13.08.2010

Das große Wunschkonzert

Die Proteststürme des Frühlings haben sich verzogen, der Platz vor dem Schauspielhaus ist gefegt, jetzt heißt es wieder Sparen in Wuppertal. Denn die Verantwortlichen lassen sich von der Wut der Bürger nicht weiter stören.

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Dass gespart werden muss, steht fest. Allerdings nicht erst seit gestern und nicht erst seit der Wirtschaftskrise, die, laut Oberbürgermeister Jung, die Situation hat eskalieren lassen. Seit Jahren knabbern die Stadtkämmerer am unteren Ende des Haushaltes. Doch die Entscheidungen, die in der Stadt und im Feuilleton für Entsetzen sorgen, die trifft nicht der Bund, zu denen zwingt die Wirtschaftskrise nicht. Zum Rotstift an Kultur- und Jugendarbeit greifen Menschen, die sich für keine Ausrede zu schade sind. Schon im März, beim Jahrestreffen der Freien Kultur, wirkten die Erklärungs- und Beschwichtigungsversuche des Bürgermeisters hilflos bis trotzig: „Natürlich würde er gerne überhaupt nicht kürzen, sondern nur investieren, aber man muss ja… und eigentlich ist das Land NRW Schuld, das seinen Kommunen zu viel abverlangt.“ Man glaubt ihm auf Anhieb, dass ihm das Sparen schwer fällt. Partei- und gesinnungsunabhängig würde es jedem Einzelnen schwer fallen, einer Stadt gegenüber zu treten und lächelnd harte Einschnitte bekannt zu geben.

Gerüchte und Geflüster
Es fällt jedoch unangenehm schwer, Jung das zur Schau getragene Verständnis für die Kulturszene abzukaufen. Zu genervt schnaufte er, als zu Beginn des Treffens die Vertreter der Szene als kleines Happening den „Tod der Kunst in Wuppertal“ inszenierten. Zu skrupellos setzte Stadtkämmerer Johannes Slawig den Kulturetat mit als Erstes auf die Sparliste. Das keiner der Beiden ein ausgesprochener Freund des Schauspielhauses und der freien Szene ist, ist stadtbekannt. Doch die Frage, ob persönliche Streitigkeiten zwischen Intendant Christian von Treskow und Peter Jung Grund für die desolate Lage des Hauses am finanziellen Abgrund sind, wird eher getuschelt als offen gestellt. Ersterer würde, sein Schauspielhaus und all seine Bewohner auf der Kippe, mit der Pistole auf der Brust weitere Provokationen im Rathaus mit Sicherheit vermeiden wollen, Oberbürgermeister Jung mit aller Kraft abstreiten, das umstrittene Haushaltssicherungskonzept (HSK) avanciere zu seinem privaten Wunschkonzert. Aber getuschelt wird.

Dynamisches Duo
Dabei ist gerade diese, mal geflüsterte, mal ganz offen verzweifelt geführte Debatte das, was man im Rathaus immer vermeiden wollte. Als Anfang des Jahres der 134 Seiten lange Haushaltsentwurf auf den Tisch geworfen wurde, forderte das dynamische Duo Jung und Slawig eine stadtweite Diskussion. Alle Bürger sollten sich einbringen und selbst Sparvorschläge machen dürfen. Aber wo? Wo hat die Stadt in den letzten sechs Monaten zum offenen Gespräch eingeladen? Wo wurden Debatten in den Stadtteilbüros organisiert, in denen erklärt wurde, welche Einschnitte auf die jeweiligen Viertel zukommen? Und wo erreicht man jemanden, der bereit wäre, das HSK zu erläutern? Alle Protestaktionen, wie der Welttheatertag, die für Aufsehen und mediale Aufmerksamkeit en masse sorgten, waren von den Betroffenen selbst organisiert. Abgesehen von Veranstaltungen wie der im März, wo sich Stadtvertreter blicken lassen, die Schuld allerdings konsequent weiterschieben, lautet die Antwort: „Im Rathaus, natürlich! Rufen sie doch einfach mal an!“ Doch wer auch am Ende der Leitung sitzt, die Antwort lautet dieser Tage immer ungefähr so:
„Der (beliebig einsetzbar) ist im Urlaub. Im Herbst geht es weiter. Schönen Tag noch.“ Gerade sitzt also das Sommerloch im Rathaus, legt die Füße auf den Tisch und spielt mit den Püppchen Oper und Schauspiel.

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