Aufbruchstimmung erzeugt man nicht mit Beton

Der Bereich der atypischen Beschäftigung expandiert in Wuppertal. Die Leiharbeit wächst am schnellsten, die Teilzeitarbeit verbreitet sich massiv (+60% seit 2003), die sogenannten Arbeitsmarktreformen (Hartz-Gesetze usw.) haben den Arbeitsmarkt zerfräst, ohne dass es nennenswert mehr Arbeitsplätze gibt.

Von Bernhard Sander

Faktisch stagniert die Zahl der Stellen, doch die Umwandlung von immer mehr Vollzeitstellen in Teilzeit oder Leiharbeit ist ein Indiz, dass die Massenkaufkraft sinkt und immer weniger Wuppertalerinnen und Wuppertaler von ihrer Arbeit auskömmlich leben können. 

Hinter dem Zuwachs sozialversicherter Jobs um 4,95% zwischen 2008 und 2016 verbergen sich gravierende Probleme auf dem Wuppertaler Arbeitsmarkt. Sie sind schon vor der der Aufnahme der Geflüchteten entstanden. Während die sozialversicherte Beschäftigung in NRW um 13 Punkte zunahm, trat sie in Wuppertal auf der Stelle. Ob MiniJob, Teilzeit oder befristete Arbeit: in keinem Bereich reicht die Beschäftigungsdynamik an den Landesdurchschnitt heran – es war ganz offensichtlich kein Schwerpunkt der Wirtschaftsförderung und der Investitionspolitik von SPD und CDU in Wuppertal. 

Die Zahl der Vollzeitbeschäftigten ist in diesem Zeitraum 2008 bis 2016 deutlich um rd. 3000 Stellen gesunken. Arbeitsplätze, für die man einen anerkannten Berufsabschluss braucht, sind von 73.000 auf 71.000 Stellen gesunken. Jobs, für die man keinen Berufsabschluss benötigt, sanken von 21.000 auf 19.000. Für Menschen ohne qualifizierte Ausbildung sank die Stellenzahl um ein Fünftel. Dagegen wächst die Zahl der akademischen Lohnabhängigen auf 16200, aber das kann die stagnierende Kaufkraft nicht beflügeln.

Vier von zehn Stellen sind heute in Wuppertal „atypisch“. Jeder vierte Arbeitsplatz in Wuppertal bietet heute nur noch Teilzeit oder Leiharbeit. Hinzu kommen die Arbeitssuchenden und vom Arbeitsamt als Unterbeschäftigten (in Maßnahmen, Kranke usw.) mit 15%. Die Zahl der Männer, die in atypischen Beschäftigungen arbeiten müssen hat sich rasant entwickelt und seit dem Beginn des Jahrhunderts faktisch verdoppelt. 

                                                               Quelle:    https://www.boeckler.de/tools/atypischebeschaeftigung/index.php#result

Hunderte von Millionen hat die GroKo am Döppersberg in eine veraltete Vision verbaut. Die geschaffenen Ladenflächen können nur zulasten bestehender Flächen vermietet werden, Leerstand herrscht in den Spekulationsobjekten der luxemburger Töchter von Signature Capital. Die Fußgänger wurden aus dem Tunnel ans Licht geholt, um sie gleich wieder an den Rand einer achtspurigen Autobahn zu drängen, andere Verkehrsmittel als den PKW scheinen die alten Männer der SPD und CDU nicht zu kennen. Die erhoffte wirtschaftliche Dynamik geht von diesem Projekt nicht aus. Statt der von der Wirtschaftsförderung großspurig angekündigten 1.000 Arbeitsplätzen gibt es bisher nur eine Handvoll bad Jobs und auch Primark hat nur 200 Stellen in Aussicht gestellt. 

Die Investitionspolitik der GroKo hat auf den Handels- und Dienstleistungssektor gesetzt. Das hat weder die Stadtentwicklung beflügelt noch die Einnahmen verbessert. Große Ketten wie Primark, Ikea usw., die man ansiedelt,  haben sich von Heerscharen von Steuerberatern und Rechtsanwälten ausgeklügelte Unternehmensformen designen lassen, um sich optimal der Finanzierung des Gemeinwesens entziehen zu können. Der Niedriglohnsektor expandiert und fällt als Steuerquelle aus. 

Am Gebäude des Hauptbahnhofs, der Krone des Döppersberg, wird auf absehbare Zeit nichts renoviert, da die GroKo darauf verzichtet hat, ihre Investitionen am Unterbau (Mall, Sockel-Unterbauung, Fassade) an verbindliche Zusagen der Deutschen Bahn zu knüpfen.  

Die wirtschaftliche Konjunktur bewegt sich zyklisch auf und ab; je länger der Aufschwung dauert, desto wahrscheinlicher ist auch sein Ende. Mit dem Abschwung sinken die Steuereinnahmen und steigen Sozialabgaben. Hinzu kommt das mögliche Ende der Niedrigzinsphase. Alle Faktoren belasten dann die Stadtkasse. 

Teilhabe beginnt mit einem Arbeitsplatz, von Arbeit muss man leben können. Solche Grundsätze scheinen auf der Suche nach der neuen Mitte verloren gegangen zu sein.  

Quelle: Bernhard Sander, Mitglied des Ausschusses für Stadtentwicklung, Wirtschaft und Bauen sowie zeitweise Mitglied des Verwaltungsrats der Wirtschaftsförderungsgesellschaft, geht auf die Arbeitsmarktpolitik in Wuppertal ein und liefert Zahlen zur Beschäftigung. Er war zudem Bundestagskandidat der Partei: DIE LINKE in Wuppertal  

Anmelden

Kommentare

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert