Unterirdische Rüstungsproduktionsstätte im Reichsbahntunnel

Tunnel Schee als unterirdische Rüstungsproduktionsstätte im zweiten Weltkrieg

„Kauz“ im Tunnel

Tunnel ScheeTunnel Schee

Auch in Wuppertal wurden 1944 kriegswichtige Produktionsstätten unter die Erde verlegt. In einem Reichsbahntunnel wurden von Zwangsarbeitern Rumpfteile für den Düsenjäger Me 262 gefertigt. Bis heute kann man die Spuren finden – eine Gedenktafel gibt es nicht.

1944 wurde begannen die Nationalsozialisten damit, für wichtige Rüstungsbetriebe unterirdische Produktionsstätten zu schaffen. Diese so genannten U-Verlagerungen bekamen je nach Art des genutzten Objektes unterschiedliche Tarnnamen, die in unterschiedliche Kategorien eingeteilt waren: Schachtanlagen bekamen Tiernamen, Stollenanlagen wurden nach Fischen benannt, Eisenbahn- und Straßentunnel nach Vogelarten. Festungswerke wiederum erhielten Decknamen aus der Pflanzenwelt, natürliche Höhlen von Münzen und Neubauten von Stollen und Tunnelanlagen wurden nach Mineralien getauft.

Eine dieser unterirdischen Produktionsstätten wurde für die Vohwinkeler Herdfabrik Homann auf der Strecke von Wichlinghausen nach Sprockhövel im Scheetunnel eingerichtet und erhielt den Decknamen „Kauz“. Für diesen Zweck wurde 1944 die östliche Tunnelröhre des Doppeltunnels stillgelegt. Anfang 1944 waren die Homann-Werke in das sogenannte „Jägerprogramm“ aufgenommen worden und die Produktion auf die Fertigung von Teilen des Düsenjägers Messerschmitt Me 262 umgestellt. Daraufhin richtete die Firma Homann hier ein Ausweichwerk für die Produktion von Rumpfspitzen der Me 262 ein. Die Baracken für die hier eingesetzten rund 400 russischen Zwangsarbeiter befanden sich weiter nördlich vom Tunnel entfernt, ebenso die Baracken der Organisation Todt.

Zugang zu den ehemaligen BürosZugang zu den ehemaligen Büros

Flugzeugproduktion unter Tage

Der Scheetunnel ist ein 722 Meter langer, zweiröhriger Eisenbahntunnel an der stillgelegten Bahnstrecke Wuppertal-Wichlinghausen-Hattingen. Er verbindet Sprockhövel-Schee mit Wuppertal-Nächstebreck. Der Tunnel unterquert die Straße Mollenkotten an der Stadtgrenze von Wuppertal und Sprockhövel. Die beiden Röhren haben eine Höhe von 5,50 Metern und eine Breite von 5,10 Metern (westlicher Tunnel) beziehungsweise 4,90 Meter (östlicher Tunnel).

Der westliche Tunnel wurde im Jahre 1884 fertiggestellt und am 20. Mai 1884 als Bestandteil der normalspurigen, eingleisigen Kohlenbahn von Barmen – heute ein Stadtteil von Wuppertal – über Sprockhövel nach Hattingen eröffnet. Eine zweite Röhre östlich davon datiert laut einer angebrachten Jahreszahl auf 1902 und zeugt von den nie realisierten Plänen eines zweigleisigen Ausbaus der Bahnstrecke.

Um das Fertigungsvolumen realisieren zu können, mussten während der laufenden Flugzeugteile-Produktion umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt werden. Nach einer Bauzeit von etwa drei Monaten konnte die Firma Homann im August 1944 die volle Fertigungskapazität auf rund 3300 Quadratmetern Fläche nutzen. In den beiden Verbindungsgängen und den angeschlossenen Räumen zwischen den beiden Tunneln befanden sich die Büros und die Küchen der Fabrik. Die beiden Räume zwischen den Tunneln befinden sich jeweils etwa 100 Meter vom Eingangsportal entfernt im Tunnel.

Dunkle Vergangenheit

Im Gegensatz zu anderen U-Verlagerungen in Reichsbahntunneln der Region ist der Tunnel „Kauz“ mit einigen Relikten aus dieser Zeit noch ein Stück sichtbarer Vergangenheit. Man sieht heute noch Betonreste, Kabel, verrostete Metallteile und Reste von Ventilatoren für die Lüftung aus der Produktionszeit.

MarodesMarodes

Auf der Bahnstrecke von Schwelm nach Gevelsberg wurden noch andere Bauten zur Aufnahme bombensicherer Produktionsanlagen fertiggestellt beziehungsweise begonnen: Etwa im Silscheder Tunnel („Buchfink“) für das Flugzeugreparaturwerk Hansen & Co. in Münster oder der Klosterholzer Tunnel bei Gevelsberg („Goldammer“), ebenfalls für Hansen & Co. All diese Anlagen wurden mit Hilfe von Zwangsarbeitern errichtet, all diese Anlagen waren für den Einsatz von Zwangsarbeitern bestimmt.

Wie man sieht, hat selbst der Wuppertaler Untergrund eine dunkle Vergangenheit. Leider sind die genauen Angaben spärlich, Recherchen oft erfolglos. Durch Zeitzeugenarbeit und Archivrecherchen, etwa im Militärarchiv Freiburg oder im Imperial War Museum in London und die dort noch vorhandenen Dokumente, lassen sich diese Grausamkeit jedoch belegen. Leider erinnert am Tunnel „Kauz“ keine Gedenktafel an die Zwangsarbeiter, die hier im Zweiten Weltkrieg ausgebeutet wurden.

AußenportalAußenportal

Anmelden

Kommentare

  1. AceDahlmann sagt:

    @Wupperbild. Ja. Und das geht am besten, wenn der Tunnel ordentlich (für die Nordbahntrasse) fit gemacht wird. Dann kann da auch eine schöne Gedenktafel und andere Infos hin.

    @Angie: *lol* 😉

  2. Angie sagt:

    was haben damals die Fledermäuse gemacht (sehr sarkastisch)

  3. wupperbild sagt:

    Eine interssante Beschreibung dieser zweckentfremdenden Tunnelnutzung. In der Tat sollte an das Schicksal der Zwangsarbeiter in den verlagerten Betrieben erinnert werden.

Neuen Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert