Schlappe für die Wuppertaler Staatsanwaltschaft

Eröffnung des Hauptverfahrens gegen sechs Angeschuldigte wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und weiterer Delikte abgelehnt

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Die 6. große Strafkammer des Landgerichts Wuppertal hat mit Beschluss vom gestrigen Tage (09.01.2019) die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen fünf Männer und eine Frau aus tatsächlichen Gründen abgelehnt und die gegen die Angeschuldigten bestehenden Haftbefehle aufgehoben.

Die Staatsanwaltschaft Wuppertal hatte mit Anklageschrift vom 12.11.2018 allen Angeschuldigten jeweils – jedoch in einer unterschiedlichen Anzahl von Fällen – Beihilfe zur Steuerhinterziehung, zum Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie zum Betrug und einem der Angeschuldigten darüber hinaus täterschaftliche Steuerhinterziehung in 28 Fällen von teils erheblichem Ausmaß vorgeworfen.

Sie hat ihnen zur Last gelegt, in wechselnder Beteiligung auf Weisung eines der Angeschuldigten „Strohmannfirmen“ im Baugewerbe gegründet zu haben, die jeweils nur mehrere Monate aktiv gewesen seien. Die aus dem Ausland nur für die Gründung dieser Firmen eingereisten Geschäftsführer seien anschließend wieder zurückgekehrt und für inländische Behörden nicht mehr greifbar gewesen. Während ihrer aktiven Zeit hätten die Firmen sich um einen seriösen Schein bemüht. Tatsächlich hätten diese Unternehmen jedoch eigene Bautätigkeiten nicht entfaltet. Vielmehr hätten diese Rechnungen an Dritte für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen verkauft und hierfür eine Provision i.H.v. mindestens fünf Prozent der jeweiligen Rechnungssumme erhalten.

Formal bei den Strohmannfirmen angestellte Arbeitnehmer wären tatsächlich nicht dort, sondern bei den Abnehmerfirmen und zudem in größerem Umfang als bei der Sozialversicherung angemeldet, beschäftigt gewesen. Der Hauptangeschuldigte habe auf diese Art allein Umsatzsteuer i.H.v. rund 470.000,00 EUR verkürzt und sei für einen weiteren Schaden von rund 36,5 Mio. EUR mitverantwortlich.

Die von der Staatsanwaltschaft beantragte Eröffnung des Hauptverfahrens hat die zuständige Strafkammer abgelehnt, weil nach ihrer Auffassung ein Schuldspruch gegen die Angeschuldigten auf Grundlage der durchgeführten Ermittlungen nicht hinreichend wahrscheinlich ist. Zwar geht auch die Kammer davon aus, dass die Angeklagten an dem in der Anklageschrift beschriebenen System mitgewirkt haben, hält jedoch die Herleitung der von der Staatsanwaltschaft ermittelten Schadenshöhe für fehlerhaft.

Die Staatsanwaltschaft habe die Schadenshöhe allein auf Grundlage der Nettoumsätze der Strohmannfirmen unter Abzug einer pauschalen Lohnquote geschätzt. Dies sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch nur dann zulässig, wenn keine anderweitig verlässlichen Beweismittel zur Verfügung stünden oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand und ohne nennenswerten Erkenntnisgewinn zu beschaffen seien. Dies habe die Staatsanwaltschaft jedoch nicht hinreichend überprüft und – trotz entsprechenden Hinweises durch den Vorsitzenden – Nachermittlungen abgelehnt.

Aus Sicht der Kammer gibt es jedoch durchaus Ansätze den Schaden tatsachenfundiert zu ermitteln. Insbesondere hätten die Rechnungskäufer vernommen und deren Firmen und deren Buchhaltung überprüft werden können. Dies sei nur in einem kleinen Teil der Fälle, der auch nur einen Bruchteil des angenommenen Gesamtschadens repräsentiert, geschehen. Die dort gewonnen Erkenntnisse hätte zudem Anlass gegeben, Korrekturen an der Schadensschätzung vorzunehmen. So wäre nämlich nicht berücksichtigt worden, dass von den befragten Rechnungskäufern angegeben worden sei, dass für die Beschäftigten – mindestens teilweise – Sozialabgaben abgeführt worden wären, nur nicht im gebotenen Umfang.

Die tatsächlich erfolgten Zahlungen hätten von der Staatsanwaltschaft aber ermittelt und in Abzug gebracht werden können. Die Kammer vertritt unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Ansicht, dass diese aufgeworfenen Fragen zuverlässig im Ermittlungsverfahren zu klären gewesen wären und eine Übertragung  auf die Hauptverhandlung nicht möglich sei. Zudem sei es nicht veranlasst gewesen, im Zwischenverfahren in eigener Verantwortung nachzuermitteln.

Dort seien durch das Gericht lediglich einzelne, ergänzender Beweiserhebungen anzuordnen, nicht jedoch wesentliche Teile des Ermittlungsverfahrens nachzuholen. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft kann hiergegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde einlegen, über die das Oberlandesgericht Düsseldorf zu entscheiden hätte. Auch gegen die Aufhebung der Haftbefehle stehen der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel zu.

Quelle: Arnim Kolat Richter am Landgericht

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