79. Jahrestag des Wenzelnberg-Massakers

Am 13. April 1945, an einem der letzten Kriegstage, wurden am Wenzelnberg in Langenfeld 71 Häftlinge von den Nationalsozialisten ermordet.

Zum 79. Jahrestag findet in Erinnerung an die Opfer dieses Verbrechens am
Sonntag, 14. April 2024, 11:00 Uhr eine Gedenkfeier am Mahnmal Wenzelnberg statt.

Dazu lädt die Stadt Remscheid auch im Namen der Städte Langenfeld, Leverkusen, Leichlingen, Wuppertal und Solingen ein.

Adresse: Kapeller Weg, 40764 Langenfeld
Anfahrt: Aus Solingen kommend über Bonner Straße, Landwehr und Elberfelder Straße, links in den Kapeller Weg, Parkmöglichkeit am Friedhof

Arthur Koch

Otto Gaudig

Paul Tegethoff

Erich Lohmer

Hugo Breenkötter

Josel Wenzel

Paul Wondzinski

 

Das Massaker vom Wenzelnberg

Kurz vor dem Einmarsch der Alliierten, am Morgen des 13. April 1945, wurden 71 Häftlinge, darunter 15 politische Gefangene und vier Zwangsarbeiter, aus dem Zuchthaus Remscheid-Lüttringhausen und dem Wuppertaler Polizeipräsidium in die Schlucht am Wenzelnberg gefahren. An ihrer Exekution in dem abgelegenen Waldstück an der Grenze zwischen Solingen und Langenfeld waren etwa 100 Gestapo- und Kripobeamte sowie Schutzpolizisten beteiligt.

 

Auszug aus Aufnahmen von der Exhumierung und Beerdigung der Opfer vom Wenzelnberg am 30. April und 1. Mai 1945.

Quelle: Accessed at United States Holocaust Memorial Museum, courtesy of National Archives & Records Administration

 

Ausgangspunkt des Wenzelnberg-Massakers ist ein Befehl des Oberbefehlshabers West, Generalfeldmarschall Walter Model vom 7. April 1945. Am 10. April 1945 fuhren Wuppertaler Gestapo- und Kripobeamte zum Zuchthaus in Lüttringhausen und übergaben eine schriftliche Anweisung, die Insassen des Zuchthauses „sicherheitspolizeilich“ zu überprüfen. Diese Überprüfung sollte der Gestapo-Beamte Caspar Dahlmann für die politischen Häftlinge und der Kripo-Beamte Vestweber für die sogenannten kriminellen Häftlinge im Zuchthaus anhand der Gefangenenakten und Karteikarten vornehmen.

Der Zuchthausdirektor Engelhardt übernahm jedoch selbst die Anfertigung der Liste und damit die Auswahl der Gefangenen, die getötet werden sollten. Diese Liste mit etwa 90 Namen schickteer in der Nacht des 11. April 1945 an den Leiter der Gestapoaußenstelle Josef Hufenstuhl in Wuppertal. Zu einem Teil der von ihm benannten „politischen Täter“ hatte Engelhardt vermerkt, dass die Gefangenen sich bei den Sprengkommandos der Luftwaffe befänden.

Parallel zu den Vorbereitungen in Lüttringhausen wurden auch Gefangene aus Wuppertaler Gefängnissen zur „Abholung“ selektiert. Zum einen verlegte die Wuppertaler Gestapo vier politische Gefangene aus dem Gefängnis Bendahl ins Gefängnis des Polizeipräsidiums. Zum anderen traf es mindestens vier ausländische Zwangsarbeiter, die in Wuppertal-Ronsdorf wegen angeblichen Diebstahls verhaftet worden waren.

Am Morgen des 13. April 1945 mussten insgesamt 71 Gefangene Aufstellung nehmen. Sie wurden in geschlossenen LKW und von einem großen Polizeiaufgebot bewacht zum Wenzelnberg gebracht.

Aus Lüttringhausen waren „nur“ insgesamt 60 Zuchthausinsassen bereitgestellt worden. Zur Exekution vorgesehene Häftlinge wurden vor dem Abtransport zum Teil zum Bombenräumkommando überstellt und damit gerettet. Der katholische Geistliche Joseph Rossaint wurde in Absprache mit dem Leiter der Gestapo Außenstelle Wuppertal Hufenstuhl verschont.

Karl Bennert schrieb in seinem Schlussbericht für die amerikanische Untersuchungskommission: „Nach Eintreffen in der Nähe der Mordstätte wurden die Leute ausgeladen und zu der Sandgrube geführt. […] Der Weg führte etwas bergan und einige Kranke mussten dahin geschleppt werden, weil sie sich selbst nicht aufrechthalten konnten. Auch befand sich ein Beinamputierter dabei. Die Gefangenen waren […] zu zweit aneinander gefesselt. Die Hinrichtung dauerte ungefähr 1 Stunde. Nach dem wurden die Anwesenden beauftragt, die Grube wieder zuzuschaufeln.“

Ermordet wurden 71 Häftlinge, darunter 15 politische Gefangene und mindestens vier Zwangsarbeiter, nur wenige Tage vor dem erwarteten Einmarsch der US-Army.

