Patenschaft für ein neues Zuhause

Die Wohnung zu klein, zu teuer oder stark renovierungsbedürftig – was nun? Wer mit wenig Einkommen ein neues Zuhause sucht, hat es in NRW schwer. Geduld und Geschick sind gefragt. In Wuppertal helfen deshalb ehrenamtliche Wohnpaten Familien bei der Wohnungssuche. Das Projekt des diakonischen Sozialunternehmens GESA hat die Diakonie RWL mit Kollektenmitteln gefördert.

Foto: S. Damaschke

Ein Regal, ein Schreibtisch mit Laptop und zwei Besucherstühle, eine kleine Couch mit bunten Kissen – das Zimmer, in dem Harald Böning jeden Dienstag im Wuppertaler Café „Hier & Da“ ehrenamtlich arbeitet, ist klein. Mit dem Büro, in dem er bis 2019 als Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens viel Zeit verbracht hat, lässt es sich kaum vergleichen. Auch die Menschen, die jetzt an seine Tür klopfen, sind anders. Schüchtern, unsicher und eher wortkarg.

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„Manche legen leise einen ganzen Packen an Behördenbriefen und Rechnungen auf meinen Schreibtisch“, sagt Böning. „Ihnen droht der Verlust der Wohnung. Und dieses Problem steht oft am Ende einer langen Reihe von Schwierigkeiten, die mit Sprachproblemen, Arbeitslosigkeit, Scheidung oder Schulden zu tun haben.“

Schwebebahn in Wuppertal

Moderate Mieten, aber zu wenig Wohnraum – Wuppertal mit seiner weltberühmten Schwebebahn (Foto: Stephanie Albert/ pixabay)

Zu wenig Wohnraum in Wuppertal

Die „Kunden“, wie der frühere Geschäftsführer die Menschen respektvoll nennt, haben auf dem Wohnungsmarkt schlechte Chancen. Denn auch in einer Stadt wie Wuppertal mit vergleichsweise moderaten Mieten fehlen Wohnraum und Sozialwohnungen – vor allem für Familien mit mehreren Kindern.

Als langjähriger Wuppertaler Bürger kennt Harald Böning das Problem. Zudem war er als Geschäftsführer auch für unternehmenseigene Wohnungen zuständig. Letztes Jahr entschied sich der 57-Jährige, den Posten aufzugeben und freiberuflich zu arbeiten. Er wollte mehr Zeit für die Familie, aber auch für ein Ehrenamt im sozialen Bereich. Als er im Internet las, dass das diakonische Sozialunternehmen GESA ehrenamtliche Wohnpaten für ein Projekt suchte, meldete er sich sofort. Gemeinsam mit seiner Patenkollegin Andrea Ohanmu hat er seit Start des Projekts im Mai 2019 rund 100 Mütter und Väter bei der Wohnungssuche und ihren vielfältigen anderen Problemen begleitet.

Maria Giesemann vom diakonischen Sozialunternehmen GESA in Wuppertal

Maria Giesemann leitet das WofA-Projekt der GESA.

Auf Job- und Wohnungssuche

„In unseren Projekten haben wir immer öfter mit Teilnehmenden zu tun, die für ihre Familie keine Wohnung finden und von Wohnungslosigkeit bedroht sind“, erklärt Projektleiterin Maria Giesemann. Weil vor allem alleinerziehende Eltern betroffen sind, startete die GESA ihr Projekt „WofA“ (Wohnraum für Alleinerziehende) zunächst für diese Gruppe. Doch schnell stellte sich heraus, dass auch andere Familien dringend Unterstützung brauchen. Finanziert wurde das Projekt bis Ende 2019 mit Kollektenmitteln der Diakonie RWL, die im Rahmen des „Bündnisses fairer Wohnraum“ zur Verfügung stehen. Seit Anfang des Jahres führt die GESA es selbst weiter.

