Tacheles fordert Unterstützung für Sozialleistungsbeziehende

Wenn Berlin versagt, muss es Wuppertal richten!

 Bei den bislang verabschiedeten Sozialschutzpakete sind diejenigen, die schon seit längerem Sozialleistungen beziehen, weitgehend unberücksichtigt geblieben. Ihre Lebensrealität wird im politischen Berlin mit unerträglicher Ignoranz gestraft und die dringend benötigte Unterstützung weiterhin abgelehnt. Daher formuliert der Erwerbslosenverein Tacheles eine Reihe von Forderungen an Politik und Verwaltung, denn arme Menschen brauchen konkrete Unterstützung.

Tacheles begrüßt insoweit alle Anstrengungen, die seitens der Stadt Wuppertal bisher bereits unternommen worden sind, um unbürokratisch auch solche Personen zu unterstützen, die in „normalen“ Zeiten nur schwer Zugang zu Hilfen finden. Herzlichen Dank dafür an die Stadt Wuppertal, ihre Verwaltung und den Rat. Alle Bestrebungen, die Folgen für diese Personen abzumildern und auch derzeit geschlossene Einrichtungen wieder zu aktivieren, soweit sie in der Lage sind, die verschärfte prekäre Situation zu entspannen, sind deshalb auch weiter zu prüfen.

Tacheles begrüßt insbesondere auch die Entscheidung der Wuppertaler Stadtwerke WSW, in der Zeit der Covid-19-Pandemie bis auf weiteres Energiesperren auszusetzen.

Nichtsdestotrotz ist die Lage der Betroffenen weiterhin angespannt. Die Covid-19-Pandemie hat nicht nur zu teils erheblichen Preissteigerungen in Geschäften geführt, sondern eine ganze Reihe von Einkünften in Bargeld (u.a. Flaschensammeln, Straßenzeitungsverkauf, …) und auch als Sachleistungen (z.B. Essen in Kitas, OGS und Schulen, Tafeln, …) sind teilweise oder sogar komplett weggefallen. Zudem führen die notwendigen Einschränkungen auf Grund der Covid-19-Pandemie zu zusätzlichen Belastungen, z.B. auf Grund der oft beengten Wohnverhältnisse oder des Wegfalls oder der Schließung von Teilhabeangeboten aller Art. Einige Risikogruppen, wie z.B. Obdachlose und Geflüchtete sind von den Folgen dieser Pandemie deshalb besonders und mehrfach betroffen.

Tacheles ist sich bewusst, dass eigentlich unabhängig von der aktuellen Krisensituation weitere Hilfen – wie z.B. eine Anpassung der Regelbedarfe, für die der Bund zuständig ist – notwendig wären. Um jetzt aber pragmatisch eine schnelle Hilfe für die in Armut und prekären Lebensverhältnissen lebenden Menschen in Wuppertal  zu ermöglichen, möchten wir uns aufgrund der derzeitigen Lage auf folgende Anregungen beschränken:

 

 

Im Rahmen des Möglichen vor Ort helfen

Angesichts der Pandemie-Situation halten wir folgende Sofortmaßnahmen für dringend geboten und sinnvoll:

