Der atomare Horror kehrt zurück

Die Geschichte der Atomkernspaltung wurde im ersten Jahrzehnt geprägt vom Wettlauf um die Atombombe. 1945 wurde über der Wüste von Los Alamos die Tür zum militärischen Horror aufgestoßen.

Das Wuppertaler Friedensforum verteilt derzeit die „Zeitung gegen den Krieg“, die sich mit drängenden friedenspolitischen Fragen befasst. Nachfolgend daraus der  Beitrag von Reiner Braun (International Peace Bureau) und Michael Müller (Naturfreunde Deutschland). Mehr Infos zur Zeitung gegen den Krieg 

Schon kurz nach der Entdeckung der atomaren Kettenreaktion im Dezember 1938 warnte Albert Einstein vor einer Waffe „neuer Zerstörungskraft in den Händen von Nazi-Deutschland“. US-Präsident Franklin D. Roosevelt gab 1942 die Mittel für das Manhattan-Projekt frei. Drei Jahre später hatten die USA den Wettlauf mit Deutschland, Japan und Russland um die Atombombe gewonnen. Es kam zum „schwarzen August 1945“. Über den japanischen Hafenstädten Hiroshima und Nagasaki wurden Atombomben gezündet. Mindestens 200.000 Menschen verloren in der nuklearen Apokalypse ihr Leben.

Im Kalten Krieg kam es zur atomaren Hochrüstung der beiden militärischen Supermächte USA und UdSSR. Das Gleichgewicht des Schreckens hat möglicherweise einen heißen Krieg verhindert, viele regionale Kriege freilich nicht.

Mitte der 1950er Jahre liebäugelten Bundeskanzler Konrad Adenauer und Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß, die dem Schutz der USA misstrauten, mit dem Bau einer Atombombe. Dagegen verfasste eine Gruppe Atomwissenschaftler um die Nobelpreisträger Otto Hahn und Werner Heisenberg erfolgreich das Manifest der „Göttinger 18“. Doch Der atomare Horror kehrt zurück es war auch Glück, dass es nicht zu einem Atomschlag kam. In den 1980er Jahren verfügten die beiden militärischen Supermächte über eine Sprengkraft vom mehr als 800.000 Hiroshimabomben.

Heute verfügen neun Staaten über eigene Atombomben. Nach Angaben des schwedischen Friedensforschungsinstituts Sipri haben Russland und USA mit 11.133 Sprengköpfe ca. 90 Prozent aller Atomwaffen, China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Pakistan und Nordkorea kommen zusammen auf über 1.379 A-Bomben. Das historische Jahr 1989, das Ende der zweigeteilten Welt, wurde nicht genutzt, zu einer atomaren Abrüstung zu kommen. Im Gegenteil: Heute scheint eine neue Epoche des atomaren Hochrüstens zu beginnen. Sipri befürchtet, dass wir mit der atomaren Hochrüstung in „eine der gefährlichsten Perioden der Menschheitsgeschichte driften“.

Folgende Entwicklungen begründen die Gefahr, wobei der russische Angriffskrieg auf die Ukraine wie ein Katalysator wirkt. Die Atommächte erweitern und „modernisieren“ ihre Waffenarsenale. China hat in kurzer Zeit seine Atomsprengköpfe auf 420 erhöht. Die USA haben im Jahr 2022 ca. 43,7 Mrd. Dollar in ihre atomaren Waffensysteme gesteckt, mehr als alle anderen Länder zusammen, die deshalb – so ist zu erwarten – nachziehen werden. Die Trägersysteme für die Atomwaffen werden immer schneller, die Vorwarnzeiten kürzer. Gleichzeitig wurden Verträge über Rüstungsbegrenzung, Rüstungskontrolle und Abrüstung zwischen USA und Russland beendet. Sie wurden gekündigt, laufen aus oder kommen nicht voran.

Die größte Gefahr ist, dass durch die Entwicklung von „Mini-Nukes“, an denen gearbeitet wird, die Schwelle für den Einsatz von Atomwaffen sinkt. Das betrifft auch die Small Modular Reactors (SMR), die ein hohes Proliferationsrisiko haben und für die in den USA 2023 Gelder freigegeben wurden. Zusammen mit der Künstlichen Intelligenz (KI) und Drohnen ergeben sich neue Formen der Kriegsführung. Auch deshalb wollen autokratisch regierte Länder schnell in die Atomenergie einsteigen, um an das Know-how zu kommen und die eigenen Möglichkeiten für den Bau von Atombomben zu verbessern. Zu diesen Ländern gehören möglicherweise die Türkei, die Vereinigten Arabischen Republiken, Belarus und Ägypten. Auch eine Armee der EU-Staaten kann den deutschen Parlamentsvorbehalt für Militäreinsätze im Ausland beenden und die atomare Teilhabe erweitern.

Atomstrom ist also nicht nur mit großen Gefahren verbunden, auch wirtschaftlich lohnt sich die Erzeugung nicht, der englische und französische EPR-Reaktor wird bis zur Fertigstellung ca. zehnmal teurer als geplant. Noch teurer werden die SMR-Reaktoren, die energiepolitisch unsinnig sind. Sie würden wahrscheinlich nicht gebaut, wenn nicht militärische Ziele dahinterstehen. Hinzu kommt, dass die weltweit 422 Atomkraftwerke selbst zu Atombomben werden können. In der Ukraine gibt es 15 Druckwasser-Reaktoren, Saporischschja ist die mit sechs Blöcken größten Atomanlage in Europa. Ein 1.000 MW Atomkraftwerk enthält nach sechs Betriebsjahren die Radioaktivität von fast 6.000 detonierten Hiroshimabomben. Der atomare Horror droht zurückzukommen.

Der Krieg in der Ukraine muss schnell gestoppt werden. Die Friedensbewegung fordert, dass es schnell zu internationalen Initiativen für Abrüstung und Atomwaffenverbote kommt.

mehr Info: https://wupff.wordpress.com/

 

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