Eine Rentendiskussion ohne „Denkverbote“ – aber wirklich!

Unsere sozialdemokratische Arbeits- und Sozialministerien Bärbel Bas hat dem Druck aus der CDU/CSU standgehalten und auf den Verabredungen mit den Kabinettskollegen von der CSU(CSU bestanden. Die wirtschaftsliberalen Kreise, als deren Sprachrohr die Junge Gruppe der CDU/CSU-Abgeordneten diente, konnten sich nicht durchsetzen. Jetzt gibt es rentenpolitische Regelungen, die bis 2031 gelten. Die angekündigte Rentenkommission muss also nichts übers Knie brechen. Es sollten wirklich alle Ideen auf den Tisch kommen, auch steuerpolitische. Und es sollten Fragen der sozialen Gerechtigkeit insgesamt berücksichtigt werden. Dazu gehört auch die Generationengerechtigkeit, nicht nur die Berücksichtigung der Interessen der nachwachsenden Generationen, sondern auch die berechtigten Interesse der Rentner, die in der Vergangenheit Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt haben.
Die Generation, die jetzt in Rente ist, hat noch andere Zeiten erlebt. Mit Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg sowie den Ideen der Sozialen Marktwirtschaft, der Sozialpartnerschaft und der Eigentumsbildung in Arbeitnehmerhand. Von Rentner*innen gebildete Herbstzeitlosen-Banden könnten eine Wiedergeburt dieser Ideen fordern. Ein Aspekt davon könnte es sein, dass die damals führende Wirtschaftstheorie, der Keynesianismus in aktualisierter Form wirtschafts-, umwelt- und sozialpolitischen Entscheidungen zugrunde gelegt wird.
Gestützt von der herrschenden neoklassisch-neoliberalen Wirtschaftsideologie wächst die Macht großer Wirtschaftskonzerne zu Lasten der staatlichen Ordnung. Und die USA, unsere bisherige Schutzmacht, müssen erkennen, dass sie nach dem Ende der bolschewistischen Herrschaft nicht die „Herren der Welt“ wurden. Inzwischen hat China in globalem Maßstab die größte Wirtschaftskraft und ist im Gegensatz zu den USA auf dem aufsteigenden Ast. Und wie es scheint, hat jetzt Russland mit seinen atomgetriebenen weitreichenden Marschflugkörper das größte atomare Drohpotential.
Wie es scheint, meinen einige mit den zu überwindenden „Denkverboten“ ethische Vorbehalte hinsichtlich dessen, was man aus angeblichen Sachzwängen Rentner*innen an Opfern zumuten kann. Aber auch über die „Sachzwänge“ sollte man ohne „Denkverbote“ nachdenken. Man sollte nicht nur an den Symptomen herumdoktern, sondern nach den tieferen Ursachen n des augenblicklichen Übels suchen und diese soweit wie möglich beseitigen. Dass China von rückständigen Anfängen zur stärksten Wirtschaftsmacht der Welt aufsteigen konnte, legt den Verdacht nahe, dass auf dem aktuellen Stand der Weltwirtschaft die bei den nordatlantischen Staaten herrschende Wirtschaftstheorie unbrauchbar geworden ist. Deshalb sollte sie in Frage gestellt werden.
Bei einer Diskussion ganz ohne Denkverbote könnte beispielsweise theoretisch der folgende Standpunktvertreten werden: „Wer nicht mehr arbeiten kann, sollte nicht mehr medizinisch versorgt werden.“ Als Begründung dieser überzogenen Forderung könnte genannt werden, dass die medizinische Versorgung ausschließlich der Erhaltung der Arbeitskraft dienen sollte, aber ab Erreichen eines gewissen Alters entfällt die Arbeitsfähigkeit und somit der wirtschaftliche Sinn der Gesundheitsversorgung. In einem rein monetären Kosten-Nutzen-Kalkül wäre ein solcher Standpunkt zulässig. Und weil es sich um Sozialpolitik handeln würde, wenn zugunsten von Senior*innen humanitäre Gesichtspunkte ins Spiel gebrächt würden, könnte man sich zum Zweck der Abwehr auf Friedrich August von Hayek berufen. Nach dessen Aussage über das “Wieselwort“ „sozial“ ist Sozialpolitik nämlich keine Politik.
Das Walter Eucken Intitut, „das“ liberrale Istitut in Deutschland schreibt über ihn: „Im Jahre 1962 nahm Hayek den Ruf auf einen Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg an und wurde wenig später zum Vorstand des Walter Eucken Instituts gewählt.“ Da muss man sich bei der FDP über nichts wundern. Aber auch in der CDU/CSU und, insbesondere in der Zeit der Kanzlerschaft Gerhard Schöders, bei der SPD ist Hayeks vom extrem konservativen amerikanischen Liberalismus geprägtes wirtschaftspolitisches Denken zu finden.
Eine „wirklich sozialdemokratische“ Wirtschaftspolitik wurde von John Maynard Keynes entwickelt. Sie führte aus der Wirtschaftskrise Ende der 20er Jahre durch die US-amerikanischen Wirtschafts- und Sozialreformen in den Jahren 1933 bis 1938 heraus. In Deutschland war sie nach dem Zweiten Weltkrieg bis ca. 1980 führend. Weil es eine Wirtschaftskrise gab, die von dem damaligen Keynesianismus nicht bewältigt werden konnte, wechselte die Wirtschaftspolitik hin zu der inzwischen überarbeiteten zuvor führenden „neoklassischen“ Theorie und dem US-amerikanisch gefärbten „Neoliberalismus“. Jetzt zeigen sich neue Krisenerscheinungen, die mit neoklassische/neoliberalen Mitteln nicht bewältigt werden können. Deshalb wäre es vernünftig, über eine Alternative nachzudenken, die zu Entscheidungen unter Unsicherheit passt. Z.B. über den Postkeynesianismus, eine „eher sozialdemokratisch“ gefärbte Weiterentwicklung des originalen Keynesianismus.
Zum Postkeynesianismus gehören drei Richtungen, die einen gemeinsamen Kern haben – wie die These der Entscheidung unter Unsicherheit – und sich gegenseitig zu einer runderen Theorie ergänzen können. Wie auch bei anderen Lehren gibt eine „orthodoxe Richtung. Diese will in den wesentlichen Ansätzen nicht über die ursprüngliche Theorie hinausgehen, diese nur verbessern. Für ein Verständnis der Weltfinanzkrise von 2007/2008 nützlich ist Hyman Minskys These der finanziellen Instabilität. Eine Art Synthese stellt die Aufnahme von Michal Kaleckis Lehren in den Keynesianismus dar. Dieser Zeitgenosse von Keynes stimmte in einem grundlegenden Punkt mit ihm überein, führte aber eine differenzierter Betrachtung ein. Diese könnt die Grundlage einer Diskussion über soziale Gerechtigkeit sein. Nicht nur einer Kritik der Einkommens- und Vermögensungleichheit, sondern auch der Erarbeitung von Mitteln zu deren Verringerung.
Jede Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Wagen wir ihn!
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