Ich hab‘ das für die Kinder und meine Enkel gemacht!

550 Wuppertaler waren dabei, als am Samstag das Ehrenamt in Vohwinkel zu Grabe getragen wurde. Was es bedeutet wenn ein solches Projekt stirbt, erzählt die Geschichte von Walter Töpfer - Kassierer im Bürgerbad Vohwinkel.

Das Bürgerbad wird am 15. Dezember geschlossen – das ist sicher! Die prekäre Finanzlage verhindert die Fortführung des Bades. Dennoch haben die Vohwinkler am vergangenen Samstag demonstriert, denn sie wollten ein Zeichen setzen. Unter dem Motto „Ehrenamt vor dem Aus?“ haben sie sich versammelt. Trotz der Kürze der Zeit – vom Aufruf bis zum Termin sind nur 4 Tage vergangen – ist ein Sarg organisiert, auf dem in großen schwarzen Lettern „EHRENAMT“ steht, sind Transparente hergestellt, hat der Fuchs im Logo Tränen in den Augen.

Ca. 550 Wuppertaler sind dem Aufruf gefolgt. Vom Bürgerbad zieht der Zug durch die Stadt und sammelt sich wieder an der kath. Kirche St. Mariä Empfängnis. Dort hält Bürgermeister Heiner Fragemann eine Abschlussrede in der er noch einmal betont, wie wichtig das Ehrenamt für die Demokratie, für die Stadt und für die Menschen ist. Er bedauert die mangelnde Unterstützung durch die Stadt. Für ihn ist es ein falsches Signal, vor allen Dingen deshalb, weil ungeheuere Geldmengen in Dinge fließen, die für die meisten Menschen nicht mehr nachvollziehbar sind. Mehrfach dankt er den Ehrenamtlichen für die hervorragende Arbeit der letzten 2 Jahre und bittet darum, trotz Frustration und Traurigkeit, in ihrem Engagement nicht nachzulassen. Was es bedeutet wenn ein solches Projekt stirbt, erzählt die Geschichte von Walter Töpfer:

Walter Töpfer ist seit dem 1. März 2011 dabei. Er ist der Kassierer im Bürgerbad Vohwinkel. 74 Jahre ist er alt und Rentner. Vor drei Jahren hat er seine Frau verloren und mit seiner Aufgabe im Bürgerbad Vohwinkel einen neuen Lebensinhalt gefunden. Vorher war er bei Bayer im Pflanzenschutz. Jetzt steht er Woche für Woche 38 – 40 Stunden hinter dem Tresen, kassiert den Eintritt, verkauft Werbeartikel, kocht Kaffee und räumt auf. „Was soll ich denn machen ohne“, sagt er mit leicht hessischem Akzent. „Mir macht das hier Spaß. Ich hab‘ das für die Kinder und meine Enkel gemacht.“ Zwischendurch kommt jemand zum kleinen Schwatz vorbei. Die meisten Badbesucher kennt Walter Töpfer persönlich. „Es kommen pro Tag so zwischen 100 und 190, das ist ganz unterschiedlich“. Als Beleg holt er seine Kladde mit einer Strichliste hervor: Jeden Tag, jeder Gast ein Strich. Es ist warm und ein bisschen schwül in der Vorhalle zum Bad. Alles wirkt ein wenig improvisiert und ist deshalb besonders gemütlich.

Während des Gesprächs kommt ein Gast vorbei und will seinen Mitgliedsbeitrag für den Bürgerbadverein bezahlen. „Kann ich das hier?“ „Moment einmal, sicher können Sie das“. Mit Seelenruhe holt Walter Töpfer einen Barcode aus einer seiner Schubladen, scannt ihn ein, der Gast bezahlt seine 12 Euro. Nachdem die Kasse einen Beleg ausgedruckt hat, wird rechts oben der Name notiert. Danach verschwindet der Zettel wieder in der Schublade und damit ist der Vorgang beendet. Und weil hier jeder Zeit hat, entspinnt sich eine Diskussion zum Thema Engagement. „Wir können uns so viel engagieren wie wir wollen! Die machen doch sowieso was die wollen! Wir haben gar keine Chance, dass unsere Angelegenheiten auch nur diskutiert werden“, schimpft der Gast. Er war bei der Demo dabei. Aufregung über Hinterzimmerpolitik, Ignoranz und Ablehnung seitens der Entscheidungsträger treiben ihm die Zornesröte ins Gesicht. Ein schweigender Beteiligter hört der Diskussion zu und nickt mit dem Kopf. Später wird er sagen, dass er nicht weiß, wie es mit dem Vereinsschwimmen und seinem Sohn weiter gehen soll. Eine junge Angestellte des Bades hält eine Postkarte hoch, auf der in zwei Zeilen steht „Immer lächeln! Morgen wird es noch schlimmer“. Man macht mangels Alternativen eben weiter.

