Eine zukunftsfeste und würdige Rente – kann das falsch sein?

Senioren sollten ihre Interessen öffentlich artikulieren, wenn abzusehen ist, dass die kommende Rente nicht zukunftsfest oder würdig werden soll. In der Rentenkommission sollten ihre Interessen in angemessenem Maß vertreten werden: Wer nicht mit am Tisch sitzt, steht auf der Speisekarte.


Seit dem Anbruch der neoliberalen Ära ist es ab und zu ratsam, auf unser Grundgesetz zu verweisen. Dort steht, dass die Bundesrepublik ein demokratischer und sozialer Bundesstaat ist. Wie das Eigenschaftswort „sozial“ in diesem Zusammenhang zu verstehen ist, wurde insbesondere in der Adenauer-Ära herausgearbeitet. Angleichungen an das US-amerikanische Vorbild sollten immer hinterfragt werden, ob sie bei uns verfassungskonform sind. Es wäre gut, wenn sich Wuppertaler Rentner*innen in dieser Hinsicht bemerkbar machten und ihre Bundestagsabgeordneten nach ihrer Einstellung zur Rentenreform fragten-
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/die Grünen hat den Antrag der Bundesregierung zur Regelung der Rente in den nächsten Jahren nicht zugestimmt, aber deutlich gemacht, dass sich ihre Gründe dafür von den Gründen der Jungen Gruppe in der CDU/CSU deutlich unterscheiden. Ihre plakative Grundforderung lautet; „Eine zukunftsfeste und würdige Rente“. Diese Forderung ist so schwammig, dass sie präzisiert werden musste. Im Detail bedeutet das:
• Eine gerechte Verteilung der Kosten auf alle Generationen
U.a. gute Löhne und eine breite Beitragsbasis, qualifizierte Einwanderung und. Prävention.
• Nachhaltige Kapitaldeckung und private Vorsorge für eine starke Rente
U.a. zusätzliche Kapitaldeckung der gesetzlichen Rente, zusätzlicher Bürger*innen-Fonds als Mittal der privaten Vorsorge.
• Eine auskömmliche und gerechte Rente
U.a. Stabilisierung des Rentenniveaus bei mindestens 48 %, zur Vermeidung von Altersarmut Leute mit geringem Einkommen bei Erwerb höherer Rentenansprüche unterstützen, Garantierente nach 30 Beitragsjahren.
• Rente mit 67, wer möchte, auch später
U.a. Anreize, dass Menschen länger arbeiten können, flexibler Übergang zur Altersteilzeit, andererseits für sehr lange Versicherte weiterhin die Möglichkeit der Verrentung bei zu geringer Belastbarbarkeit.
Jede Interessengruppe wird jetzt wohl detailliertere Vorstellungen veröffentlichen, und wir werden sehen, was am Ende für die Rentner*Innern herauskommt. Dass sich die Beratungen der Rentenkommission hinziehen können und am Ende etwas verabschiedet wird, das für die Widerwahl der amtierenden Regierung gut ist, lässt die bisherige Geschichte der Rentenreformen erwarten.
Die Bismarck’sche Rentenversicherung war kapitalgedeckt und deshalb „zukunftsfest“. – außer bei galoppierender Inflation und immensen Kriegsfolgen. Der Beitrag zur Rentenversicherung war sehr gering, und es gab auch nur wenige Versicherte, die das Rentenalter erreichten. Aber der ausgezahlte Rentenbetrag war trotzdem so gering, dass er nach den heutigen Vorstellungen wohl nicht als „würdig“ gelten würde. Diese Regelung blieb bis zum Jahr 1957 erhalten. Da gab es schon einen wirtschftlichen Aufschwung, den Anfang des Wirtschaftswunders.
Eine wesentliche Veränderung hatte es dadurch gegeben, dass im Grundgesetz festgelegt wurde, dass wir einen demokratischen und sozialen Bundesstaat haben. In seiner ersten Regierungserklärung hatte Konrad Adenauer im Jahr1949 betont: „Das Streben nach Linderung der Not, nach sozialer Gerechtigkeit, wird der oberste Leitstern bei unserer gesamten Arbeit sein.“ Im Jahr 1950 wurde die Versorgung der Kriegsopfer geregelt. Hinzu kamen das Bundesvertriebenengesetz und das Bundesergänzungsgesetz zur Entschädigung von Verfolgten des Nationalsozialismus (1953) sowie das Kindergeldgesetz (1954).
Erst danach wurde das Problem der Altersarmut angegangen. Die Idee des „Generationenvertrags“ wurde geboren: dass jede Generation die Rente für die vorherige durch ihre Beiträge finanzieren sollte. Außerdem sollte die Rente dynamisch sein, an die Lohnentwicklung angepasst werden. Streit gab es um die Idee, dass durch die Rente der Lebensstandard aufrechterhalten werden solle. Die Fronten waren ähnlich wie die bei der jetzigen Diskussion: Bundeskanzler und Bundesarbeitsminister gegen Bundeswirtschaftsminister und Bundesfinanzminister. Sozialer Flügel gegen Wirtschaftsflügel. Die Gegner wissen auf die Risiken hin, die Befürworter sahen angesichts der guten Wirtschaftslage keinen Grund zur Besorgnis. Im Januar 1957 wurde dann die Rentenreform gegen die Bedenken der Gegner beschlossen.