An der Mordaktion waren etwa 100 Gestapo- und Kripobeamte sowie Schutzpolizisten unmittelbar beteiligt. Befohlen hatte sie Josef Hufenstuhl. Mindestens 25 Schutzpolizisten wurden aus der Wuppertaler Einsatzkompanie aus der Schule Leipziger Straße , weitere 10 Schutzpolizisten aus der Polizei-Bereitschaft in der Schule Wittkuller Straße in Solingen-Wald zur Mordaktion befohlen.

Leiter des Erschießungskommandos war der Kriminalkommissar und SS-Obersturmführer Theodor Goeke. Die Mitglieder der Einsatzkompanie der Schutzpolizei, die nach der Exekution nach Wuppertal zurückfuhren erhielten in ihrem Quartier in der Schule Leipziger Straße als Belohnung eine Schnapszuteilung.Über die genauen Verantwortlichkeiten bei der Exekution gibt es bis heute keine gesicherten Informationen. Wir wissen bis heute nicht, wer geschossen, abgesichert oder das Massengrab zugeschaufelt hat.

Die Täter wurden niemals verurteilt.

Der Solinger Widerstandskämpfer Karl Bennert erinnerte sich anlässlich der Gedenkfeier am Wenzelnberg am 30. April 1995: „Nach dem Einmarsch der Amerikaner am 17.4.45 wurde die Gruppe, die sich den Amerikanern als antifaschistisches Bürgerkomitee vorgestellt hatte, mit den Polizeiaufgaben im Stadtteil betraut. […] Noch am Tage des Einmarsches der Amerikaner erhielten wir die Nachricht von dem Verbrechen hier an diesem Ort. Der US-Kommandant gestattete uns, zwecks Erkundung mit einem PKW hierherzufahren. Das Massengrab, noch frisch, war leicht zu erkennen. […] Da die Aufklärung von Naziverbrechen einer amerikanischen Spezialeinheit vorbehalten war, musste auf deren Eintreffen gewartet werden. Nach ca. 8 Tagen meldete sich bei uns US-Sergeant Jerry Lilienthal von der CIC [Counter Intelligence Corps – amerikanischer Geheimdienst] und ich wurde von der Antifagruppe mit Einverständnis des Kommandanten beauftragt, gemeinsam mit Jerry Lilienthal – der der Sohn deutscher Emigranten war – den Massenmord aufzuklären. So kam es, dass ich mit Jerry der dann mein Freund wurde, bis Ende Mai zusammenarbeitete, wobei es uns gelang, die Umstände, die zu dem Massaker geführt hatten, weitgehend aufzuklären und die Schuldigen namhaft zu machen.“ Obwohl der Widerstandskämpfer Karl Bennert zusammen mit dem amerikanischen Geheimdienst-Mitarbeiter Jerry Lilienthal in den folgenden Wochen zahlreiche Täter ermitteln konnte, wurde keiner der Verantwortlichen je verurteilt, da alle eine unmittelbare Tatbeteiligung abstritten oder sich auf Befehlsnotstand beriefen.

„Um den Nazis eine Lektion zu erteilen, wurden zur Exhumierung der Leichen, die am 30. April stattfand, eine Gruppe von 40 ortsansässigen Mitgliedern der Nazipartei herangezogen. Es handelt sich bei ihnen meistens um Geschäftsleute. Viele fanden sich in ihren besten Anzügen ein. […] Viele von ihnen glaubten, dass man sie erschießen wollte. Bevor sie an die Arbeit gingen, wurde ihnen eingeschärft, dass sie, wenn sie eine der Leichen mit der Schaufel beschädigen würden, die Arbeit mit den Händen weiter ausführen müssten. Dann begann die Arbeit. […] Dem Bürgermeister von Ohligs wurde befohlen, mindestens 1.000 Einwohner der Stadt zum Begräbnis dieser Opfer des Nazisystems zu versammeln. Am Morgen nach der Exhumierung versammelten sich 3.000 Menschen gegen 10 Uhr vor dem Rathaus in Ohligs. Auf dem Platz vor dem Rathaus waren Einzelgräber ausgehoben, die mit Kieferzweigen und rotem und weißem Flieder geschmückt waren. Als die Lastwagen mit den Leichen eintrafen, hob das Nazigrabkommando die Leichen von den Ladeflächen und legte jede behutsam in ein neues Grab. Der Geruch, der von den Leichen ausging, war ekelerregend, der Zustand mancher Leichen furchtbar. Eine Leiche, der ein Bein fehlte, wurde zusammen mit der Krücke begraben, die ihr Besitzer mit sich geführt hatte, als er erschossen wurde. Das Begräbnis dauerte zwei Stunden, während die Zuschauer still und aufmerksam dabeistanden. Wegen des furchtbaren Geruchs bedeckten die meisten Zuschauer ihre Nasen mit Taschentüchern. Als die letzte Leiche ins Grab gesenkt war, wurden alle Anwesenden gezwungen, an den Gräbern vorbeizuziehen und einen Blick auf die Toten zu werfen, bevor die Gräber zugeschaufelt wurden. Die Bevölkerung wurde verpflichtet, sich stets um die Erhaltung dieses kleinen Friedhofes im Zentrum ihrer Stadt zu kümmern.“

(Bericht über die Exhumierung, Übersetzung aus: Byrnes, Laurence G.: History of the 95th Infantery Division, S. 473, Rejek, Dokumentation, S. 10.)