Währenddessen sitzt in der Vorhalle des Bades eine Gruppe von 4 Frauen mit Kindern und unterhalten sich. Alltag! Morgen kommt früh genug. Im Becken, welches durch eine große Glasscheibe zu sehen ist, toben etwa 10 Jugendliche und ein paar Erwachsene ziehen ihre Bahnen. Es ist Samstag 13.00 Uhr und von „Nichts los“ kann keine Rede sein.

Wie denn die Stimmung beim Personal ist, will ich wissen. „Die ist eigentlich immer gut, nur seitdem wir wissen, dass das Bad geschlossen werden soll, sind wir traurig.“ „Besteht denn keine Hoffnung mehr?“ „Nein, das war doch beschlossene Sache! Noch bevor wir von der Schliessung wussten, sind schon Leute von einem Abrissunternehmen hier herumgeschlichen,“ regt Walter Töpfer sich auf. „Das deutet doch darauf hin, dass die gar nicht wollten, dass das Bad weiter existiert. Und OB Jung hat uns noch gewünscht, dass das Bad möglichst lang existiert.“ Er schüttelt deprimiert den Kopf und zeigt mir das gerahmte Grusswort des Oberbürgermeisters zur Gründung des Bades, auf dem der relevante Satz pink hervorgehoben ist. „Und dann müssen alle Leute in die Schwimmoper. Und wissen Sie was, die Leute erzählen alle, wenn sie mal in einem anderen Bad waren, dass es hier viel schöner, viel sauberer ist. Und vor allen Dingen netter und freundlicher“. Die Aussage deckt sich mit dem, was mir 3 Schülerinnen auf der Demo vorhin erzählt haben. Sie sollen ab sofort in der Schwimmoper schwimmen und haben dazu gar keine Lust weil es „hier viel schöner ist“.

Frisch geföhnt und entspannt kommt ein älterer Herr aus den Umkleidekabinen und bestellt einen Kaffee. „Sofort“, Walter Töpfer eilt. Weil das Wasser im Tank der Maschine leer ist, verschwindet er in einem Hinterzimmer und kommt mit dem gefüllten Behälter wieder heraus. In aller Seelenruhe wird die Maschine wieder zusammengebaut, die Tasse untergestellt und der Knopf gedrückt. Ein guter Schümli läuft in die Tasse. Zufrieden bezahlt der Herr und geht mit seiner Tasse in Richtung Becken, um die Schwimmenden zu beobachten und noch in Ruhe seinen Kaffee zu trinken.

Drei ältere Herrschaften laufen in der Zwischenzeit in dem Vorraum auf und ab, haben offensichtlich etwas zu besprechen und zeigen im Raum umher. Dann kommen sie zu Walter Töpfer. „Wir brauchen noch Tische und Stühle. Unsere reichen gerade für 30, wir brauchen aber mindestens 50 Stück für das Kaffeetrinken.“ Auf die Frage warum sie im Schwimmbad ein Kaffeetrinken organisieren, erzählt mir Gustav Steins: „Unser Lichterschwimmen steht vor der Türe. Danach gibt es immer ein gemeinsames Kaffeetrinken“. Auf meine Nachfrage was das Lichterschwimmen denn sei erzählt er, dass sie jedes Jahr an Nikolaus ein Weihnachtsschwimmen veranstalten, dass sie dafür 1000 bis 2000 Kerzen aufstellen und Weihnachtsmusik im Schwimmbad einspielen. „Das haben wir schon immer so gemacht. Wir treffen uns um 6.00 Uhr in der Früh. 2-3 Stunden brennen die Kerzen dann und so lange wird geschwommen.“ „Es kommen dafür sogar Leute aus dem Zooviertel nach Vohwinkel,“ sagt eine der Begleiterinnen von Gustav Steins. Nach dem gemeinsamen Schwimmen wird dann noch gemeinsam Kaffee getrunken. Traurig dass es das nicht mehr geben soll „aber wir sind dankbar, dass wir das noch zwei Jahre machen konnten“ und an Walter Töpfer gewandt: „Schaffst Du es die Tische zu organisieren und wir müssen eher rein, damit wir die Kerzen anzünden können.“ Walter Töpfer nickt. Fröhlich verabschiedet sich die Truppe und verlässt das Bad.

