicht zur Verkehrsbenutzung bestimmt (Zaun, Mauer, Absperrung). Diese privaten Flächen sind keine öffentlichen Verkehrsflächen, hier gilt auch keine StVO.

Gerne argumentiert man in der Verwaltung mit „Privatgrundstück“, wenn man sich nicht zuständig fühlt. Diese als Nebelkerzen geworfenen Pseudoargumente sind wie oben beschrieben für den Geltungsbereich der StVO unerheblich. Dies gilt für die Fußgängerzone Laurentiusplatz (gehört vielleicht der kath. Gemeinde) genauso wie für den Restpark-Platz am Kolk, wo ein privater Betreiber Schilder „Kurzzeitparkplätze für…“ aufstellt und von einer Firma abschleppen lässt, die sittenwidrige Wucherpreisen von über 300 Euro abkassiert (wie am 26. Juni 23), obwohl dort zum konkreten Zeitpunkt Zeichen 314 „Parken – Pkw“ angeordnet war. (Die Stadt Wuppertal verlangte zu diesem Zeitpunkt 78 Euro fürs Abschleppen.)

Links

1) Sperrpfosten Am Neumarkt, RIS, VO/0132/24,
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=325667&type=do

2) Suboptimale Verkehrsführung, RIS, VO/0719/23,
https://ris.wuppertal.de/getfile.asp?id=316168&type=do

3) Schulstraßen-Erlass (Vorab-Auszug), Temporäre Sperrungen von Straßen für den Kfz-Verkehr im Nahbereich von Schulen,
https://www.zukunftsnetz-mobilitaet.nrw.de/aktuelles/news/schulstrassen-in-nrw

4) Probeweise Einrichtung einer Fußgängerzone ohne Teileinziehung rechtswidrig,
Verwaltungsgericht Hamburg, Beschluss vom 28. Januar 20 – 15 E 5647/19 –,
https://justiz.hamburg.de/resource/blob/42122/9e5a0716d25197e50ebc1e121a5655d5/15-e-5647-19-data.pdf

5) Probeweise Einrichtung einer Fahrradstraße ohne Teileinziehung bzw. städtebauliches Konzept rechtswidrig,
Verwaltungsgericht Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 22, – VG L 398/22)
https://openjur.de/u/2454215.html
Siehe dazu auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrichstra%C3%9Fe#Seit_1990

6) https://openjur.de/u/479499.html

7) Teileinziehung: Eine öffentliche Verkehrsfläche darf von jedermann zu jeder Zeit benutzt werden. Soll ein Straßenteil zum Beispiel autofrei werden (Fußgängerzone), wird dieser Teil der Nutzung durch Fahrzeuge entzogen. Bei dieser Umwidmung spricht man von Teileinziehung.
https://de.wikipedia.org/wiki/Widmung_im_Straßen-_und_Wegerecht_(Deutschland)

8) Realer Irrsinn: Weggebaggerter Fahrradweg, extra 3, 28.05.15
https://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/extra_3/videos_daserste/Realer-Irrsinn-Weggebaggerter-Fahrradweg,extra9452.html

9) OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11.04.2014 – 11 A 25/12
https://openjur.de/u/686499.html

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Kommentare

  1. Leser15 sagt:

    Eine Skizze oder ein Plan wären hilfreich gewesen. Ebenso die Verbannung der Gerichtsbeschlüsse in die Fußnoten.

    Und: Was wäre von wem zu tun?

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