Wann kommt der Erinnerungsort Burgholz?

Leider werden wir zum 71. Jahrestag des Massakers weder ein offizielles würdiges Gedenkzeichen noch die geplanten Informationstafeln vorfinden. „Ich bin doch etwas verärgert über das mangelnde städtische Engagement in Sachen Erinnerungsort Burgholz."

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Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V.

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2. Gedenkwanderung zum 71. Jahrestag des Burgholz-Massakers

27. Februar 2016 14:30 Uhr, Treffpunkt Bushaltestelle Obere Rutenbeck/ Küllenhahnerstraße

Vor 71 Jahren ermordeten Angehörige der Wuppertaler Kriminalpolizei und der Gestapo dreißig russische und ukrainische ZwangsarbeiterInnen und verscharrten sie in einem Massengrab. Die Täter wurden später von der britischen Militärjustiz in Hamburg im sogenannten Burgholzcase verurteilt. Es wurden 6 Todesurteile ausgesprochen, die meisten Angeklagten verurteilte man zu hohen Haftstrafen. Allerdings wurden die Todesurteile nicht vollstreckt und kein Täter war länger als sechs Jahre in Haft.
Von den Opfern, die exhumiert wurden und später auf Anweisung der Alliierten auf dem Schorfer Friedhof in Cronenberg bestattet wurden, wissen wir nur wenig. Nur der Name der ukrainischen Lehrerin Helena Matrosowa ist uns heute bekannt.

Die Wanderung führt uns in die Nähe des alten Polizei-Schießstandes zu dem Massengrab, in dem die Erschossenen zunächst verscharrt wurden und zum geplanten „Erinnerungsort Burgholz“ am Helena Matrosowa-Platz. Im Anschluss werden wir gemeinsam zum Friedhof Schorfer Straße fahren.

Erinnerungsort Burgholz

Das Gebiet um den alten Polizeischießstand ist ein historischer Ort in zweifacher Hinsicht. Nach neueren Forschungen wurde das Waldgebiet Burgholz ab 1943 von der Wuppertaler Gestapo als regionale Hinrichtungsstätte genutzt. Zwei Einzel-Hinrichtungen von Zwangsarbeitern im Sommer 1943 sind aktenkundig. Ende Februar 1945 ermordeten Kripo- und Gestapo-Beamten dreißig sowjetische ZwangsarbeiterInnen. Am 12. oder 13. April 1945 erschossen zwei Wuppertaler Gestapo-Beamte den Leutnant der Schutzpolizei Peter Schäfer. Darüber hinaus war der Schießstand im Burgholz von 1933 bis 1945 Ausbildungsort für Kripo, Gestapo, Schutzpolizei und die Wuppertaler Polizeibataillone. Der Schießstand ist mit der Verbrechensgeschichte der Wuppertaler Polizei im Nationalsozialismus also eng verbunden.

Wir möchten am sogenannten Zimmerplatz am Rande des Wanderweges zum Polizei-Schießstand Informationstafeln zum Burgholz-Massaker und zur Wuppertaler Polizeigeschichte im Nationalsozialismus aufstellen.Auf den Tafeln sollen sowohl der Standort des Massengrabes, als auch der Standort der anderen acht gefundenen und leeren Gruben kartiert werden. Die Tafeln sollen zudem via QR-Code auf eine Internetseite verweisen, die ausführliche Hintergrundinformationen und Bildungsmaterialien zu den Massakern, zu NS-Tätern aus Wuppertal und zur Wuppertaler Polizeigeschichte bereitstellt. Außerdem soll der Platz als Ausdruck der Würdigung der Ermordeten in Helena Matrosowa-Platz umbenannt werden.

Darüber hinaus soll der neue Erinnerungsort ein historisch-politisches Bildungsangebot für die Polizeiausbildung sein, sich an einem historisch-authentischen Ort mit der Verbrechensgeschichte des eigenen Berufsstands auseinanderzusetzen und neue Formen der Menschenrechtsbildung auszuprobieren. (Siehe auch unsere Bildungsmaterialien zum Burgholz- und zum Wenzelnberg-Massaker)

Große Ankündigungen und nichts passiert

Leider werden wir zum 71. Jahrestag des Massakers weder ein offizielles würdiges Gedenkzeichen noch die geplanten Informationstafeln vorfinden. In einem Brief an den Oberbürgermeister äußerte sich Lieselotte Bhatia, Autorin des Buchs über das Burgholzmassaker: „Ich bin doch etwas verärgert über das mangelnde städtische Engagement in Sachen Erinnerungsort Burgholz. Seit 2001 versuchen wir mit langem Atem, mit Gedenkfeiern, Broschüren, Büchern und Petitionen eine Würdigung der Opfer des Burgholz-Massakers zu erreichen. Im letzten Jahr erinnerten wir am 28. Februar 2015 zusammen mit über 100 BürgerInnen im Beisein des Attaché des Generalkonsulats der Russischen Föderation an den 70. Jahrestag des Burgholz-Massakers und erneuerten die Forderung nach einem würdigen Erinnerungsort.“