Seibatu A. gehörte zu den ersten Müttern, die das Büro der beiden Wohnpaten im GESA-Café „Hier & Da“ aufsuchte. Sie lebt mit ihren beiden kleinen Töchtern seit vier Jahren in Deutschland. Die junge Mutter aus Ghana hat viel Schlimmes mit ihrem Ehemann durchmachen müssen und wollte aus der gemeinsamen Wohnung ausziehen. „Nie hätte ich gedacht, dass es so schwierig für mich sein würde, eine andere Wohnung zu finden“, sagt sie auf Englisch. „Ohne die Hilfe der Wohnpaten hätte ich das nicht geschafft.“

Seibatu und ihre Tochter Amira haben mit Hilfe des diakonischen Sozialunternehmens GESA in Wuppertal eine neue Wohnung gefunden

Seibatu und ihre Tochter Amira freuen sich über die neue Wohnung.

Umziehen und zur Ruhe kommen

Im März kann sie endlich in eine 70-Quadratmeter-Wohnung umziehen und dann hoffentlich mit ihren Kindern zur Ruhe kommen. Wenn die kleine dreijährige Tochter Amira im Kindergarten ist, will sie mit einem Deutschkurs starten. Rund 90 Prozent der Familien, denen Harald Böning und Andrea Ohanmu bei der Wohnungssuche helfen, haben einen Migrationshintergrund. Sie sprechen nicht fließend Deutsch und verstehen die Behördensprache nicht, leben von schlecht bezahlten Jobs oder Hartz IV.

„Auf dem privaten Wohnungsmarkt haben diese Familien so gut wie keine Chance“, beobachtet Harald Böning. Also sucht er überwiegend bei landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften oder Großvermietern nach günstigen Wohnungen. Wie in den meisten deutschen Großstädten fehlt auch in Wuppertal Wohnraum. Jährlich entstehen nicht mehr als 250 bis 350 Wohneinheiten in der Stadt, die derzeit 361.000 Einwohner hat, aber mit dem Zuzug vieler Migranten und einer steigenden Geburtenrate stetig wächst.

Rollstuhl für ein Kind

Einkommensarme Familien , deren Kinder im Rollstuhl sitzen, haben große Probleme, barrierefreie Wohnungen zu finden. (Foto:  Falco/pixabay)

Hohe Hürden für Barrierefreiheit

„Schwierig wird es vor allem, wenn Familien nicht nur wenig Einkommen und einen Migrationshintergrund haben, sondern besondere Problemlagen dazukommen“, sagt Böning. Etwa, weil ein Kind im Rollstuhl sitzt und deshalb eine barrierefreie Wohnung benötigt wird. Da seien oft persönliche Gespräche mit dem Vermieter und dem Jobcenter nötig.

Schließlich sind Häuser mit Aufzug meistens teurer als der Hartz IV-Regelsatz oder das geringe Einkommen der Familien es erlauben. Und da kann es manchmal sogar auf den Cent ankommen. „Mit unserer Hilfe hat eine Mutter eine neue Wohnung gefunden, aber die monatliche Miete war 80 Cent zu teuer und deshalb wollten die Behörden nicht dafür aufkommen.“ Harald Böning verhandelte mit dem Vermieter, der daraufhin die Miete um 80 Cent senkte.

Wohnpate Harald Böning ist ehrenamtlich für das diakonische Sozialunternehmens GESA in Wuppertal aktiv

Freundlich, aber auch hartnäckig: Harald Böning weiß, wie man Vermieter und Behörden überzeugen kann.

Erfolgreich verhandeln

Argumentieren, hartnäckig, aber gleichzeitig höflich und verbindlich sein – all das kann der ehemalige Geschäftsführer, der ein Unternehmen mit 500 Mitarbeitenden geleitet hat. Sein Geschick als Geschäftsmann setzt er gezielt für „seine Kunden“ ein, denn ihre Schicksale berühren ihn.

„Es ist gut, in der Beratung eine Packung Taschentücher dabei zu haben“, sagt er. Und fügt nachdenklich hinzu: „Seit ich mich als Wohnpate engagiere, wird mir immer klarer, wie privilegiert ich in meinem Leben war und bin. Sein Zuhause zu verlieren, ist das Schlimmste, was einem Menschen passieren kann. In diesem Projekt möchte ich dazu beitragen, dass genau das nicht geschieht.“

Ihr/e Ansprechpartner/in
Sabine Damaschke

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

Text und Fotos: Sabine Damaschke

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