  1. Aussetzung aller Sanktionen, Aufrechnungen von Darlehen oder Rückforderungen
    Alle auch noch bestehenden Sanktionen, Aufrechnungen von Darlehen oder Rückforderungen aus Überzahlungen im SGB-II-/SGB-XII-/AsylbLG – Leistungsbezug sind bis auf weiteres  unverzüglich (im Sinne einer Stundung) auszusetzen. So kann die finanzielle Lage der Leistungsberechtigten  entspannt werden. Hier sind konkret das Jobcenter und das Sozialamt gefragt, diese Aussetzung zu verfügen.
  2. Stundung aller Forderungen aus dem Sozialleistungsbezug durch die Stadtkasse
    Alle Forderungen, die aus dem SGB-II-/SGB-XII-/AsylbLG – Leistungsbezug stammen und von der Stadtkasse Wuppertal geltend gemacht werden sowie alle dahingehenden Ratenzahl-ungen sind von der Stadt Wuppertal bis auf weiteres unverzüglich zu stunden.
  3. Aussetzung aller Kürzungen bei dem Unterkunftskosten
    Alle nicht als angemessenen geltenden Kosten der Unterkunft (KdU), die derzeit über den Regelsatz finanziert werden müssen und alle Unterkunftskosten, die wegen fehlendem Um-zugserfordernis vom Jobcenter auf die bisherigen Kosten eingefroren wurden, sollen ab sofort für die Dauer der Corona-Krise übernommen werden. Damit wird auch eine Ungleich-behandlung gegenüber denjenigen beseitigt, die erst ab 01.03.2020 Leistungen wegen der Folgen der Pandemie beantragt haben oder noch beantragen (müssen) und deren Kosten der Unterkunft in voller Höhe übernommen werden, auch wenn sie über den geltenden Angemessenheitsgrenzen liegen.
    Bei in dieser Zeit erforderlichen Umzügen von Leistungsbeziehern sollen außerdem die jetzt geltenden Angemessenheitsgrenzen sehr großzügig ausgelegt werden, da zu den derzeitigen Angemessenheitsgrenzen (fast) kein Wohnraum verfügbar ist. Uns ist bewusst, dass es Befürchtungen hinsichtlich daraus folgender höherer Mietforderungen gibt. Wir halten es aber für wichtiger, dass die Hilfe zum Lebensunterhalt auch tatsächlich für den Lebensunterhalt zur Verfügung steht.
  4. Schaffung von Vorkehrungen zum Schutz der Opfer von Gewalttaten
    Angesichts der häufig sehr beengten Wohnverhältnisse besteht in der Zeit dieser Pandemie die Gefahr einer höheren Zahl physischer und psychischer (auch sexueller) Gewalttaten insbesondere gegen Kinder und Frauen. Hierfür müssen Vorkehrungen getroffen werden, um bei Bedarf, zum Beispiel in den derzeit nicht genutzten Hotels, zusätzliche Kapazitäten für die bestehenden (und zuständigen) Wuppertaler Beratungsstellen zur Verfügung zu stellen.
  5. Einzelunterbringung von Obdachlosen und Geflüchteten
    Obdachlose und Geflüchtete (außerhalb von bestehenden Wohneinrichtungen) sollten nur noch so untergebracht werden, dass ein ausreichender Schutz in Bezug auf Corona möglich ist. Dies könnte u.a. durch das Angebot einer vorübergehenden Unterbringung z.B. in bereit-stehenden Hotels geschehen, um dadurch die Ansteckungsgefahr zu vermindern. Auch hier wäre in jedem Fall eine angemessene und bedarfsgerechte soziale Begleitung von bestehenden (und zuständigen) Wuppertaler Beratungsstellen sicher zu stellen. In Velbert steht jetzt eine Gemeinschaftsunterkunft unter Quarantäne. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis dies in Wuppertal auch passiert.
  6. Gewährung von Kosten für digitale Endgeräte für Homeschooling auf Zuschussbasis
    Die Stadt Wuppertal und das Wuppertaler Jobcenter und Sozialamt sollten für alle Schüler*innen in SGB-II-/SGB-XII-/AsylbLG – Leistungsbeziehenden Haushalten,  die über keinen Computer verfügen einen Leistungsanspruch auf Schulcomputer sicherstellen.  Bisher werden diese vom Jobcenter nur auf Darlehensbasis gewährt.  Mit Datum vom 22.05.2020 hat das Landessozialgericht NRW SGB II –beziehenden Schülern ein Tablet auf Zuschussbasis als pandemiebedingten Mehrbedarf gewährt. Wir fordern die Wuppertaler Sozialleistungs-träger auf nunmehr digitale Endgeräte für Homeschooling unverzüglich und auf Zuschussbasis zu gewähren.   Der Unterricht wird digital fortgesetzt. Digitaler Unterricht ist für die meisten Schüler*innen und Schüler verpflichtend. Viele einkommensschwache Haushalte sind indes nicht mit Computern oder Laptops ausgestattet. Dementsprechend können die Kinder solcher Haushalte dem digitalen Unterricht nicht folgen. Mit jedem weiteren Tag, den die Schulen geschlossen sind, wachsen deshalb die Rückstände bei diesen Kindern. Es ist durchaus möglich, dass die Schulschließungen auch über die Sommerferien hinaus verlängert werden. Da die Schulen die notwendigen Geräte in der Regel nicht kurzfristig bereitstellen können, besteht  ein Anspruch auf Übernahme der Anschaffungskosten gegenüber den jeweiligen Sozialleistungsträgern bestehen. Deshalb sollten die Wuppertaler SGB-II-/SGB-XII-/AsylbLG –Leistungsträger mit positivem Beispiel vorangehen und auch diesen Haushalten durch großzügige Leistungsgewährung einen Zugang zum digitalen Schulbesuch ermöglichen.
  7. Erlass der Rückforderung von coronabedingten Nothilfedarlehen
    Die Stadt Wuppertal, das Jobcenter und Sozialamt Wuppertal sollten alle Möglichkeiten prüfen, ob pauschal Zuschüsse und Darlehen an Leistungsberechtige wegen der besonderen Härtesituation auf Grund der Covid-19-Pandemie gewährt werden können. Diese könnten, wenn nötig, später auch wieder erlassen werden (z.B. gem. § 44 SGB II und § 59 LHO). Eine hierfür notwendige Härtesituation ist durch die Pandemie mit ihren Folgen gegeben.
  8. Auszahlung der weggefallenen Kosten für Verpflegung
    Die Stadt Wuppertal sollte wohlwollend prüfen, ob die Verpflegungskosten des Bildungs- und Teilhabe-Pakets, die derzeit aufgrund der Schul- und Kitaschließungen nicht genutzt werden, den Leistungsberechtigten bis auf weiteres einfach unbürokratisch ausgezahlt werden können. Der Regelung aus dem Sozialschutzpaket II, das Essen hilfebedürftigen Haushalten nach Hause zu bringen, ist wegen der fehlenden Umsetzbarkeit, der damit einhergehenden Diskriminierung und dem Verstoß gegen den Datenschutz eine klare Absage zu erteilen.

Wuppertal, den  28.05.2020

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