Miteinander reden!

Editorial der Bergischen Blätter, Ausgabe 02.2015, zu Wuppertal nach den Anschlägen in Paris von Silke Nasemann

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Es ist Zufall, aber einer, der zu denken gibt: Während in Frankreich nach dem Anschlag auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt noch eine Art Schockzustand herrschte, begann in Wuppertal der Prozess gegen drei junge Männer, die im Juli 2014 einen Anschlag auf die Synagoge in Wuppertal-Barmen verübt haben. Sie warfen Molotow-Cocktails auf den Eingang – zum Glück ohne Folgen. Die vor Gericht stehenden Männer sind Palästinenser. Der blutige Konflikt zwischen Israel und Palästina soll der Auslöser für den Brandanschlag gewesen sein.
Die Folge dieser und der letzten Anschläge: Synagogen werden rund um die Uhr von der Polizei bewacht, und „nach Paris“ fährt sie vor „sensiblen“ Einrichtungen vermehrt Streife. Und deshalb ist es gut zu sehen, dass damals wie heute zahlreiche Wuppertaler gegen die Anschläge protestieren, demonstrieren, sich äußern – und zwar Christen ebenso wie Moslems, Atheisten wie andere Gläubige. Hier gibt es keine Pegida-Bewegung, sondern das Gegenteil ist der Fall: Seit über 20 Jahren besteht der Runde Tisch zwischen den drei großen Religionen.
Dabei galt von Anfang an das Motto „miteinander sprechen, statt übereinander reden“, wie es der Theologe und Mitgestalter des Runden Tischs, Karl Federschmidt, nicht treffender hätte sagen können. Hätten die drei Angeklagten mit Mitgliedern der  gesprochen, hätten sie vielleicht erfahren, dass man die Siedlungs- und Besetzungspolitik Israels genauso falsch findet. Im schlimmsten Fall hätte man sich böse Worte an den Kopf schmeißen können – statt mit Diesel gefüllte Flaschen auf die Synagoge. Denn die drei Männer haben zum Prozessauftakt betont, dass sie weder das Haus in Brand stecken noch Menschen verletzen wollten.
Nur ein Ergebnis des Runden Tischs unter vielen ist, dass in Zukunft verstorbene Christen, Juden und Moslems auf dem Friedhof an der Krummacher Straße Seite an Seite ihre letzte Ruhe finden können. Und deshalb sollte es auch wieder an der Zeit sein, den interreligiösen Kalender aufzulegen, der zwischen 2000 und 2010 sieben Mal herausgegeben wurde. Er erklärte unter anderem die Feiertage von Christen, Juden und Moslems. Auch wenn es für 2015 zu spät ist, sollte es definitiv nicht am Geld scheitern, für das kommende Jahr eine Neuauflage zu starten.

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