Mein Zuhause

Als ich vor über vier Jahren durch dieses Viertel ging, um mir anzusehen, wie das Leben in der Wuppertaler Nordstadt aussieht, hätte ich nicht damit gerechnet nicht bloß einen neuen Wohnort gefunden zu haben, sondern vielmehr ein Zuhause.

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Als ich vor über vier Jahren durch dieses Viertel ging, um mir anzusehen, wie das Leben in der Wuppertaler Nordstadt aussieht, hätte ich nicht damit gerechnet nicht bloß einen neuen Wohnort gefunden zu haben, sondern vielmehr ein Zuhause.

Mir gefielen die Altbauten und kleinen Straßen, die Nähe zur Innenstadt und die bunte Mischung von Menschen aus allen Teilen dieser Erde, die hier friedlich zusammenleben. Die Geschichte des Viertels ist klassisch und zeichnet sich teils noch heute ab. Immer schon war die Nordstadt ein Viertel der Arbeiter und Armen und immer schon war sie solidarisch und multikulturell. Auf den Widerstand gegen den Hitler-Faschismus ist man in Wuppertal heute noch stolz und viele Wuppertaler zeigen das regelmäßig, indem sie sich an Anti-Nazi-Blockaden und Aktionen beteiligen.

Auch heute noch sind in der Nordstadt nur linke Aufkleber, Graffiti und Plakate sichtbar. Alles rechts der SPD hängt in diesem Bezirk keine Wahlplakate auf. Der Grund: Sie verschwinden schneller, als man gucken kann. Doch wann immer sich die Krisen im Kapitalismus zuspitzen, sind es gerade die linken Orte und Viertel, die eine Faszination auf verunsicherte Menschen ausüben. Und so entsteht dann die berühmt-berüchtigte Gentrifizierung. Kapitalisten sehen eine Möglichkeit einen linken Ort gewinnbringend auszuschlachten und sanieren Häuser, heben die Mieten an und finden Kundschaft, die die neuen Preise bezahlen kann. Die Widersprüchlichkeit des Kapitalismus zeigt sich hier besonders deutlich. Auch die Miete für unsere Wohnung liegt leicht über dem Mietspiegel und das Haus war frisch saniert, als wir einzogen.

Mit der Zeit lernte ich die Nordstadt, ihre mehr oder weniger versteckten Orte und ihre wunderbaren Menschen näher kennen und lieben. Es entstand ein Zuhause mit einer Familie, für die ich mich verantwortlich fühle. Was das bedeutet?

Ich kontrolliere bei jedem Weg durch mein Viertel die Graffiti, Aufkleber und Plakate und entferne, ganz, ganz selten, das, was nicht zu unserem menschenfreundlichen Viertel passt. Ich beobachte die Entwicklung der Häuser hier. Was steht leer? Warum und wie lange schon?

Ich lerne die Menschen, die hier leben und ihre Projekte und Ideen immer besser kennen, damit ich sie bestmöglich unterstützen kann. Mit der Zeit ist so ein wunderbares Netzwerk entstanden.

Ich unterstütze die Läden in meinem Viertel aber auch finanziell, so weit ich es kann. Ich versuche meine Besorgungen zu Fuß zu erledigen, nicht bloß wegen der sportlichen Ertüchtigung, sondern eben auch, damit das Geld im Viertel bleibt.

 

Seit 17 Jahren arbeite ich in der Gastronomie. Und auch dieser Beruf hat viel mit einem Zuhause zu tun. Wir Gastronomen versuchen eine Art zweite Heimat zu schaffen, in der Menschen sich wohlfühlen und vertrauen. In der Netzwerke und Bildung auf Augenhöhe entstehen, in der gemeinsam gekocht, gegessen, gelacht und getrunken wird. Ich habe in all diesen Jahren so viele Hochzeiten, Geburtstage, Beerdigungen, und andere Festivitäten erlebt, dass ich sie nicht mehr zählen kann. Wir Gastronomen begleiten euch ein kleines Stück auf eurem Lebensweg und wir freuen uns, wenn ihr immer wieder zu uns zurückkehrt. Auch nach über 17 Jahren liebe ich meinen Job und möchte ihn für keinen anderen eintauschen. Im Café Ada, im Café Stil Bruch, im Wirtschaftswunder und im Spunk habe ich so viele, wunderbare und interessante Menschen kennengelernt, von denen ich die meisten viel zu selten bis nie sehe.