Zunächst überwogen die Vorteile, aber seit den 1970er Jahren zeigten sich deutlich negative Folgen, vor denen gewarnt worden war, insbesondere die Folgen des demographischen Wandels. Zuvor gab es aber im Jahr 1960 das Sozialhilfegesetz und in den 1960er Jahren eher gesellschaftspolitische Reformen wie das Arbeitsförderungsgesetz, das Berufs- und Ausbildungsgesetz sowie das Wohngeldgesetz. In diesen Zeiten war Deutschland das Land mit der oder einer der höchsten Sozialleistungsquoten. Wie es scheint, waren damals die Unternehmen bereit, diese hohen Lasten mitzutragen, um dem als Bedrohung wahrgenommenen Kommunismus entgegenzuwirken.
In den USA war vom Ende der 1950er bis zum Ende der 1960er Jahre die Bürgerrechtsbewegung gegen die Diskriminierung der Afroamerikaner aktiv. Ab 1965 wurde die Protestbewegung gegen die Beteiligung der USA am Vietnamkrieg aktiv- Ausgehend von Studenten, als Teil der Friedensbewegung und Teil der Gegenkultur der 1060er Jahre in den USA. Unterstützt von der Bürgerrechtsbewegung, Feministinnen und den mexikanisch stämmigen Chicanos.
In Frankreich gab es Studentenunruhen, die im Mai 1968 kulminierten. Anfangs ging es um die Verbesserung der Studienbedingungen, dann um politische Themen, auch den Vietnamkrieg. Aber auch um Kapitalismuskritik, den Prager Frühling und die Demokratisierung der Gesellschaft. In der deutschen 68er-Bewgung waren die neue Linke und die Gegenkulturbewegung aktiv. Wegen der staken Radikalisierung von Teilen de 68er-Bewegung kam es im Januar 1972 zum Radikalenerlass und einer neuen Linkenfeindlichkeit.
In diesem neuen Klima kam es zur Rentenreform von 1972. Es gab noch einmal deutliche Leistungsverbesserungen. Jetzt konnten sich nicht nur berufstätige Hausfrauen versichern, sondern auch andere Hausfrauen. Auch Selbständige erhielten die Möglichkeit, sich freiwillig zu versichern, was im Laufe der Zeit zu einer großen Belastung führte. Ferner wurde die Altersgrenze flexibilisiert: .Frauen und ältere Arbeitslose konnten mit 63 Jahren in Rente gehen, Schwerbehinderte mit 60 Jahren. Die damalige Finanzlage gestattete die Einführung dieser Verbesserungen der Versicherungsbedingungen, weil es vertretbar erschien, einen Teil der Reserven abzuschmelzen. Diese betrug etwa der Dreifache des zulässigen Minimums.
Seit 1981 wurde darüber diskutiert, wie die Rentenversicherung an das demographische Problem angepasst werden kann, Im Jahr 1989 wurde die Rentenreform beschlossen. Sie trat aber erst 1992 in Kraft. Durch die Wiedervereinigung gab es zusätzliche Belastungen der Rentenversicherung. Das hatte aber keinen Einfluss auf diese Rentenreform, legte jedoch nahe, dass bald wieder eine Anpassung erforderlich sein würde. Für die Umgestaltung des Rentensystems gab es den Vorschlag, das System nur minimal zu verändern, aber auch den eines vollständigen Übergangs zur Kapitaldeckung oder einer Rückkehr zu einer Mindestsicherung (in Kombination mit einer freiwilligen Altersversicherung). Beschlossen wurde dann:
• Der Bundeszuschuss wuchs und wurde an den Beitragssatz angepasst Ab 2001 wird die Altersgrenze generell auf 65 Jahre erhöht, Ausnahmen nur noch Schwerbehinderten und Erwerbsunfähige, (ab 60 Jahre) Erwerbsunfähigen..
• Zeiten mit Lohnersatzleistungen werden ab 1993 als Beitragszeit anerkannt. Zeiten der Kinderbetreuung und der Pflege von Pflegebedürftigen werden als Beitragszeit anerkannt.
• Die Renten wurden an die Nettolöhne angepasst, was zu einer Leistungsreduzierung führt. .
Inzwischen hatte es auch in Deutschland die neoliberale Wende gegeben, und es kam eher zum Abbau als zum weiteren Ausbau der Sozialleistungen.
Dafür, dass dieses Mal die Kürzungen nicht zu drastisch werden, sollten die Rentner kämpfen. Die Sozialverbände warnen nämlich schon jetzt vor einem Sozialabbau, und die Menschen im Rentenalter sollten zeigen, dass sie hinter den von den Sozialverbänden vertretenen Förderungen stehen.

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