Seit dieser großen Gedenkfeier schien es endlich vorwärts zu gehen. Schließlich unterstützte auch die Bezirksvertretung Cronenberg unser Anliegen. Am 22. Mai 2015 wurde zu einem großen Treffen mit den Verantwortlichen ins Rathaus geladen. Dort vereinbarten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die Schilder möglichst bis zum 9. November 2015 aufzustellen. Seit diesem Treffen haben wir von den Verantwortlichen allerdings nichts mehr gehört, geschweige denn wurde ein Gedenkort im Burgholz eingerichtet.

Jetzt stehen wir auch am 71. Jahrestag ohne würdige Gedenkzeichen und Informationstafeln da. Und wir hören, dass es neue „Probleme“ gibt. Zum einen dürften in einem Naturschutzgebiet ohne Bauantrag keine Informationstafeln mehr aufgestellt werden, zum anderen müsste Herr Illner vom Historischen Zentrum noch seine historische Aufarbeitung zum Burgholz-Massaker abschließen und ein Konzept für die städtische Kommission „Kultur des Erinnerns“ zur Entscheidung vorlegen.

Auf diese Weise wird die Einrichtung eines Erinnerungsortes Burgholz einmal mehr auf die lange Bank geschoben. Absprachen und Termine werden nicht eingehalten, eine Kommunikation findet nicht statt. Also warten wir gespannt auf den 72. Jahrestag des Burgholzmassakers im Jahre 2017. Ein Jahr müsste für die Beantragung und Bewilligung einer Informationstafel doch genügen. Außerdem kann bis dahin endlich die historische Forschung zum Burgholz-Massaker vollendet werden. Zudem könnte dann auch wissenschaftlich und politisch geklärt werden, ob die Gedenktafel für den Förster und Ritterkreuzträger Heinrich Hogrebe im Burgholz noch in die Gedenkpolitik der Stadt Wuppertal und in das Naturschutzgebiet passt.

Defizite in der Gedenk- und Erinnerungsarbeit

Wuppertal hat in den letzten Jahrzehnten zugelassen, dass wichtige Spuren von Verfolgung und Widerstand aus der NS-Zeit zerstört wurden. Als Beispiele nennen wir das abgerissene Polizeigefängnis in der Bachstraße in Barmen, in dem noch die Gefängniszellen aus der NS-Zeit erhalten waren. Auch beim Neubau des Jugendgefängnisses in Wuppertal-Erbschlö wurde einfach der historische Tatort der Deserteurs-Erschießungen überbaut. Anfängliche Planungen, „die Integration eines Mahnmals für die auf dem Gelände erschossenen Deserteure“ vorzunehmen, wurden einfach wieder vergessen, obwohl ein Denkmal im Bereich der Justizvollzugsschule und auch im Bereich der späteren Bereitschaftspolizei eine lebendige Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-Zeit und ein Beitrag zur berufsgruppenorientierten historischen Bildung und Menschenrechtsbildung hätte sein können. Zumal bereits seit langer Zeit eine Skulptur für ein Wuppertaler Deserteursdenkmal von Ernst-Gerd Jentgens existiert.
(http://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Wettbewerb_fuer_JVA-Gelaende_in_Wuppertal_entschieden_28822.html)

Auch ist die Situation am ehemaligen KZ Kemna nach wie vor unbefriedigend. Bis heute gibt es keine aktuelle, die neusten Forschungen aufgreifende Informationstafel, die im Bereich des ehemaligen Konzentrationslagers, der jetzt leerstehenden Fabrik, aufgestellt werden könnte. Sie sollte endlich kompakt über die Geschichte des KZ, über das Leiden der Häftlinge, aber auch über die SA-Wachmannschaft, den Kemna-Prozess und über den mühsamen Weg der Erinnerung an das frühe KZ, auch im Hinblick auf die Entstehung des Schüler-Denkmals, erinnern.

Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen im Wuppertal e.V. 23.2.2015

Literaturhinweise:

Lieselotte Bhatia, Stephan Stracke: In letzter Minute – Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land Bildungsmaterial zur Wuppertaler Polizei- und Widerstandsgeschichte Bd. 1.
De Noantri Verlag ISBN: 978-3-943643-03-9
320 Seiten 18,00 €

Ulrike Pastoor, Oliver von Wrochem (Hrsg.) NS-Geschichte, Institutionen, Menschenrechte. Bildungsmaterialien zu Verwaltung, Polizei und Justiz, Berlin 2013.

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