19.11.2025evangelisch wuppertal
Hausputz für die Seele
Der Buß- und Bettag lädt dazu ein, über persönliche und weltweite Krisen nachzudenken und einen Neuanfang zu wagen. Vergebung und Gebet können befreiend sein, betont Pfarrer Johannes Nattland.

Heute lädt der Buß- und Bettag dazu ein, über persönliche und weltweite Krisen nachzudenken und einen Neuanfang zu wagen. Stille, Vergebung und Gebet können befreiend sein, betont Pfarrer Johannes Nattland.
Buße tun und beten? Das scheint aus der Mode gekommen zu sein. Kein Wunder, dass der evangelische Buß- und Bettag heute nicht mehr in Deutschland als gesetzlicher Feiertag (außer in Sachsen) begangen wird. Täglich sollen laut Religionsmonitor der Bertelsmann-Stiftung nur noch 17 Prozent der Menschen beten. Gleichzeitig ist der Anteil derjenigen, die nie beten, auf 43 Prozent gestiegen.
Und den Begriff der „Buße“ kennen wir eigentlich nur noch, wenn es um „Bußgelder“ im Straßenverkehr geht. Dennoch seien die Gefühle von Scheitern und Schuld, der Wunsch nach Vergebung und einem Neuanfang, wofür der Buß- und Bettag steht, hochaktuell, beobachtet CityKirchenpfarrer Johannes Nattland.
Buße: „Recht, ein anderer zu werden“
„In seelsorgerlichen Gesprächen geht es viel um falsche Entscheidungen, Worte und Taten, mit denen andere Menschen verletzt wurden und die man bereut“, sagt er. „Wenn dann schwierige Lebensereignisse wie Unfälle oder Krankheiten passieren, fragen sich viele, ob das eine Strafe sei für eigenes Fehlverhalten und verstehen dies dann als eine Art Buße.“
Gottesdienste
Am Buß- und Bettag laden viele Wuppertaler Gemeinden zu Andachten und Gottesdiensten ein. Die jeweiligen Veranstaltungen finden Sie in unserem Gottesdienst-Kalender.
Doch die Frage der „gerechten Strafe“ steht nicht im Fokus des Buß- und Bettages. „Buße ist das Recht, ein anderer zu werden“, hat die bekannte Theologin Dorothee Sölle einmal gesagt. Und genau das ist es, was auch Johannes Nattland mit dem Begriff verbindet: Buße sei ein „Hausputz für die Seele“, sagt er, die Chance, sich neu zu orientieren und von alten Lasten zu befreien: „Es ist ein bewusster Moment der Selbstreflexion, den wir an diesem Feiertag mit Gebeten der Bitte, Dankbarkeit und des Schuldbekenntnisses verbinden.“
„Schuldig werden wir immer“
Denn ob es uns bewusst ist oder nicht – schuldig würden wir gegenüber anderen Menschen, aber auch gegenüber unserer Umwelt immer. „Das gilt für ganz persönliche Entscheidungen, die negative Auswirkungen auf meine Mitmenschen haben, aber auch für politisches, wirtschaftliches und gesellschaftliches Handeln, das zu massiven Ungerechtigkeiten führen kann.“

Johannes Nattland ist Pfarrer der CityKirche Wuppertal und der Gemeinde Elberfeld-West.
Die Auswirkungen eines Handelns, das sich nicht am Allgemeinwohl, sondern an Machtinteressen Einzelner oder auch Gruppen orientiert, erlebten die Menschen so stark wie lange Jahre nicht mehr, beobachtet der Theologe. Kriege und Krisen drückten auf die Seele und belasteten zusätzlich neben all den täglichen persönlichen Herausforderungen des Lebens.
Die heilende Kraft des Gebets
„All das zu benennen und an eine höhere Macht, an unseren Gott, im Gebet abzugeben, kann unglaublich befreiend sein. Es hilft mehr als viele glauben, in Worte zu fassen, was uns bewegt, still zu werden und darauf zu vertrauen, dass wir nicht allein gelassen sind auf dieser Welt.“
Beten – so unmodern es geworden sein mag – hat heilende Kraft, ist Johannes Nattland überzeugt. Ebenso wie die „Buße“, ein Schuldeingeständnis, das entlastet und befreien kann. „Wir stehen heute mehr denn je unter dem Druck, ein perfektes und gelungenes Leben präsentieren zu müssen. Doch Scheitern und Schuld gehört dazu, ebenso wie Vergebung, Umkehr und ein Neuanfang.“
Die Geschichte des Buß- und Bettages
Bußtage gab es schon im Mittelalter, von der Obrigkeit meist aus aktuellem Anlass angeordnet, wie die Pest oder Missernten, Hunger oder Krieg. Anlass war die größte Not, in der weder das Volk noch die Obrigkeit einen Ausweg wussten. Mit der Buße verbanden die Menschen die Hoffnung, das Schicksal durch eigene Verhaltensänderung wenden zu können, bei sich selbst zu schauen. Nicht der äußere Feind wurde beschworen, sondern die eigene Haltung.
In den verschiedenen Territorien Deutschlands gab es unterschiedliche Termine für Buß- und Bettage. So konnte man 1878 in 28 deutschen Ländern insgesamt 47 Bußtage an 24 unterschiedlichen Tagen zählen. Ein einheitlicher Buß- und Bettag am Mittwoch vor dem letzten Sonntag im Kirchenjahr wurde 1852 erstmals vorgeschlagen, 1934 wurde er als gesetzlicher Feiertag im gesamten Deutschen Reich eingeführt und 1995 zur Finanzierung der Pflegeversicherung in allen Bundesländern außer in Sachsen wieder abgeschafft.
Quelle: evangelisch.de
Text: Sabine Damaschke
Fotos: KK Archiv/pixabay
Weiter mit:
Kommentare
Neuen Kommentar verfassen