Kommt nach der Autokrise eine Kalkkrise?

Durch das Upcycling von abgebundenem Zement in Abbruchbeton
In der Zementindustrie werden aktuell ca. 7 % der Belastung der Atmosphäre mit Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Ein Teil davon lässt sich durch den Einsatz grüner Energie für das Erhitzen der Ausgangsstoffe Kalkstein und Ton vermeiden. Aber die Freisetzung dieses Treibhausgas beim Brennen des Kalks, das Teil des Prozesses ist, birgt ein so nicht lösbares Problem.
Jetzt gibt es Aussicht auf eine Lösung: Es gibt ein Projekt zum Upcycling von abgebundenem Zement aus Abbruchbeton, das eine Verbesserung der Kohlenstoffbilanz verspricht. Wenn es den Durchbruch schafft, ist die Existenz des Kalksteinabbaus in Wülfrath gefährdet. Das könnte aber abgefangen werden, wenn rechtzeitig und konsequent genug die Vorbereitung auf einen Umstieg zu Upcycling erfolgt. Verhältnisse wie die aktuellen in der Autoindustrie könnten vermieden werden.
Wie viele kleiner Krisen bisher erwuchs die deutsche Autokrise aus einem Problem, das als „Innovatorendilemma“ (innovator’s dilemma) bekannt ist: Indem man als Manager*in das „Richtige“ tut, tut man das „Flasche“. Das „richtige“, das in betriebswirtschaftlichen Lehrbüchern steht, sind zwei Regeln:
„Höre auf die Wünsche deiner besten Kunden und reagiere darauf!“ Und
„Konzentriere dich bei Innovationen auf diejenigen, die am merzten einbringen!“
Seit den Tagen von Daimler und Benz, als Verbrennungsmotoren begannen, Pferde und Ochsen als Zugtiere zu ersetzen, haben sich diese zwei Regeln in der Autoindustrie bewährt. Das ging gut, bis die Gewinnung von Energie durch Verbrennen fossiler Treibstoffe wegen ihres Beitrags zur Klimakrise fragwürdig wurde. Das war die Stunde der E-Autos. Einer „disruptiven“ Technologie: anfangs nicht wirklich konkurrenzfähig, aber mit großen Verbesserungen in kurzer Zeit und eine Chance für Länder wie China, die keine etablierte Autoindustrie haben, aber E-Autos betreffend technologische Vorteile haben.
In der Baubranche ist die Verwendung von Zement als „Wegwerfressource“ fragwürdig geworden. Beim Abbruch moderner Bauwerke anfallender Betonschutt wird zwar weiter verwendet: zerkleinert und z:B. als Füllmaterialverwendet. Aber dafür, den abgebundenen Zement von den Kieselsteine zu trennen, gab es keinen Anlass., bis das Ziel der Klimaneutralität ausgerufen wurde.
Zur Erzeugung von Zement wird nämlich Kalk gebrannt und dabei Kohlenstoffdioxid freigesetzt. Danach wird er zusammen mit den von Anfang an beigemengten Zusatzstoffen wie Ton weiter erhitz, um einen Stoff zu erzeugen,, der fein gemahlen als Zement in den Handel kommt. Im Gegensatz zu reinem Kalk, der beim Abbinden Kohlenstoffdioxid aufnimmt, bindet Zement unter Aufnahme von Wasser ab. Unter diesem Gesichtspunkt ist Zement viel „schlimmer“ als reiner Kalk. Er eröffnet aber auch eine neue Recyclingchance: das beim Abbinden aufgenommene Wasser aus dem abgebundene Zement wieder auszutreiben, so dass kein neuer Kalk gebrannt werden muss. Das ist echtes Upcycling des Zements.
Unter dem Namen „UpCement“ wird diese Idee in einem Projekt an der Universität Duisburg/Essen verfolgt. Drei Fächer dieser Universität (Materialforschung, Baubetrieb und Baumanagement sowie Logistik und Verkehr) arbeiten darin mit der Bergakademie Freiberg in Sachsen zusammen. Dort gibt es u.a. ein Institut, das Maschinen entwickelt, die zur mechanischen Aufbereitung des Abbruchbetons dienen können.
Dieses Kreislaufverfahren könnt im Prinzip auch für das Wuppertaler Circular Valley, einen globalen Hotspot der Kreislaufwirtschaft, interessant sein. Vielleicht könnte man auch etwas von den Fortschritten der Kreislaufwirtschaft lernen, die in Sachsen zu erwarten sind. Dort gibt es nämlich einen Kreislaufwirtschaftsplan:
https://www.wertstoffe.sachsen.de/kreislaufwirtschaftsplan-9821.html
und es gibt dort auch ein großes, von der EU gefördertes Projekt für treibhausgasneutrale Kreislaufwirtschaft von drei Universitäten Chemnitz, Dresden, Freiberg) mit dem Namen CircEcon:
https://www.simulplus.sachsen.de/circecon-27942.html
Vermutlich ist das ein Strukturförderungsprojekt, das dem Aufbau von Neuem in der Lausitz dienen soll, nachdem dort der Braunkohleabbau eingestellt wurde.
Eine ähnliche Strukturförderung wird wohl auch unsere Nachbarstadt Wülfrath brauchen, wenn die Kalksteinnachfrage einbricht, weil im Zementsektor eine Kreislaufwirtschaft eingerichtet wurde. Jetz ist noch Zeit für den geordneten Aufbau von Anlagen zum Zement-Upcycling und der zugehörigen Logistik. Es gibt nicht nur einen einzigen „richtigen“ Zeitpunkt für den Umstieg zum Upcycling, sondern ein Zeitfenster. Aber le länger man wartet, desto größer ist das Risikos des Endes in einer Krise.
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