Das war auch einer der Gründe, warum ich die Besetzung der Marienstraße 41 unterstützte. Ich wollte ein offenes Wohnzimmer, in dem ich mit euch zusammen kommen konnte, um darüber zu reden, wie wir leben wollen, hier in der Nordstadt. Es gab insgesamt zwei Versuche mitten auf dem Ölberg ein soziales Zentrum zu eröffnen. Und es gab interessante Erkenntnisse.

Auf der einen Seite war da die völlig freidrehende, gewalttätige Staatsmacht in Form von unzähligen Riot Cops, die sich komplett rechtswidrig das Haus aneigneten, um die jugendlichen Besetzer erst mit einer Waffe zu bedrohen und anschließend mitzunehmen.

Auf der anderen Seite war da aber auch die überwältigende Solidarität der Nachbarschaft, mit der niemand gerechnet hatte. Als zum Nachbarschaftstreffen einen Tag nach der ersten Besetzung über 80 Menschen auf dem Otto-Böhne-Platz zusammen kamen, um darüber zu reden, wie man ein soziales Zentrum auf dem Ölberg eröffnen könnte, hatte ich Tränen in den Augen und schwor mir diesen Moment niemals zu vergessen.

So viele Hoffnungen, so viele Ideen… Ich wollte nicht, dass sie alle Utopien bleiben und habe nie aufgehört daran zu glauben. Und nun ist es endlich soweit. Ich bekomme mein Wohnzimmer doch!

Am 22.12. eröffnen wir in der Wiesenstraße 48 unser Info-Café, in dem ihr alle herzlich willkommen seid, egal wie viel Geld ihr habt, woher ihr kommt, welche Hautfarbe ihr habt, wen ihr liebt oder woran ihr glaubt. Die einzige Bedingung ist, dass ihr diesen Grundsatz mit uns teilt. Daher schließen sich Rassisten und AfDler von selbst aus.

Noch ist nicht alles fertig, aber wann ist es das schon? Wir können nicht länger warten und wollen für euch unbedingt noch dieses Jahr unsere Türen öffnen.

Ab 15 Uhr könnt ihr in der Wiesenstraße 48 in Wuppertal Elberfeld vorbeischauen. Es wird Essen und Getränke gegen Spende geben und sogar ein kleines Programm. Von 17 bis 19 Uhr wird die erste, von hoffentlich vielen offenen Kulturbühnen stattfinden. Denn ab Januar erwartet euch ein buntes Programm im Info-Café in der Wuppertaler Nordstadt. Kulturbühne, Kino-Abend, Info-Veranstaltung und eine Runde zum Handarbeiten und Upcyclen wird es jeden Monat geben, damit wir alle uns besser kennenlernen und voneinander lernen können.

Und natürlich freuen wir uns über eure Ideen und Wünsche, die wir dann alle gemeinsam umsetzen können.

Wenn ihr uns unterstützen wollt, könnt ihr das mit einer Sachspende in Form von Barhockern oder Kaffeegeschirr tun. Wenn ihr solche Sachen nicht zu Hause habt, könnt ihr auch einen Betrag, den ihr erübrigen könnt, für unsere Crowdfunding Kampagne spenden:

https://www.gofundme.com/infocafe-in-wuppertal#

oder über PayPal spenden:

info@enoughisenough14.org

oder direkt auf das Bankkonto:

Name der Bank: GLS Bank

Kontoinhaber: Renatus Schuijlenburg

IBAN: DE03 4306 0967 4120 6275 00

Verwendungszweck: Enough is Enough!

 

Ich danke jedem von euch, der uns bis hierher unterstützt hat. Ohne eure vielfältige Hilfe wäre all das gar nicht möglich gewesen.

Für ein solidarisches Viertel und eine solidarische Welt!

Eure Vicky

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