Gemeinschaft statt Alleingänge

Mal sieben Wochen anders leben: Dafür nutzen Menschen in evangelischen Gemeinden die Fastenzeit, die am heutigen Aschermittwoch beginnt.

Heike Jockwer und Friedrike Slupina-Beck mit dem Fastenkalender (v.l.)

Sieben Wochen lang die Routine des Alltags hinterfragen, zur Ruhe kommen und neue Perspektiven einnehmen: Dafür nutzen Menschen in evangelischen Gemeinden die Fastenzeit, die am heutigen Aschermittwoch beginnt.

Es soll mehr sein als ein Verzicht auf Schokolade, Nikotin oder Alkohol. Bei der evangelischen Aktion „7 Wochen Ohne“ geht es um ein „Fasten im Kopf“. Jedes Jahr stellt sie die Zeit zwischen Aschermittwoch und Ostern unter ein bestimmtes Motto, unter dem Millionen Menschen fasten und sich darüber in Gruppen austauschen. Diesmal lautet es „Komm rüber! Sieben Wochen ohne Alleingänge“.

Seit zwölf Jahren beteiligt sich die evangelische Kirchengemeinde Ronsdorf an der evangelischen Aktion mit einer eigenen Fastengruppe. Doch diesmal tut sie sich mit dem Motto etwas schwerer als sonst. „Ich brauche auch Zeit für mich alleine und es gibt Alleingänge, die mir Kraft für meinen Alltag geben“, sagt Pfarrerin Friederike Slupina-Beck. „Insofern hat sich beim ersten Lesen des Mottos etwas Widerstand in mir und einigen Mitgliedern unserer Fastengruppe breit gemacht.“

Ein Motto, das Widerspruch weckt

Unabhängig zu sein sei in unserer Gesellschaft ein hoher Wert und in diesem Zusammenhang würden Alleingänge durchaus positiv gesehen, gibt Heike Jockwer zu bedenken. „Aber im Grunde leben wir nie ganz unabhängig, sondern sind eingebunden in vielen verschiedenen Systemen. Und da mal genauer hinzuschauen, wer mit mir unterwegs ist und warum, finde ich richtig gut.“

Ein Motto also, das Widerspruch weckt, zum Nachdenken anregt und über das sofort ein Gespräch entstehen kann. Daher hat die promovierte Biotechnologin sich diesmal wieder zur Ronsdorfer Fastengruppe angemeldet. Das diesjährige Thema lade dazu ein, sich intensiver mit sich selbst und den Beziehungen, die das eigene Leben ausmachen, auseinanderzusetzen, meint sie. „Wo brauche ich Gemeinschaft, wo stilles Nachdenken und das Alleinsein? Das sind Fragen, die im Alltag oft untergehen.“

Den Dialog wagen

In der evangelischen Fastenaktion „Sieben Wochen ohne“ steht jede Woche unter einem bestimmten Thema, ausgehend von einem biblischen Impuls. Sie führen vom „Miteinander gehen“ über das Miteinander mit den Liebsten, mit Fremdem, mit der Schöpfung und der weiten Welt zum Miteinander mit den mir Anvertrauten und mit Gott.

Vor dem Gemeindemotto „Vielfältig, aber nicht beliebig“: Teilnehmende der Ronsdorfer Fastengruppe sind offen für den Dialog.

Dabei stelle das „Komm rüber“ auch die unbequeme Frage, wie ein Dialog mit Menschen möglich sei, die in Vorurteilen und Ängsten gefangen seien, erklärt Friederike Slupina-Beck. „Niemanden in eine Schublade zu stecken, aber gleichzeitig Grenzen zu setzen und zu einem fairen Diskurs zu kommen, ist schwierig, aber angesichts eines zunehmenden Rechtspopulismus in unserer Gesellschaft, Europa und weltweit wichtig.“

Aber auch eigene Vorurteile und Beziehungsabbrüche möchte die Pfarrerin in dieser Fastenzeit hinterfragen. „In unseren Fastengruppen, die sich jedes Jahr neu zusammensetzen, habe ich bislang viel Offenheit erlebt und Impulse bekommen, neu und anders zu denken, weil Menschen mit ganz unterschiedlichen Biografien zusammenkommen.“

Die Fastenzeit als Lernprozess

Pfarrer Frank Beyer aus Vohwinkel spricht daher gern von der Fastenzeit als „Lernprozess“. Auch in seiner Gemeinde gibt es jedes Jahr eine Fastengruppe mit 10 bis 15 Teilnehmenden. Allerdings steht sie in seiner Gemeinde unter dem lokalen Motto „Sieben Wochen plus“. Worüber die Fastengruppe sprechen möchte, legt sie selbst fest. Die Themen sind meist ähnlich wie bei der Fastenaktion „7 Wochen ohne“.

Es gehe nicht nur um einen gesunden Lebensstil, sondern auch darum, zur Ruhe zu kommen, Alltagsroutinen zu durchbrechen und die Beziehung zu Gott und anderen Menschen zu stärken, sagt Frank Beyer. „Eingeübt werden soll das bewusste Plus, ein Mehr an Lebensqualität und Wahrnehmung während der Passionszeit.“

Und das kann dann nach den sieben Wochen „ohne“ oder „plus“ durchaus größere Veränderungen nach sich ziehen. Heike Jockwer etwa hat die Ronsdorfer Fastengruppe im letzten Jahr Mut gemacht, genauer auf die Stressfaktoren in ihrem Leben zu schauen und den „Verzicht auf Verzagtheit“ zu wagen. Sie kündigte ihren Job, nahm sich eine Auszeit und erlaubt sich nun, in Ruhe nach einem neuen Aufgabengebiet zu suchen.

7 Wochen ohne Alleingänge

Die Fastengruppe der evangelischen Gemeinde Ronsdorf trifft sich vom 14. Februar bis 28. März jeden Mittwoch von 19.30 bis 21.00 Uhr im Gemeindehaus (Bandwirkerstraße 15). Am Sonntag, 18. Februar, lädt sie unter dem Fastenmotto um 11.00 Uhr zum Gottesdienst in ihre Winterkirche ein. Der offizielle Eröffnungsgottesdienst der Fastenaktion findet um 9.30 Uhr in St. Katharinen in Osnabrück statt und wird im ZDF übertragen.

7 Wochen plus
Die Fastengruppe der evangelischen Gemeinde Vohwinkel trifft sich am 14. Februar (18 Uhr), 21. Februar (18 Uhr), 14. März (19.30 Uhr) und 28. März (17 Uhr). Die Treffen dauern eine bis anderthalb Stunden und finden im Gemeindezentrum Gräfrather Straße statt.

Text und Fotos: Sabine Damaschke

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