„Mögen die Toten in Frieden ruhen vor diesem Rathaus und möge das Verbrechen zur Abschreckung aller Bürger dienen, damit sie alles tun, was in ihren Kräften steht, um für immer solche Unmenschlichkeiten zu verhindern. Wir sind nicht imstande, den Ozean von Tränen zu trocknen, den Hitlers Regime geschaffen hat.“

Grabrede des neu ernannten Oberbürgermeisters Oskar Rieß (SPD)

Seit 1946 finden jedes Jahr Gedenkveran­staltungen statt. 1965 wurden die sterblichen Überreste erneut exhumiert und am Mahnmal Wenzelnberg bestattet.

 

 

 

Literatur:

Die Ausstellungstafel zum Wenzelnberg

https://nein.max-leven-zentrum.de/das-massaker-vom-wenzelnberg/

Stephan Stracke: Das Massaker am Wenzelnberg, in: Armin Breidenbach/Jörg Becker: Remscheid ´45, Remscheid 2020, S. 189-215.

Stephan Stracke: Die Morde in der Wenzelnbergschlucht, in: Lieselotte Bhatia, Stephan Stracke: In letzter Minute. Nationalsozialistische Endphaseverbrechen im Bergischen Land, Bremen, Wuppertal 2014 (= Verfolgung und Widerstand in Wuppertal Bd. 14), S. 67-261.

 

Die Namen der Opfer:

1. Ludwig Baumann

2. Hugo Breenkötter

3. Josef Breuer

4. Leopold Chocensky

5. Wilhelm Clemens

6. Christian Döhr

7. Heinrich Dietz

8. Adolf Führer

9. Bernhard Funkel

10. Wilhelm Fatscher

11. Johann Galwelat

12. Otto Gaudig

13. Karl Grabowski

14. Wilhelm Gietmann

15. Albert Grandt

16. Johann Hense

17. Adolf Hermanns

18. Karl Horn

19. Wilhelm Hanrath

20. Hans Holzer

21. Ferdinand Jahny

22. Wincente Jankowski, Polen

23. Hermann Jäger

24. Friedrich Knopp

25. Arthur Koch

26. Friedrich Kamleiter

27. Jakob Krieger sen.

28. Joseph Kuhnt

29. Heinrich Kubick

30. Rudolf Käferhaus

31. Daniel Kresanowski, UdSSR

32. Walter Kuhlmann

33. Wilhelm Kranz

34. Max Lang

35. Erich Lohmer

36. Paul Lisziun

37. Hermann Landtreter

38. Horst Lettow

39. Henri Liebisch

40. Ferdinand Margreiter

41. Heinrich Marth

42. Otto Markus

43. Gustav Marnitz

44. Franz Müller

45. Walter Nell

46. Josef Nikolay

47. Hubert Of fergeld

48. Heinrich Rode

49. Adolf Röder

50. Herbert Runkler

51. Sylvester Shiatecki

52. Heinrich Schlieper

53. Karl Schulz

54. Wilhelm Stangier

55. Mitrofan Saitzki, UdSSR

56. Franz Spitzlei

57. Theodor Schmidt

58. Johann Schyra

59. Paul Tegethoff

60. Max Thiemann

61. Josef Thiemann

62. Heinrich Triess

63. Paul Wondzinski

64. Karl Wallraven

65. Hans Wimmershof

66. Wilhelm Wilgeroth

67. Viktor Wolynec, UdSSR

68. August Zywitzki

69. Unbekannt

70. Unbekannt

71. Unbekannt

 

 

Die Täter vom Wenzelnberg (soweit bekannt)

Kripo: Wilhelm Alvermann, Gottfried Speck, Karl Schalenbach, Ludwig Ludmann, Friedrich Karst, Otto Hornberger, Wilhelm Klos, Friedrich Burmann, Karl Enders, Paul Nees, Peter Wald.

Gestapo: Theodor Goeke, Karl Wilhelm Beine, Artur Peters, Albert Michel, Anton Bittern, Eduard Lovinski, Walter Brüggemann, Ewald Jesinghaus, Josef Kreys,Karl Schneller, Franz Schwarz, Erich Vogel.

Einsatzkompanie Wuppertal: Wilhelm Schwerte, Willi Schmidt, Anton Niekisch, Albert Frenker, Heinrich Köster.

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