17.04.2023Rüdiger Blaschke
Sind die Autonomen mit dem Moschee-Bürgerbegehrens auf dem Holzweg?
Zugegebenermaßen ist die DITIB umstritten, aber seit 2021 scheint es ein gutes Verhältnis zwischen unserer Landesregierung und der DITIB zu geben. Über die damalige Gründung einer Kommission für den Religionsunterricht, in die auch die DITIB berufen wurde, steht im Internet:
„Sechs nordrhein-westfälische islamische Organisationen erfüllen nach Prüfung der Landesregierung die gesetzlichen Voraussetzungen und haben sich mit der Unterzeichnung des Vertrages entschieden, mit dem Land den islamischen Religionsunterricht gemeinsam zu gestalten. Dies sind:
*Sechs nordrhein-westfälische islamische Organisationen erfüllen nach Prüfung der Landesregierung die gesetzlichen Voraussetzungen und haben sich mit der Unterzeichnung des Vertrages entschieden, mit dem Land den islamischen Religionsunterricht gemeinsam zu gestalten. Dies sind:
Bündnis Marokkanische Gemeinde (BMG)
Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB)
…“
Das war wohl auch ein Grund dafür, dass das Moscheeprojekt an der Gathe neuen Schwung bekam. In der damals von der DITIB-Gemeinde erstellten Dokumentation steht:
„2009 Erste Ideen *
…
2016/2017 – Machbarkeitsstudie Umzugsalternativen AZ
2018 – Gegenseitige Besuche zwischen Stadt/AZ/DITIB
2019 – Gespräche mit Herrn Gödeking
2020 – Mehrfachbeauftragungen (Istanbul & Augsburg & Wuppertal)
2021 – …. noch ein wenig Geduld“
Am 06.03.2023 hat der Rat der Stadt Wuppertal einen auf der vorgelegten Machbarkeitsstudie basierenden Zielbeschluss gefasst. Am 13.04.2023 erschien in der WZ ein kurzer Artikel mit dem Titel „Wuppertaler Moscheen zum Neubau“. Er beginnt mit:
„Die Wuppertaler Moscheen begrüßen den Beschluss des Stadtrates zum Neubau der Moschee an der Gathe:
„Dieser Beschluss ist ein Bekenntnis für Vielfältigkeit, Religionsfreiheit und Toleranz.“
Und er endet mit:
„Die Interessenvertretung der Wuppertaler >Moscheen dankt allen Befürwortern aus Politik, Religion und Veraltung, aber auch allen Bürgerinnen und Bürgern für ihre Unterstützung.“
Auf das Bürgerbegehren gibt es im Text lediglich einen indirekten Hinweis.
„Die Türkisch-Islamische Gemeinde sei weltoffen und gesprächsbereit. Dass indes ein etwaiger Einfluss der türkischen Religionsbehörde Diyanet durch den Neubau der Moschee steigen soll, sei aus Sicht der Interessenvertretung nicht nachvollziehbar, schließlich besteht die Gemeinde seit Jahrzehnten.“
Das ist ein indirekter Bezug auf die Textpassage aus der Begründung:
„Dieser Beschluss ist ein Fehlentschluss, weil damit die Planungen der Türkisch-Islamischen Gemeinde zum Bau einer Moschee an diesem Standort unterstützt werden. Denn dieser islamische Verein gehört dem Verband DITIB an, der von der Religionsbehörde des türkischen Staates unter dem derzeitigen Präsidenten Erdogan abhängt.“.
Hier klingt die Bezeichnung des Bündnisses der Moscheegegner an: „Gathe für alle! Gegen die DITIBisierung und Erdogasnisierung der Welt“. Das klingt ein wenig nach Verschwörungstheorie: Eine türkische Clique strebt die Beherrschung der Welt an. Dazu passt der Versuch, in der Begründung des Bürgerbegehrens, eine Bedrohungssituation zu suggerieren:
„In NRW wurden in einzelnen DITIB-Moscheen Andersdenkende von den Imamen bespitzelt und Informationen an das türkische Konsulat weitergeleitet.“
Das sagt nichts Stichhaltiges über die Elberfelder DITIB-Moschee. Ebenso wenig wie:
„In der Lokalzeit Bergishces Land berichtete unlängst ein Anhänger der Gül-Bewegung, dass er die Wuppertaler DITIB-Moschee aus Angst vor Bespitzelung meidet,“
Aber es gibt wohl etwas, das eine gewisse Beweiskraft gegen die Autonomen hat: deren Presserklärung vom 07.03.2023. Sie beginnt so:
„Die gestrige Debatte im Wuppertaler Stadtrat hat uns ein Stück weit sprachlos gemacht.
Nicht so sehr das (erwartbare) Gestammel der Nazihinterbänkler:innen, sondern die fortdauernde Verharmlosung der DITIB durch die ganz große Koalition von CDU, SPD, FDP bis zu den Grünen.“
Aus diesen Zeilen scheint ein hohes Maß an Überheblichkeit und Verachtung Andersdenkender zu sprechen, und das wiederholt sich auch in der „Einladung zum Tanz- und Kampf-Festival in und um das Autonome Zentrum Wuppertal vom 28. April bis zum 1. Mai 2023!“:
„Autonome und Selbstverwaltete Zentren sind immer in Gefahr, von Stadt, Staat und Kapital plattgenacht zu werden. Aber 50 Jahre Kämpfe um diese zeigen, dass sich die Stadt Wuppertal ordentlich verrechnet hat, wenn sie glaubt, dass wir die Gathe ohne einen infernalischen Kampf verlassen werden. Die peinliche und provinzielle Arroganz der Machthabenden zeigt sich in der lockeren Frechheit seitens der Stadt und der DITIB, das AZ mal eben so weg zu planen und noch nicht einmal ein im Ansatz angemessenes Ersatzobjekt anbieten zu können.“
Das ist wohl eher eine Frechheit seitens der Autonomen, und so einfach wurde das AZ nicht weggeplant. Es gab wohl in den Jahren 2016 bis 2018 Versuche, gemeinsame Lösungen für den Umzug des AZ zu finden. Es wäre interessant zu erfahren, was damals gelaufen ist. Das könnte zur Versachlichung beitragen.
Eigentlich wäre aber nicht die Stadt Wuppertal der richtige Ansprechpartner beim Kampf gegen Erdogan, sondern das Land. Es ist allerdings fraglich, ob en Kampftanz in Verbindung mit Schmähungen geeignet ist, die Landtagsabgeordneten umzustimmen und zu einer kritischeren Haltung gegenüber der DITIB zu veranlassen. Der Einflussnahme auf die inneren Verhältnisse in Religionsgemeinschaften scheinen nämlich enge Grenzen gesetzt zu sein, den. Artikel 19 der Landesverfassung sagt;
„(1) Die Freiheit der Vereinigung zu Kirchen oder Religionsgemeinschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschlüsse von Kirchen oder Religionsgemeinschaften innerhalb des Landes unterliegt keinen Beschränkungen.
(2) Die Kirchen und die Religionsgemeinschaften ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie haben das Recht, ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der politischen Gemeinden zu verleihen oder zu entziehen.“´
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