Mit dem Bügerbad stirbt ein Nachbarschaftsprojekt das Heimat ausmacht, der Gesundheit gut tut, eines was versucht hat, andere Wege zu gehen und kreativer zu sein.

Kai-Rüdiger Becker, Vorstandsvorsitzender des Bürgerbad Vohwinkel e.V. erklärt im Gespräch, dass mit den Veranstaltungen, den Eintrittsgeldern und den Vereinsbeiträgen der Betrieb des Bades leider nicht zu stemmen sei. Im jetzigen baulichen Zustand sind für den laufenden Betrieb etwa 620.000 Euro notwendig. Bei Einnahmen von etwa 500.000 Euro pro Jahr, fehlen der Vereinskasse pro Jahr etwa 120.000 Euro. Das Dach ist undicht, in der Dämmung steht Wasser, die Pumpen sind ungeregelt.

Laut Becker sollte ein Sponsor gefunden werden, der 5 Jahre einen Betriebskostenzuschuss in Höhe der fehlenden Summe bereit stellt. In dieser Zeit sollte das Bad energetisch saniert werden, so dass der Zuschuss danach entfallen kann. Die Stadt hatte in letzten Gesprächen versprochen, bei der Sponsorensuche zu unterstützen. Leider war die Suche nicht erfolgreich, so dass sich die Vereinsvorsitzenden schweren Herzens zur Schließung des Bad durchgerungen haben.

Zu den Gerüchten, dass die Stadt schon lange Pläne für den Bau eines Kindergartens in der Schublade habe und die Fortführung des Bades deshalb blockiere, meint Becker, dass die Idee für einen Kindergarten tatsächlich schon länger existiere, dass diese Tatsache aber nichts mit der Schließung des Bades zu tun habe. In der Verwaltung würde über den Bau von Kindergärten nachgedacht, weil Gelder dafür zur Verfügung stehen. Dezernent Matthias Nocke unterstütze ihn nach wie vor nach Kräften. Auch wenn es mit dem einen oder anderen Vertragspartner im Verlauf der Zusammenarbeit Probleme gegeben habe – in den zwei Jahren sei von Seiten des Sportdezernats und des Vereins gute Arbeit geleistet worden, auf die alle stolz sein könnten. „Mir kommt es darauf an, dass alle erhobenen Hauptes aus der Sache heraus gehen können, das ist mir das wichtigste“, sagt Becker.

Es ist traurig, dass kein Sponsor gefunden werden konnte. In den Zielen des Vereins steht, neben dem Erhalt des Bades über 2011 hinaus auch, dass ein Bürgertreffpunkt geschaffen werden soll. Das ist eindrucksvoll gelungen. Wuppertal wird um ein Stück Heimat ärmer und Walter Töpfer wird sich ein neues Betätigungsfeld suchen müssen.

Anmelden

Kommentare

  1. Es ist traurig was da in Vohwunkel passiert, überhaupt mit unseren Bäder, die Stadtteil bezogen sind. Ein Ortsteil wie Vohwinkel mit vielen Senioren, Kindern und Jugendlichen gehört ein Bad. Die WSW hätte mit einem Sondertarif helfen müssen aber was sollen wir Barmer sagen? Erst fällt das bad an der Flurstr. weg (jetzt Brauhaus) und zudem das Kurbad in Unterbarmen. Wir können nur zur Schwimmoper oder Langerfeld fahren, was für alte Leute unerreichbar wird. Ich weiß nicht, die kultur wird ja auch arg eingeschränkt im Sparpaket aber für die Bäder finde ich für die Verwaltung keine Entschuldigung hier so gegen das Gesundheitsschwimmen der Bürger zu entscheiden.

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert