Die Tragik der Einzelfälle

Editorial der Bergischen Blätter, Ausgabe 07.2013, zur Kriminalstatistik des Polizeipräsidiums Wuppertal

Es sind nur kleine Zahlen, die keinen Einfluss auf die Statistik haben – aber wie auch sonst im Leben sind es die Einzelfälle, die einen schaudern lassen. Das trifft in hohem Maße auch auf die Kriminalitätsstatistik des Polizeipräsidiums Wuppertal zu.
Grob betrachtet sind es in Wuppertal, Solingen und Remscheid vor allem Wohnungseinbrüche, Betrugsfälle und Sachbeschädigungen, die es der Polizei und den Bewohnern schwer machen. Gewaltdelikte, also zum Beispiel Vergewaltigung, Raub, schwere Körperverletzung und Tötungsdelikte, machen gerade einmal drei Prozent der insgesamt 55.881 Straftaten im Städtedreieck aus, das zusammen gut 600.000 Einwohner zählt. In Summe macht das für 2012 insgesamt 1.721 Gewalttaten, die angezeigt wurden – zwei mehr als im Jahr davor. Von einem signifikanten Anstieg kann also auch nicht gesprochen werden.
Doch dann fällt der Blick auf eine „Tätergruppe“ von Kindern bis zum 14. Lebensjahr, die im Volksmund als nicht strafmündig gelten. 755 sind der Polizei 2012 aufgefallen. „Klaukids“ wird der eine oder andere nun denken – was sicherlich auch zutreffen mag, denn nicht strafmündige Kinder werden nur allzu gerne genau deshalb zum Diebstahl angestiftet.
Aber die Statistik zeigt auch anderes: Eines der Kinder hat eine „Straftat gegen das Leben“ verübt, ein weiterer Straftäter war gerade einmal zwischen 18 und 21 Jahre alt, was laut Statistik als Heranwachsender gilt.
Acht Kinder, die noch nicht einmal 15 Jahre alt waren, haben eine „Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung“ verübt, und weitere 189 sogenannte Rohheitsdelikte. Dazu zählen zum Beispiel gefährliche oder schwere Körperverletzung, die leichte, aber dafür vorsätzliche Körperverletzung und Bedrohung. Es sei noch einmal daran erinnert, dass wir hier von Kindern sprechen.
Erschreckend an der Statistik sind zudem die „Rauschgifttoten“, die es nach wie vor gibt, in der allgemeinen Berichterstattung aber kaum noch vorkommen. Im Städtedreieck starben in den letzten fünf Jahren jeweils zwischen zehn und 16 Menschen durch Rauschgift – wobei das noch lange nicht die Zahlen derer sind, die an den Folgen des Missbrauchs sterben. Auch diese Zahlen mögen noch lächerlich klein sein, vielleicht auch im Vergleich zu anderen Städten. Aber hinter den Zahlen stehen eben immer auch Menschen, was nicht vergessen werden sollte – vor allem dann nicht, wenn es auf der anderen Seite ein großes Geschrei um abgebrannte Mülltonnen gibt und der Polizei der Vorwurf mangelnder Tätigkeit in diesen Fällen gemacht wird.

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Kommentare

  1. petzi sagt:

    Der Anstieg der „Kinder“kriminaltät ist bedauerlich, aber leider nicht verwunderlich. Der Sinn des Lebens scheint in den westlichen Gesellschaften auf Konsum fokussiert und reduziert. Kinder und Jugendliche, die hier nicht mithalten können, greifen dann einfach zur „Selbsthilfe“. Und sie glauben dass das in Ordnung ist, weil es andere ja auch so machen. Dieses Signal – nimm dir einfach was du haben willst – wird von ganz oben, von der Spitze der Gesellschaft ausgesandt, und reflektiert sich im großen Maßstab z.B. in einem als Rettung „systemrelevanter“ Banken organisierten Raubzug, und vielen anderen Griffen in die Taschen der Bürger zum Vorteil einer kleinen „Elite“, siehe geschönter Armutsbericht. Auch wenn Kinder und Jugendliche es im Detail nicht verstehen und sich auch gar nicht dafür interessieren, so bekommen sie doch das gesellschaftliche Klima mit, dass von der Politik nachhaltig umgestaltet wurde. Anstand, Fairness und Gerechtigkeit war gestern.

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